Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will die Aufhebung der Suspendierung der russischen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa durch die nationale Antidopingagentur Rusada wegen eines Dopingverstoßes nicht akzeptieren. Wie die International Testing Agency (Ita) mitteilte, wird sie im Auftrag des IOC gegen die Entscheidung Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof Cas einlegen.

Die 15-jährige Europameisterin war bei den Winterspielen im Teamwettbewerb gestartet und hatte mit Russland die Goldmedaille gewonnen. Nach Angaben der Ita war Walijewa im Dezember bei den russischen Eiskunstlauf-Meisterschaften jedoch positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet und von der Rusada zunächst vorläufig suspendiert worden. Nach einem Einspruch Walijewas hob der Disziplinarausschuss der Rusada die Suspendierung jedoch wieder auf und machte damit den Weg für einen Olympiastart der Athletin frei.

Das IOC will nun vor dem Kurzprogramm im Dameneinzel in Peking am 15. Februar eine Klärung vor dem Cas herbeiführen. "Wir wollen das so sehr beschleunigen wie möglich", sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Man arbeite so schnell, wie es unter den Umständen gehe. Der IOC-Sprecher warnte vor "wilden Spekulationen" in der Sache, zumal Walijewa minderjährig sei. "Juristische Fälle können sehr schwierig sein, aber es ist sehr wichtig, dass die Leute volle Gerechtigkeit bekommen", sagte Adams.

Weltweite Aufmerksamkeit erhielt der Fall nach der Absage der Medaillenzeremonie des Teamwettbewerbs am vergangenen Dienstag durch die Veranstalter der Olympischen Winterspiele in Peking. Walijewa hatte dabei mit dem russischen Team Gold vor den USA und Japan gewonnen. Das IOC sprach zunächst von einem "juristischen Verfahren", das es nicht kommentieren könne. Medienberichte über einen Dopingfall hatte Sprecher Adams als Spekulationen bezeichnet.

Positiver Test im Dezember

Zuvor hatte das Branchenportal insidethegames gemeldet, dass die Russin Walijewa im Zentrum des Falls stehe. Russische Medien hatten dann berichtet, dass es um die Einnahme des Medikaments Trimetazidin gehen solle. Die Substanz steht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).

Durch die Medienberichte über den Fall sah sich die Ita zu einer detaillierten Mitteilung gezwungen, obwohl Walijewa als Minderjährige unter dem Welt-Anti-Doping-Code als "geschützte Person" zu gelten habe. Wie die Ita bestätigte, war Walijewa tatsächlich am 25. Dezember 2021 bei den russischen Eiskunstlauf-Meisterschaften positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet worden. Da sie ihre positive Dopingprobe vor den Winterspielen abgegeben hatte, sei die Angelegenheit zunächst nicht in die Zuständigkeit der Ita und des IOC gefallen, hieß es.     

Russland sieht rechtliche Unstimmigkeiten

Das Russische Olympische Komitee (ROC) hält das Vorgehen des IOC nicht für rechtens. "Die Dopingkontrolle eines positiv getesteten Athleten gilt nicht für den Zeitraum der Olympischen Spiele", hieß es in einer ROC-Erklärung. So liege zwischen der Entnahme der Probe bei Walijewa am 25. Dezember in St. Petersburg und dem 8. Februar, als sie im Ausland ausgewertet worden sei, mehr als ein Monat. "Nach den internationalen Standards für die Wada-Labore gilt vom Moment der Entnahme eine Frist von 20 Tagen bis zur Auswertung", zitiert die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti den ROC-Präsidenten Stanislaw Posdnjakow: "Es ist seltsam, dass die Probe von St. Petersburg nach Stockholm praktisch einen Monat brauchte. Das ruft ernste Fragen hervor. Es sieht so aus, als hätte jemand die Probe zurückgehalten bis zum Ende der Mannschaftswettbewerbs im Eiskunstlaufen."

Zudem seien Walijewa Dopingtests bei der EM im Januar und bei den Peking-Spielen negativ ausgefallen. Man werde um "die ehrlich gewonnene olympische Goldmedaille" kämpfen, hieß es. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow rief die Sportlerin auf: "Kamila, versteck nicht dein Gesicht, geh überall von Stolz erfüllt." Bei den Doping-Vorwürfen handele es sich womöglich um ein "Missverständnis".

Walijewa setzt Training fort

Russlands Sportlerinnen und Sportler stehen bei den olympischen Spielen unter besonderer Beobachtung. Das Land ist wegen des Skandals um staatlich organisiertes Doping und der Vertuschung von Sportbetrug abermals gesperrt – wie schon bei den jüngsten Sommerspielen in Tokio. Die russischen Athletinnen und Athleten dürfen nur als Vertretung des Russischen Olympischen Komitees (ROC) antreten. Bei Siegerehrungen darf die russische Hymne nicht gespielt und die Landesflagge nicht gehisst werden.

Walijewa wiederum ist eines der prominentesten Gesichter unter den russischen Athleten bei den Winterspielen. Erst in dieser Saison hatte sie ihr Debüt bei den Erwachsenen gegeben, im Januar holte sie den EM-Titel. Im olympischen Teamwettbewerb hatte sie die Damenkür mit klarem Vorsprung gewonnen und galt als Topfavoritin für die Einzelkonkurrenz. An diesem Freitag trainierte sie erneut auf der Eisfläche des Capital Indoor Stadiums in Peking, um sich auf das Dameneinzel vorzubereiten.