Islam
Rückschlag für liberale Moschee: Schweizer Muslime vertagen Vereinsgründung

Ein Angebot, bei dem Frauen und Männer Seite an Seite beten können, gibt es in der Schweiz nur als Wandermoschee. Eine junge Gruppe will das nun ändern.

Daniel Fuchs
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Jasmin El Sonbati und Kerem Adigüzel

Jasmin El Sonbati und Kerem Adigüzel

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Einige der Mitstreiterinnen von Seyran Ates kommen aus der Schweiz. So nahmen an der Eröffnung der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin im Juni neben der bekannten Schweizer Islamkritikerin Saida Keller-Messahli auch die beiden Aktivistinnen Jasmin El Sonbati und Elham Manea teil.

El Sonbati, Baslerin mit ägyptischen Wurzeln, treibt in der Schweiz ein Projekt voran mit dem Namen «Offene Moschee Schweiz». Das nächste von ihr initiierte Freitagsgebet, bei welchen Frauen an der Seite von Männern beten, findet am 15. September in der Zürcher St. Anna Kapelle statt. Von einem eigenen Gebetsraum sind die liberalen Muslime um El Sonbati jedoch weit entfernt. Auch hält sich die Zahl der Sympathisanten in Grenzen, wie der Blick auf Facebook zeigt. Gerade einmal auf 134 Likes kommt die Facebook-Site «Offene Moschee Schweiz». Der von Konvertiten geprägte ultrakonservative islamistische Zentralrat (IZRS), der einen politischen Islam befürwortet, auf den sich auch andere extremistische Organisationen berufe, hat dagegen mehr als 37'000 Likes.

Gegenüber der «Nordwestschweiz» sagt Jasmin El Sonbati, man lasse sich vorerst Zeit. Im Gegensatz zu den Berliner Muslimen um Seyran Ates mangle es der Bewegung in der Schweiz noch an professioneller Organisation, Aufmerksamkeit und Geld.

Deshalb ist El Sonbati auf die Gastfreundschaft von Kirchen angewiesen. «Kirchgemeinden sind meist offen und stellen uns in der Regel Räumlichkeiten zur Verfügung», sagt El Sonbati. Zwar betont El Sonbati das gute Einvernehmen mit moderaten Schweizer Imamen. Doch das Gebet, bei dem Frauen und Männer Seite an Seite in der Moschee teilnehmen, geht sogar den Moderaten unter ihnen zu weit. So beten Frauen und Männer in den Moscheen der bekannten Deutschschweizer Imame Bekim Alimi (Wil), Mustafa Memeti (Bern) und Sakib Halilovic (Zürich) zwar unter derselben Kuppel, jedoch müssen sie in Bern und Wil auf die Tribüne und sind so von unten kaum sichtbar. Und im Gebetsraum von Halilovic ist Frauen ausschliesslich der hintere Teil vorbehalten.

Hinter Jasmin El Sonbatis Strategie, das Projekt nur langsam anlaufen zu lassen, steckt auch die Überlegung, niemanden vor den Kopf zu stossen. Um alles in der Welt wollen El Sonbati und ihre Mitstreiter verhindern, dass ihre Ideen solch ähnlich wüste Reaktionen provozieren wie im Fall von Seyran Ates, die von der Polizei rund um die Uhr geschützt wird.

Vereinsgründung vertagt

Einen Schritt weiter geht nun eine Gruppe Muslime um den 30-jährigen Ostschweizer Kerem Adigüzel. Die Gruppe sucht derzeit nach einem geeigneten Raum in Zürich, Bern oder dazwischen, wie Adigüzel, Schweizer türkischer Abstammung, als erstes dem Ostschweizer Kulturmagazin «Saiten» sagte. Vergangenen Samstag wollten Adigüzel und seine insgesamt 16 Mitstreiter in Aarau den Verein «Al-Rahman – mit Vernunft und Hingabe» gründen. Weil sich Adigüzel und seine Mitstreiter während der Gründungsversammlung nicht über den Wortlaut der Statuten einigen konnten, beschlossen sie nach sechs Stunden, die formelle Gründung zu vertagen. Gegenüber der «Nordwestschweiz» verspricht Adigüzel, die Gründung finde noch innerhalb der beiden nächsten Monate statt.

Die Vereinsorganisation soll unter anderem die Finanzierung der eigenen Moschee mittels Mitgliederbeiträgen ermöglichen. Auch in dieser Moschee sollen Frauen in den Reihen der Männer beten und vorbeten können, wie Adigüzel betont. Noch ist Adigüzel, Offizier der Schweizer Armee und Software-Entwickler bei den SBB, der Einzige unter den Al-Rahman-Aktivisten, der sich mit seinem Namen in der Öffentlichkeit exponiert.