Super League
Die Auswertung aller 35 Fehlentscheide belegt: Es gibt keinen Basel-Bonus mehr

Der Videobeweis kommt in die Super League. Endlich? Fehlentscheide der Schiedsrichter sorgen für Profiteure und Leidtragende. Eine Auswertung aller Fehlentscheide der aktuellen Saison bringt die "wahre Tabelle" ans Licht.

Jakob Weber, Sébastian Lavoyer
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FCB-Stürmer Ricky van Wolfswinkel sieht es genau: Thuns Stefan Glarner klärt den Ball hinter der Linie, doch Schiedsrichter Klossner gibt das Tor nicht.

FCB-Stürmer Ricky van Wolfswinkel sieht es genau: Thuns Stefan Glarner klärt den Ball hinter der Linie, doch Schiedsrichter Klossner gibt das Tor nicht.

Keystone

Es brodelte in den Katakomben der Stockhorn Arena. Eben hatte der grosse FC Basel gegen den kleinen FC Thun die erste Niederlage seit sechs Jahren eingefahren. Die Thuner verwandelten ein 0:2 in ein 4:2 – und profitierten dabei mitunter von «zwei krassen Fehlentscheiden des Schiedsrichter-Gespanns», so die Worte von Koller-Vertreter Thomas Janeschitz. Cheftrainer Marcel Koller sass eine Sperre wegen wiederholten Reklamierens aus dem Spiel gegen Lugano ab und musste von der Tribüne aus zusehen, wie sein Team in der zweiten Halbzeit auseinanderfiel.

Die Spieler stürmten nach einer kurzen und intensiven Aussprache in der Fankurve ins Innere des Stadions. Interimscaptain Fabian Frei und Aggressivleader Taulant Xhaka bellten in Richtung der Journalisten: «Was schreibt ihr jetzt? Vom Basel-Bonus? Ja?» Kurz darauf malträtierte Stürmer Albian Ajeti eine Spieler-Attrappe mit seinen Stollenschuhen. Der ganze Klub fühlte sich ungerecht behandelt. Und das durchaus mit Recht. Denn tatsächlich wurde der FCB in entscheidenden Situationen benachteiligt. Der Anschluss kurz vor der Pause hätte wegen eines Abseits’ nicht zählen dürfen.

Basel-Bonus?

Gleich nach Wiederanpfiff übersahen Schiedsrichter Stephan Klossner und seine Assistenten ein klares Tor. Der Ball war nach einer Ecke und anschliessendem Kuddelmuddel im Thun-Strafraum deutlich hinter der Linie. Thuns Stürmer Dejan Sorgic gab nach der Partie zu: «Das war sehr glücklich. Ich weiss nicht, ob wir zurückgekommen wären, wenn dieser Treffer gezählt und Basel mit 3:1 geführt hätte.»

Aber was ist dran am Mythos Basel-Bonus? Ein Blick auf die Zahlen, wie schnell ein Schiedsrichter Gelb zückt, scheint zunächst zu bestätigen, dass es für Basel einen Bonus gibt. Wird ein Basler gefoult, bekommt der Gegner ziemlich schnell – nach durchschnittlich 4,43 Fouls – die gelbe Karte gezeigt. Nur Luzerns Gegner bekommen noch schneller Gelb. Ebenfalls interessant: Aufsteiger Xamax wird sowohl was die gegnerischen als auch was die eigenen Fouls angeht am meisten benachteiligt.

Ohne Fehler wäre es spannender

Bei den eigenen Fouls ist der FCB allerdings schon Mittelmass. Neben Meister YB dürfen auch der FCZ, Sion, Luzern und St. Gallen öfter foulen, bevor es Gelb gibt. Der Basel-Bonus schwindet. Xhaka, Frei, Ajeti & Co. sind also zurecht wütend, denn nach Auswertungen der «Schweiz am Wochenende» ist der Basel-Bonus mittlerweile sogar völlig verschwunden.
Bereits nach der Saison 2015/16 hatte sich das Fussball-Magazin «Zwölf» die Mühe gemacht, die SRF-Zusammenfassungen aller Spiele anzuschauen und zu analysieren, welche Mannschaften am meisten von Fehlentscheiden profitiert haben und welche am stärksten darunter litten.

Das Resultat war für die zahlreichen Anhänger der Basel-Bonus-Theorie reichlich überraschend: Nicht der FCB war der grosse Profiteur von Schiedsrichter-Fehlern, sondern der kleine FC Thun, direkt gefolgt vom kleinen FC Vaduz. Basel war aber damals immerhin das am drittmeisten bevorzugte Team. Ausserdem kam damals zum Ausdruck, dass YB mit Abstand am häufigsten benachteiligt wurde.

Bislang 35 Fehlentscheide

Wir wollten wissen, wie es diese Saison aussieht und haben deshalb die bisher gespielten 14 Runden auf genau dieselbe Art und Weise unter die Lupe genommen. 35 Fehlentscheide gab es bislang. An der Spitze des Profiteur-Rankings steht unverändert der FC Thun. Die grossen Veränderungen folgen direkt dahinter. YB wurde vom grossen Leidtragenden zum Profiteur. Genau umgekehrt die Entwicklung beim FCB: War der Klub während seiner Meisterserie noch einer der Nutzniesser, ist er unterdessen zu einem der am häufigsten benachteiligten Klubs mutiert. Nur Luzern und St. Gallen haben in dieser Saison bislang noch mehr unter den Fehlentscheiden der Schiedsrichter zu leiden.

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In der «wahren Tabelle» werden zu Unrecht gegebene Tore und Treffer, die nach einem irregulären Elfmeter gegeben wurden, nicht gewertet. Fälschlicherweise aberkannte Tore, verwehrte Elfmeter und nicht gegebene Platzverweise bei noch mehr als einer halben Stunde werden mit einem Tor quittiert. Grosse tabellarische Unterschiede gibt es nach 14 gespielten Runden noch keine. Nur GC und Xamax würden in der «wahren Tabelle» die Plätze tauschen. Aber Basel hätte drei Punkte mehr und YB zwei Punkte weniger. Die Meisterschaft wäre zumindest etwas spannender.

Die wahre Tabelle

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bz

Die Einführung des Video-Schiedsrichters wird die Fehlerquote verringern. Ein Tor-Klau wie in Thun wird kaum mehr vorkommen. Und auch Abseitspositionen können in Super-Slowmotion wesentlich leichter erkannt werden. Trotzdem wird auch in Zukunft über Schiedsrichter-Entscheide diskutiert werden. Auch über jene des Video-Schiedsrichters. Das haben die Erfahrungen in jenen Ländern gezeigt, die schon heute auf technische Hilfsmittel für die Unparteiischen setzen.

Das liegt vor allem auch daran, dass gewisse Regeln im Fussball Interpretationsspielraum lassen. Insbesondere wenn es um das Handspiel geht. Die Regelhüter des Fussballs haben das Problem erkannt. Erst letzten Donnerstag diskutierte das International Football Association Board (IFAB) unter dem Vorsitz von Schottlands Verbandschef Ian Maxwell in Glasgow darüber. Danach teilten die Fussball-Weisen mit, dass man eine «präzisere und detailliertere Formulierung» zum Handspiel ins Regelwerk aufnehmen wolle. Im März 2019 wird bei der Jahreshauptversammlung darüber entschieden, wie die Formulierung angepasst wird. Egal, zu welchem Schluss sie kommt: Fussball bleibt hoch emotional