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Stress verursacht doch graue Haare!

22. Januar 2020

Harvard-Forscher liefern den Beweis, dass gereizte Sympathikus-Nerven pigment-regenerierende Stammzellen schädigen. Aber es gibt auch andere Ursachen und Mittel bei vorzeitigem Ergrauen.

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Mann mit grauen Haaren
Bild: Colourbox/P.S.O´Carroll

Als Marie Antoinette während der Französischen Revolution gefangen genommen wurde, soll ihr Haar über Nacht weiß geworden sein. Auch Karl Marx soll der Tod seines achtjährigen Sohnes Edgar so erschüttert haben, dass er über Nacht weiß wurde.

Lange galten solche Geschichten als Gesundheitsmythen. Das Ergrauen sei ein natürlicher Alterungsprozess, auf den äußere Faktoren wenig Einfluss haben.

Nun haben Wissenschaftler der Harvard University herausgefunden, wie dieser Prozess tatsächlich abläuft: Da Stress den ganzen Körper betrifft, mussten die Forscher zunächst eingrenzen, welches Körpersystem für die Verbindung von Stress und Haarfarbe verantwortlich ist.

Das Team landete schließlich beim Sympathikus - auch sympathisches Nervensystem genannt - das für die Kampf- oder Fluchtreaktion des Körpers verantwortlich ist.

Die Forscher stellten fest, dass diese Nerven bei Stress Noradrenalin freisetzen, das von den nahe gelegenen pigment-regenerierenden Stammzellen aufgenommen wird. Noradrenalin oder Norepinephrin (INN) ist ein körpereigener Botenstoff, der als Stresshormon und Neurotransmitter wirkt.

Warum unsere Haare grau werden

Verantwortlich ist körpereigener Botenstoff Noradrenalin

Eine übermäßige Ausschüttung von Noradrenalin führt dazu, dass das Reservoir für pigment-produzierende Zellen vorzeitig erschöpft wird. Dies verursache dauerhafte Schäden an pigment-regenerierenden Stammzellen in den Haarfollikeln, heißt es in der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde.

"Akuter Stress, insbesondere die Kampf- oder Fluchtreaktion, wird traditionell als vorteilhaft für das Überleben eines Tieres angesehen. Aber in diesem Fall führt akuter Stress zu einer dauerhaften Erschöpfung der Stammzellen", so Bing Zhang, die Hauptautorin der Studie.

Pilot im Cockpit
Schütten Sympathikus-Nerven zu viel Noradrenalin aus, schädigt dies die pigment-regenerierenden StammzellenBild: imago/Westend61

"Zu verstehen, wie sich unsere Gewebe unter Stress verändern, ist der erste entscheidende Schritt zu einer Behandlung, die die schädlichen Auswirkungen von Stress aufhalten oder umkehren kann. Auf diesem Gebiet müssen wir noch viel lernen", so Ya-Chieh Hsu, Associate Professorin für Stammzellen und Regenerationsbiologie in Harvard.

2018 hatte bereits ein Forscher-Team von der University of Alabama at Birmingham und dem National Institute of Health NIH der USA untersucht, wie ein hyperaktives Immunsystem eine bestimmte Gruppe von Stammzellen - die Melanozyten - abtötet. Aktiviert wird das Immunsystem beispielsweise durch Infektionen, aber auch durch chronischen oder psychischen Stress.

Stress ist nicht die einzige Ursache

Haare bestehen aus mehreren Schichten verhornter Zellen. An der Haarwurzel befinden sich neben Talgdrüsen und kleinen Blutgefäßen pigmentbildende Zellen (Melanozyten). Diese produzieren das Pigment Melanin, das in die Hornschichten des Haarschaftes eingelagert wird und so dem Haar seine Farbe gibt.

Mit zunehmendem Alter lässt die Melanin-Produktion allmählich nach. Denn um den Haarfarbstoff produzieren zu können, braucht der Körper die Aminosäure Tyrosin. Ist davon zu wenig vorhanden, bilden die zuständigen Zellen zunächst weniger Pigmente. Bei der Haarbildung werden die leeren Stellen mit winzigen Luftbläschen, sogenannten Vakuolen, aufgefüllt, sodass weiße Haare nachwachsen.

Einmal grau, immer grau?

Nicht unbedingt! Wenn Haare altersbedingt ergrauen, muss man sie färben oder mit ihnen leben. Sind die Haare aber durch Krankheit, eine traumatisches Erlebnis oder ungesunde Ernährung graut geworden, besteht noch Hoffnung auf die alte Haarfarbe.

Grauhaarige Menschen
Krankheit, ein traumatisches Erlebnis oder ungesunde Ernährung lassen das Haar ebenfalls vorzeitig ergrauen Bild: picture-alliance/dpa/J. Wolf

Vor allem eine pflanzenbasierte, basische Ernährung versorgt den Körper mit wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen. Keine Sorge: Rotwein, Schokolade und Heidelbeeren sind auch hilfreich, denn sie versorgen den Körper mit Antioxidantien. Diese körpereigenen chemischen Verbindungen stärken das Abwehrsystem und wehren die freien Radikale ab. Das sind instabile Moleküle, denen ein Elektron fehlt. Das fehlende Teilchen entreißen sie gesunden Körperzellen - die in der Folge geschädigt zurückbleiben.

Kein Ergrauen über Nacht

Die Anekdoten von Marie Antoinette und Karl Marx sind wohl doch Gesundheitsmythen, denn die Pigmente verschwinden nicht plötzlich aus den Haaren.

Vielmehr werden sie beim Nachwachsen nicht mehr integriert. Haare wachsen pro Monat nur etwa einen Zentimeter, es ist also ein schleichender Prozess. Bei starkem psychischem oder körperlichem Stress kommt es allerdings oft zu Haarausfall. Die nachwachsenden Haare sprießen zwar reichlich, haben aber meistens keine Pigmente mehr.

 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund