Politik

Vorteil für Trump Wie bei US-Wahlen betrogen wird

Vor einem Wahllokal in Fort Myers in Florida warten Wähler im November 2012, dass sie ihre Stimme abgeben können.

Vor einem Wahllokal in Fort Myers in Florida warten Wähler im November 2012, dass sie ihre Stimme abgeben können.

(Foto: AP)

Typischerweise werden bei Wahlen in den USA sechs Millionen Stimmen weggeworfen, sagt der Journalist Greg Palast. Dabei werden ganz unterschiedliche Strategien angewandt. Immer jedoch geht es darum, Minderheiten auszuschließen.

n-tv.de: Viele Beobachter sagen, dass Donald Trump die Wahlen nicht gewinnen kann, weil er Schwarze und Hispanics verprellt. Ihr Buch "Gern geschehen, Mr. President!" legt den Verdacht nahe, dass er trotzdem gewinnen könnte, weil er deren Stimmen gar nicht braucht.

Greg Palast ist freier Reporter und arbeitet unter anderem für den "Guardian", die BBC und den "Rolling Stone".

Greg Palast ist freier Reporter und arbeitet unter anderem für den "Guardian", die BBC und den "Rolling Stone".

(Foto: Verlag)

Greg Palast: So ist es. Landesweit wird Hillary Clinton auf jeden Fall die meisten Stimmen bekommen. Aber um Präsidentin zu werden, braucht sie die Mehrheit im "electoral college", dem Gremium der Wahlmänner und -frauen. Dafür muss sie in einigen Swing States gewinnen. Die zwei Schlüsselstaaten sind Ohio und North Carolina. Ich war vor ein paar Tagen in Ohio, die Umfragen dort sind sehr knapp. Weiße Männer mögen Hillary Clinton nicht, weil sie Freihandelsabkommen unterstützt hat, die in Staaten wie Ohio und North Carolina viele Arbeitsplätze vernichtet haben. In beiden Bundesstaaten [die von republikanischen Gouverneuren regiert werden] wird sehr hart daran gearbeitet, Wähler von den Wahlurnen fernzuhalten.

Wähler werden an der Wahl gehindert? Warum?

Meist sind es die Republikaner, die so etwas machen, denn sie erhalten nur sehr wenige Stimmen von Minderheiten – von Schwarzen, Hispanics, von asiatischen Amerikanern oder auch von jungen Leuten. Also versuchen sie, diese Gruppe an der Wahl zu hindern.

Wie läuft das ab?

Da gibt es unterschiedliche Methoden: Wähler werden aus Wahlverzeichnissen gestrichen, das Wählen wird erschwert oder Stimmen werden nicht gezählt, wie im Jahr 2000 in Florida. In Ohio habe ich mit einem Wähler gesprochen, einem Schwarzen. Er wurde aus dem Wählerverzeichnis gestrichen, weil er von einem Programm namens "Crosscheck" erfasst wurde. Crosscheck [zu Deutsch: "Gegenprobe"] ist ein zwischenstaatliches System, das verhindern soll, dass Wähler zwei Mal zur Wahl gehen. Der Mann heißt Donald Alexander Webster. Angeblich ist er identisch mit einem Wähler namens Donald Eugene Webster in Virginia. Es gibt Namen in den USA, die typisch für Schwarze sind, Webster gehört dazu, auch Johnson oder Brown. Bei Latinos ist es natürlich noch einfacher. Crosscheck erfasst diese Namen, und die republikanischen Politiker, die für die Wählerverzeichnisse in den Bundesstaaten zuständig sind, streichen sie.

In Ohio werden Schwarze aber nicht nur aus den Wählerverzeichnissen entfernt. Der [für die Durchführung von Wahlen zuständige] Staatssekretär des Bundesstaats, Jon Husted, macht es schwarzen Wählern auch extrem schwer, ihre Stimme abzugeben. In Wahlbezirken, in denen vorwiegend Schwarze leben, gibt es nur wenige Wahlmaschinen, so dass es vorkommt, dass schwarze Wähler vier, fünf Stunden warten müssen, um wählen zu können. In reichen weißen Vororten dauert es dagegen meist nur zwei oder drei Minuten. Es gibt also eine große Wahrscheinlichkeit, dass Trump Ohio gewinnt. Mit Blick auf die Beliebtheit der beiden Kandidaten ist das Rennen dort eng, aber Trump kann gewinnen, weil die Regierung von Ohio ihm einen Vorteil verschafft.

