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Als Schmutzli unterwegsWieso der Samichlaus immer eine Tube Leim bei sich trägt

Mit Chlausstab und Schmutzlisack geht es in die Häuser der Stäfner Familien.

Es dunkelt gerade ein, als ich die Chlausstube der Chlausgesellschaft Stäfa betrete. Die Rollläden sind runtergelassen, sodass niemand einen Blick in den kleinen Raum erhaschen kann, wo sich die Samichläuse und Schmutzlis für ihren Einsatz bereit machen. «Besonders die Kinder dürfen unsere Verwandlung nicht mitbekommen», sagt Samichlaus Roman, der mich an diesem Abend unter seine Fittiche nimmt. Sein voller Name soll nicht in der Zeitung erscheinen. «Das nimmt der Sache ihren Zauber.»

Seit rund 50 Jahren sei er bereits dabei. Er zählt damit zu den Dienstältesten in der Chlausgesellschaft. Ich kann mich nicht ganz entscheiden, ob mich das beruhigt oder noch aufgeregter werden lässt. Doch Zeit, um darüber Gedanken zu verschwenden, ist keine. Denn nun werde ich an den Schminktisch gebeten.

Die Stäfner Schmutzlis sind pechschwarz. Die Farbe symbolisiert Dreck und Russ.

Die Stäfner Schmutzlis sind von den Stiefelsohlen bis zur Nasenspitze schwarz. So wird auch mir eine grosszügige Schicht pechschwarzer Schminke auf das Gesicht aufgetragen.

Eine Frage möchte ich zuvor aber noch geklärt haben. Wie handhaben die Samichläuse die Debatte rund um das Thema Blackfacing? Das schwarze Gesicht des Schmutzlis habe keinen rassistischen Hintergrund, erklärt der Samichlaus. «Vielmehr symbolisiert die Farbe Dreck und Russ, den der Schmutzli bei seiner täglichen Arbeit abbekommt.» Dies bestätigte auch die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) gegenüber «20 Minuten». Die Stiftung sehe durch den mythologischen Ursprung des Schmutzlis keine Problematik mit dieser Tradition.

Fertig geschminkt, hilft mir der Samichlaus dabei, meine Kapuze zu richten, und drückt mir einen Jutesack, eine Laterne sowie eine Rute in die Hand. Letztere diene heutzutage aber nur noch als Accessoire, wie er schmunzelnd anfügt.

Alles muss ordentlich sitzen: Samichlaus Roman richtet das Schmutzli-Gewand.

Er selbst greift sich seinen langen Stab und möchte sich bereits auf den Weg machen, als er abrupt innehält. «Hast du einen Leim dabei?» Ich antworte mit einem fragenden Gesichtsausdruck. «Für den Notfall, falls der Bart Schwierigkeiten macht», erklärt er vielsagend und reicht mir eine kleine Tube, die ich in meiner Kutte verschwinden lasse.

Unterwegs im motorisierten Schlitten

Seinen Schlitten hat der Samichlaus vor der Chlausstube parkiert. Statt Kufen hat das Gefährt jedoch vier Räder und ist motorbetrieben. Nachdem er sich hinter das Lenkrad geschwungen hat, wirft er einen Blick in sein Goldenes Buch. «Heute stehen vier Familienbesuche an», informiert mich der Samichlaus, während er den Wagen im Rückwärtsgang aus der Einfahrt rollen lässt.

Das Auto parkieren wir mit genügend Abstand zur Zieladresse und gehen den Rest zu Fuss. Beim Haus angekommen, schreitet der Samichlaus zum Briefkasten und zieht zwei kleine Samichlaussäcke sowie ein Couvert daraus hervor.

Die Laterne gehört zur Ausstattung eines jeden richtigen Schmutzlis.

Die mit Erdnüssen, Schokolade und Mandarinen gefüllten Säckli lasse ich in den Tiefen meines Schmutzlisackes verschwinden. Währenddessen studiert der Samichlaus leise brummelnd den Steckbrief der beiden Kinder, der in dem Couvert gesteckt hatte. Er nickt zufrieden und schiebt die Blätter zwischen die Seiten seines Goldenen Buches.

Der Schmutzli kontrolliert, ob der Bart des Samichlaus richtig sitzt.

Dann setzt er sich seine Kopfbedeckung, eine Mitra, auf. «Schmutzli, sitzt der Bart ordentlich?», fragt er. Im Schein meiner Laterne überprüfe ich seine schneeweisse Haarpracht und nicke. «Dann kannst du jetzt das Glöckchen läuten.»

Lob, Tadel und die Bescherung

Das Gebimmel erfüllt seinen Zweck. Noch während wir im Treppenhaus stehen, schreit eine Kinderstimme: «Mami, de Samichlaus isch da!» Wuchtig klopft der Samichlaus dreimal an die Wohnungstür und tritt dann ein.

Empfangen werden wir vom fünfjährigen Noé (alle Namen geändert), der uns sichtlich aufgeregt und mit glänzenden Augen ins Wohnzimmer führt. Sein einjähriges Schwesterchen Sarah begutachtet uns derweil etwas verwundert. Wir nehmen auf zwei bereitgestellten Stühlen Platz und der Samichlaus schlägt sein Buch auf.

Bevor es spanische Nüssli und Schokolade gibt, liest der Samichlaus aus dem Goldenen Buch vor.

«So, lieber Noé», beginnt der Samichlaus mit einer etwas dröhnenderen Stimme als zuvor. «Warst du dieses Jahr ein lieber Junge?» Eifrig beginnt das Kind zu nicken. «Dann schauen wir doch mal, was der Schmutzli über dich aufgeschrieben hat», fährt er fort und wirft mir einen verschwörerischen Seitenblick zu.

«Im Kindergarten machst du gut mit», lobt der Samichlaus. «Am Esstisch zu Hause bist du manchmal aber ein wenig schnäderfrässig.» Der Junge senkt einsichtig den Kopf und sagt: «Das wird sich nächstes Jahr bestimmt ändern.»

Der Schmutzli übergibt den Kindern ihre Samichlaussäcke.

Nachdem der Samichlaus das Buch wieder zugeklappt hat und Noé sein Sprüchlein aufgesagt hat, habe ich meinen Einsatz. Ich greife tief in meinen Jutesack und ziehe die beiden kleinen Säckchen heraus, die ich dem Jungen übergebe. «Jetzt müssen wir aber weiter», sagt der Samichlaus, erhebt sich und nimmt seinen Stab in die Hand. «Auf uns warten noch viele andere Kinder.»

Nachdem wir wieder ins Auto gestiegen sind, tippt er die Adresse der nächsten Familie in das Navi. Als er meinen etwas verdutzten Blick bemerkt, brummt er: «Was denn? Auch der Samichlaus geht mit der Zeit.»

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