Konvention
Menschenrechte: Ueli Maurer will Kündigung – und blitzt im Bundesrat ab

Bundesrat Ueli Maurer will die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kündigen. Doch das kommt für den Gesamtbundesrat nicht infrage. Dies sei keine Option, auch wenn nicht alle Strassburger Urteile gleichermassen überzeugen könnten

Anna Wanner
Drucken

An der Bundesratssitzung vom Mittwoch stellte Verteidigungsminister Ueli Maurer den Antrag, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu kündigen, wie die «NZZ» gestern berichtete.

Maurer blitzte bei seinen Kollegen ab. Für sie kommt eine Kündigung des Abkommens nicht infrage. Auch sein zweiter Antrag, die EMRK zu kündigen und über eine Volksabstimmung möglicherweise wieder einzuführen, blieb chancenlos.

Maurer griff mit seinen Anträgen der eigenen Partei vor, die gemäss Ankündigung eine Volksinitiative lancieren will: Schweizer Recht soll über «fremdem Recht» stehen.

Die Annahme der Initiative würde wohl ebenfalls zur Kündigung der EMRK führen. Dass die radikalere Forderung aber von einem Bundesrat ausging, stiess in linken Kreisen auf Unverständnis.

Die Co-Präsidentin der Grünen, Regula Rytz, reagierte umgehend auf Twitter: «Die SVP gehört nicht mehr in den Bundesrat!» Sekundiert wurde sie von alt Nationalrat Jo Lang und der Juso, die Maurer in eine Reihe mit Diktatoren und Terroristen stellten.

Der Antrag Maurers entstand nicht im luftleeren Raum. Der Bundesrat hat zur 40-jährigen EMRK-Mitgliedschaft einen Bericht verfasst, in dem er unter anderem bereits präventiv erklärt, wieso ein Referendum über die EMRK unzulässig sei.

Der emeritierte Staatsrechtsprofessor Georg Müller hält eine Abstimmung über die Einführung der EMRK – wie Maurer sie forderte – für eine rein politische Forderung. «Den Vorwurf, das Verfahren sei nicht eingehalten worden, halte ich rechtlich für unbegründet.»

Anti-Menschenrechtskoalition?

Es bleibt die Frage, wieso Maurer die EMRK kündigen will. Zumal sie sich inhaltlich weitgehend mit der Bundesverfassung deckt: In die neue Bundesverfassung wurden die materiellen Garantien der EMRK aufgenommen. Unter materiellen Garantien versteht man Rechte wie Freiheit und Sicherheit, freie Meinungsäusserung sowie das Folter- und Diskriminierungsverbot.

Anders als die Juso dies suggerieren mögen, geht es der SVP nicht um die Wiedereinführung der Folter. Es geht der Partei um die Souveränität der Schweiz. Gemäss «NZZ» forderte Maurer denn auch, dass der Bericht über die EMRK umgeschrieben werden soll: Er müsse zeigen, dass diese im Widerspruch mit der Souveränität der Schweiz stehe.

Einfach ist das nicht. Denn die Schweizer Rechtslegung basiert weitgehend auf der EMRK. Das gibt einem hierzulande die Möglichkeit, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg Beschwerde einzureichen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Urteile des Gerichtshofs zu befolgen.

Die SVP will verhindern, dass ein Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte Entscheide des Schweizer Gesetzgebers umkippen kann. Die SVP ist direkt betroffen, weil sie regelmässig Initiativen lanciert, die gegen die EMRK verstossen.

Georg Müller versteht, dass ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf Unmut stossen kann. «Das Gericht hat manchmal eine Tendenz, über das Ziel hinauszuschiessen. Es könnte besser auf nationale Eigenheiten Rücksicht nehmen und ein mit Beschwerde angefochtenes Urteil des Bundesgerichts kritisieren statt korrigieren.»

Die Forderung der SVP schiesse aber über das Ziel hinaus: «Der Ärger über ein EGMR-Urteil ist kein Kündigungsgrund», sagt Müller.