Können Sie quantifizieren, wie viele Stimmen wegen solcher Manipulationen nicht abgeben werden können?

Ja, sogar ziemlich genau. Auf der Basis von Unterlagen der Bundesregierung können wir sagen, dass typischerweise knapp sechs Millionen Stimmen weggeworfen werden, weil ihre Stimmen nicht gezählt werden oder sie aus den Wählerverzeichnissen gestrichen wurden, bevor sie überhaupt zur Wahl gegangen sind. Das ist eine Berechnung des Census Bureau [einer Bundesbehörde, deren Hauptaufgabe die Volkszählung ist], keine Zahl, die ich mir ausgedacht habe.

Eine frühere Version Ihres Buches erschien vor vier Jahren in den USA. Das muss doch einen großen Skandal ausgelöst und politische Initiativen angestoßen haben, solche Manipulationen zu verhindern?

Nach der Präsidentschaftswahl des Jahres 2000 fand ich heraus, dass Schwarze in Florida illegalerweise aus den Wählerverzeichnissen gestrichen worden waren. So wurde George W. Bush Präsident. Es gab danach durchaus Versuche, das System zu reparieren. Aber weil Bush die Wahl gestohlen hatte, war er derjenige, an dem es lag, die Reparatur zu organisieren. Dadurch wurden die Dinge sogar noch schlimmer.

Es muss doch Proteste der Medien gegeben haben.

Die Medien in den USA berichten kaum über Stimmenklau. Meine Geschichte über den Wahlbetrug in Florida war auf der Titelseite des britischen "Guardian", es war eine Aufmachergeschichte in der BBC. Aber in den USA wurde überhaupt nicht darüber berichtet. Ich arbeite jetzt für das "Rolling Stone" Magazin. Die einzige Möglichkeit, dass ich meine Artikel in die US-Presse bekomme, ist mit einer Rock'n'Roll-Zeitschrift, die berühmt ist für ihre investigativen Geschichten. Die großen Zeitungen in den USA betreiben keinen investigativen Journalismus mehr, weil das sehr teuer ist. Amerikaner wollen aber auch nicht hören, dass ihre Demokratie beschädigt ist. Amerika hält dem Rest der Welt Vorträge über Demokratie, aber wir praktizieren sie nicht.

Donald Trump ist ziemlich erfolgreich mit der Botschaft, dass das System manipuliert ist.

Er geht mit der Idee hausieren, dass es betrügerische Wähler gibt, dass Schwarze mehrfach wählen oder dass Mexikaner über die Grenze kommen, um an unseren Wahlen teilzunehmen. Das ist Unsinn. Aber die Hysterie über illegale Wähler wird genutzt, um Regeln durchzusetzen, die Arme und Minderheiten an der Wahl hindern.

Gab es denn keine verurteilten Wahlbetrüger?

Doch, die gab es. In den letzten Jahren wurden im ganzen Land drei oder vier Personen verurteilt, weil sie gewählt hatten, ohne es zu dürfen. Einer davon war ein Österreicher, der sich in Florida als Republikaner registriert hatte. Um diesen einen Fall zu verhindern, wurde vor wenigen Jahren allein in Florida versucht, 180.000 Wähler aus den Verzeichnissen zu streichen, mit der Begründung, dass sie keine Amerikaner seien. Das waren Leute mit hispanischen Nachnamen wie Hernandez oder Rodriguez, die aber Amerikaner sind.

Warum protestieren die Demokraten nicht stärker gegen eine Sache, die ihren eigenen Interessen zuwiderläuft?

Gelegentlich protestieren sie schon, wenn es in ihrem Interesse ist. Hillary Clinton hat sich sehr besorgt darüber gezeigt, Wählerstimmen zu verlieren, schließlich hat sie praktisch die gesamten Stimmen der Minderheiten auf ihrer Seite. Und das sind immerhin 30 Prozent der Wähler in den USA. Aber auf lokaler Ebene ist die Demokratische Partei leider oft an den Säuberungen von Wählerverzeichnissen beteiligt. Denn bei den Vorwahlen ist es oft zum Vorteil für einen Teil der Partei, die Stimmen von Minderheiten zu beseitigen. Ihre Vertreter in den Regierungen der Bundesstaaten manipulieren nicht so viel wie Republikaner, aber es ist genug, um sie davon abzuhalten, sich laut zu beschweren.

Mit Greg Palast sprach Hubertus Volmer

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Quelle: ntv.de

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