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Physikalische Modelle widerlegt: PSI-Forscher finden keine Spur von Dunkler Materie

Warum bewegen sich die Galaxien so, wie sie es tun? Dieser Frage gehen Forscher am Paul-Scherrer-Institut nach. Ihre neusten Forschungen zeigen: Auch ein Experiment ohne Ergebnis kann wegweisend sein.

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Klaus Kirch, Leiter des Labors für Teilchenphysik am Paul-Scherrer-Institut und Professor an der ETH Zürich, vor dem Herzstück des Experiments.

Klaus Kirch, Leiter des Labors für Teilchenphysik am Paul-Scherrer-Institut und Professor an der ETH Zürich, vor dem Herzstück des Experiments.

Markus Fischer

Die Sterne und Galaxien des Universums beeinflussen durch ihre Anziehungskräfte gegenseitig ihre Bewegungen. Doch die Kräfte der sichtbaren Himmelskörper reichen bei weitem nicht aus, um zu erklären, warum sich die Galaxien so bewegen, wie sie es tun. Daher postulieren Forschende die Existenz von Dunkler Materie, die einen Grossteil der Materie des Universums ausmachen soll.

Woraus diese Dunkle Materie besteht, ist bisher aber völlig unklar. Fest steht: Sie ist nicht aus denselben Teilchen aufgebaut, aus denen die Sterne, die Erde oder wir selbst bestehen. Forschende haben inzwischen zahlreiche theoretische Modelle zur Natur dieser Dunklen Materie entwickelt. Eine vielversprechende Möglichkeit ist, dass sie aus sogenannten Axionen besteht. Dabei handelt es sich um bisher hypothetische Teilchen, die bestimmte unverstandene Phänomene der Teilchenphysik erklären könnten.

Sollten sie existieren, würden sie sich womöglich an einer Forschungsanlage des Paul-Scherrer-Instituts PSI nachweisen lassen. Ein international zusammengesetztes Forschungsteam hat nun die am PSI erhobenen Messergebnisse zusammen mit Daten, die an der Neutronenquelle ILL in Grenoble gewonnen wurden, analysiert und ein bedeutendes Negativ-Ergebnis erreicht: Es wurden keine Wechselwirkungen mit Axionen beobachtet. Diese Messungen verbessern die Genauigkeit bisheriger Ergebnisse, die aus astrophysikalischen Beobachtungen stammten, um einen Faktor 1000 und belegen, dass Axionen, wie sie in dem Experiment hätten beobachtet werden können, nicht existieren.

Bestimme Modelle widerlegt

Damit ist die Existenz von Axionen zwar nicht ausgeschlossen, aber der Spielraum an Eigenschaften, die diese Teilchen haben könnten, ist nun deutlich eingeschränkt. So leisten die Experimente einen wichtigen Beitrag zur Suche nach der Dunklen Materie. Klaus Kirch, Leiter des Labors für Teilchenphysik am PSI und Professor an der ETH Zürich, sagt: «Damit widerlegen diese Ergebnisse diejenigen physikalischen Modelle, die Axionen mit diesen Eigenschaften postulieren, und helfen so, die Vielfalt an Teilchen einzuschränken, die mögliche Kandidaten für die dunkle Materie sind.» Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden im Online-Fachjournal «Physical Review X».

Sollten die Axionen existieren, so würden sie sich unter bestimmten Bedingungen am PSI beobachten lassen – genauer genommen an der Quelle ultrakalter Neutronen UCN, einer Forschungsanlage des Instituts. Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit untersuchen hier Forschende aus sieben Ländern vor allem die Eigenschaften des Neutrons selbst – insbesondere wollen sie dessen elektrisches Dipolmoment bestimmen.

In den Messdaten, die für die Untersuchungen des Neutrons aufgenommen worden sind, könnte sich aber auch die Existenz der Axionen zeigen. «Wir haben dafür auf einen anderen Aspekt in diesen Daten geschaut», so Kirch. «In unserem Experiment dauert eine einzelne Messung des Dipolmoments rund fünf Minuten. Um ein gutes Ergebnis für das statische Dipolmoment des Neutrons zu bekommen, führen wir diese Messung viele Male durch und bestimmen den über lange Zeit gemittelten Wert.

Für die Suche nach den Axionen schauen wir dagegen, ob die Messergebnisse mit der Zeit mit einer festen Frequenz schwanken. Eine solche Oszillation wäre nämlich ein Hinweis auf eine Wechselwirkung der Neutronen mit den hypothetischen Teilchen.» Sehr salopp gesagt würden Axionen die Form des Neutrons verändern und damit die Verteilung der elektrischen Ladung in seinem Innern.

Erstmals im Labor untersucht

In den Messdaten des Experiments am PSI liess sich eine solche Oszillation bislang nicht nachweisen, ebenso wenig in den Daten eines Vorgängerexperiments an der Neutronenquelle ILL in Grenoble, die im Rahmen dieses Projekts ebenfalls neu ausgewertet wurden. Diese beiden Experimente sind die ersten, in denen Forschende die Kopplung von Axionen an Gluonen direkt im Labor untersucht haben. Die bisherigen Erkenntnisse über solche Kopplungen konnten nur indirekt aus astrophysikalischen Beobachtungen und kosmologischen Modellen gewonnen werden.

Dass das Experiment nicht alle denkbaren Arten von Axionen erfasst, hat im wesentlichen zwei Gründe. So müssten die Axionen hinreichend stark mit den Neutronen wechselwirken, damit sich die Oszillation in den Messdaten manifestiert. Zudem dürfte ihre Masse nicht zu gross sein, weil eine hohe Masse zu einer hohen Frequenz der Oszillation führen würde, die sich angesichts der Fünf-Minuten-Schritte in den bisher durchgeführten Messungen nicht beobachten liesse. (az)