Bundes-Software
40 Prozent teurer: Ueli Maurers neues IT-Projekt kostet jetzt fast eine Milliarde

Regierungskollegen staunen, dass die Kosten plötzlich 40 Prozent höher sind. Sie sind aber nicht das Einzige, das bei dem Projekt umstritten ist.

Henry Habegger
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Sein IT-Projekt mit dem Namen Superb23 kommt den Bund teuer zu stehen: Finanzminister Ueli Maurer.

Sein IT-Projekt mit dem Namen Superb23 kommt den Bund teuer zu stehen: Finanzminister Ueli Maurer.

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Schon im letzten April machten Bundesratsmitglieder grosse Augen. Mit 665 Millionen Franken veranschlagte Finanzminister Ueli Maurer (SVP) die Kosten für sein IT-Projekt Superb23. Diese Summe, so die damaligen Schätzungen, werde das Projekt in den Jahren 2018 bis 2025 verschlingen. Es hagelte Mitberichte.

Jetzt, ein knappes Jahr später, wurden die Augen noch grösser. Das Erstaunen ist einer Art grossem Grausen gewichen, die kritischen Mitberichte wurden nicht weniger.

Plötzlich 40 Prozent teurer

Denn für die Bundesratssitzung vom letzten Mittwoch präsentierte Bundespräsident Maurer eine präzisierte und noch gesalzenere Rechnung. Superb23 soll mittlerweile bereits 930 Millionen Franken verschlingen. Eine Kostensteigerung von satten 40 Prozent innerhalb eines Dreivierteljahres.

Superb23 ist ein IT-Projekt, das auf der Software der deutschen Firma SAP beruht. Über die SAP-Software läuft die halbe zivile und militärische Bundesverwaltung, nämlich die sogenannten Supportprozesse wie Finanz- und Rechnungswesen, Personalwesen, Logistik, Immobilienmanagement. Weil SAP die vom Bund bisher genutzte Softwareversion ab dem Jahr 2025 nicht mehr unterstützt, muss Ersatz her.

Umstritten sind nicht nur die Kosten. Bisher hatten Departemente eigene, dezentrale SAP-Lösungen, was ihnen Flexibilität und Eigenständigkeit gab. Nun winkt die Zentralisierung in Maurers Finanzdepartement.

Dort führt man zur Begründung der raketenartig gestiegenen Superb-Kosten ins Feld: Es werde nicht nur das bisherige SAP ersetzt, es kämen auch neue, segensreiche Elemente dazu. Und man werde, wenn Superb23 erst einmal laufe, pro Jahr 150 Millionen sparen. Was also heissen soll, dass sich das sagenhaft teure IT-Projekt gewissermassen innert sechs oder sieben Jahren von selbst wieder einspart.

Dem aber traut im Bundesrat kaum jemand, nicht einmal Maurer selbst wirke überzeugt, heisst es. Ein Problem, das sich der Regierung stellt: Keiner und keine kann wirklich beurteilen, ob den Prognosen und Versprechungen der Informatiker zu trauen ist. Die Angst ist gross, dass Superb23 ein Fass ohne Boden für den Bund und ein Goldesel für IT-Firmen wird. Es wäre nicht das erste Mal.

Das Insieme-Trauma

Denn der Schock um das IT-Projekt Insieme der Steuerverwaltung (ESTV) steckt noch allen in den Knochen. Dort setzte der Bund rund 120 Millionen in den Sand – wobei einige IT-Firmen fürstlich verdienten. 2012 zog Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf den Stecker beim Projekt, das ihr Vorgänger aufgegleist hatte.

Aber auch das Nachfolgeprojekt Fiscal-IT, bei dem viele Insieme-Firmen wieder am Werk waren, lief aus dem Ruder. Statt der budgetierten 85 Millionen kostet es nun total 118,35 Millionen, wie die ESTV gestern auf Anfrage angab. Und letztes Jahr publizierte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) einen Bericht, der massive Startprobleme bei Fiscal-IT skizzierte: «Die Produktivität ist nach dem Go-Live bis Ende 2017 teilweise um bis zu 60 Prozent eingebrochen». Wegen Problemen beim neuen System für die direkten Bundessteuern konnte die Steuerverwaltung monatelang «keine Zinsrechnungen und Mahnungen mehr versenden», wie die EFK feststellte.

Mittlerweile läuft das System offenbar wie geplant. «Die Übergabe der Anwendungen in die Wartung und den Betrieb ist erfolgt», sagt ESTV-Sprecher Joel Weibel. «Der Jahresabschluss 2018 konnte mit den neuen Systemen fristgerecht durchgeführt werden. Die Systeme funktionieren korrekt und zuverlässig». Keine konkreten Zahlen gebe es zu den Kosten, die wegen der Anlaufprobleme entstanden sind.

Bundesrat traut der Sache nicht

Der Bundesrat bleibt misstrauisch. Am Mittwoch trat er bei Superb23 weiter auf die Bremse, verlangte mehr Informationen. «Der Bundesrat hat zu diesem Thema lediglich eine erste Diskussion geführt und keinen Entscheid getroffen», sagt Bundesratssprecher und Vizekanzler André Simonazzi.