ZEIT ONLINE: Herr Graf, im vergangenen Jahr war es um Sie sehr ruhig. Sie haben sich zu ihrer Familie nach Aachen zurückgezogen.

Der Graf: Ja, Ende 2012 war ich vollkommen fertig – eine Überdosis an Heimweh, Unausgeglichenheit und Verantwortungsbewusstsein den Menschen gegenüber, die zehn Jahre lang an meiner Seite für meinen Traum gekämpft haben. Ich war zu viel unterwegs, mir hat meine Familie gefehlt. Aber ich habe dann natürlich nicht nur zu Hause rumgesessen und gedankenverloren in den Himmel gestarrt. Ich habe getan, worauf ich Lust hatte. Dabei ist auch der Song Als wär's das erste Mal entstanden, mit dem ich jetzt beim Vorentscheid zum Eurovison Song Contest antrete.

ZEIT ONLINE: Ein klassisches Liebeslied.

Der Graf: Ich glaube an die große und wahre Liebe. An Liebe, die wehtut, weil sie so schön ist. Ich bin sehr kitschig veranlagt, mag die großen Gefühle und lebe die in meiner Musik aus. Mir ist das nicht peinlich.

ZEIT ONLINE: Wie lange arbeiten Sie an solch einem Lied?

Der Graf: Das ging ganz schnell. Ich habe einfach in mich hineingehört, und binnen 30 Minuten war der Text da. Mein Herz hat den Stift geführt.


ZEIT ONLINE:
Warum haben Sie vor Ihrer Bewerbung für den ESC Ihre Fans gefragt, was sie davon halten?

Der Graf: Diesen Weg kann man nicht allein gehen. Ich habe meinen Fans erklärt, dass ich den großen Traum habe, mein Land beim Eurovision Song Contest zu vertreten – und zwar in deutscher Sprache. 34.000 Leute fanden die Idee gut, 2.000 waren dagegen.

ZEIT ONLINE: Wollten Sie auch abklopfen, ob die Fans einen Auftritt im biederen Umfeld des ESC gutheißen?

Der Graf: Ja, auch. Um nach Kopenhagen zu fahren, reicht es allerdings nicht, nur die Fans auf meiner Seite zu haben – dafür muss ich ein ganzes Land überzeugen. Wir haben von allen Teilnehmern zwar die meisten Platten verkauft und gelten als Favoriten, aber der Vorentscheid zum ESC funktioniert nach eigenen Regeln. Für mich wäre es toll, wenn das klappt. Man soll sich im Leben ja immer Träume bewahren. Und das ist meiner.

ZEIT ONLINE: Was, wenn es nicht klappt?

Der Graf: Dann muss ich mir wenigstens nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Ich habe in den vergangenen Jahren mitbekommen, wie schnell ein Leben vorbei sein kann. Und wenn ich eines Tages auf dem Sterbebett liege, möchte ich nicht bedauern müssen, bestimmte Schritte nicht gemacht zu haben.

ZEIT ONLINE: Erfahrungen, die Sie bei Ihren Hospizbesuchen gemacht haben?

Der Graf: Ja. Als ich das erste Mal in ein Sterbehospiz gegangen bin, hatte ich wahnsinnige Angst. Ich wusste nicht, ob ich der Situation gewachsen bin, todkranken Menschen Kraft zu geben, deren größter Wunsch es ist, einmal den leibhaftigen Grafen zu treffen. Aber ich bin froh, das gemacht zu haben. Dadurch ist mir klar geworden, wie wichtig es ist, seinen Traum zu leben. Die Menschen, die ich am Sterbebett besucht habe, können das nicht mehr.