Panorama

Mafia-Geschäft Organhandel in Indonesien

Er blickt finster drein, der Mittelsmann, dann beugt er sich über den schmuddeligen Plastiktisch und raunt mit verrauchtem Atem: "Ich kann Dich zu ihm hinbringen, jetzt gleich." Es ist kurz vor Mitternacht im Saftladen "Annika Juice" kurz vor dem Ort Galang, eine knappe Autostunde von Indonesiens drittgrößter Stadt Medan. Die Aussicht, nächtens ins mafiöse Milieu der ruchlosen indonesischen Organhändler einzutauchen, wird dankend abgelehnt. "Pass auf, trau keinem", raunt der Mittelsmann noch im Rausgehen.

Die Suche gilt dem jungen Mann, der vor fünf Jahren ein Stück seiner Leber spendete und den Organhandel in Galang damit ins Rollen brachte. Der Ort geriet im Sommer durch den spektakulären Fall des Singapurer Kaufhaustycoons Tang Wee Sung in die Schlagzeilen. Der schwer nierenkranke Tang wollte einem Bauernsohn aus Galang eine Niere abkaufen. Der Deal flog am Vorabend der Operation auf. Wie sich zeigte, sind aus Galang schon mehrere Organe verkauft worden.

Die Fäden laufen in Medan zusammen

Die Einwohner des Ortes sind heute misstrauisch, wenn ein Fremder nach Organspendern fragt. "Nie gehört", sagt ein Mann in einer Garküche am Straßenrand. "Nicht hier, da müsst ihr über einen Mittelsmann in Medan gehen", sagt ein anderer. Schnell wird deutlich, dass es Strippenzieher gibt. Die Fäden laufen in Medan zusammen, bei einem für seine Wohltätigkeit gefeierten Geschäftsmann, der sein Geld offiziell mit Tankern, inoffiziell mit illegalen Spielhöllen machte. "Mafia" sagt jeder, der den Namen hört, hinter vorgehaltener Hand.

Der Geschäftsmann kontrolliert eine Jugendorganisation, die ihre Tentakel, sprich Mitglieder, in jedem Dorf der Provinz hat. Seit die Galang-Verbindung der geplatzten Operation des Singapurer Tycoons herauskam, ist Schweigen verordnet. Der verbotene Organhandel kann nur im Verborgenen lukrativ blühen.

Erlogene Verwandtschaftsverhältnisse

Der Arbeiter Sulaiman Damanik (26) wollte mit der Niere für Tang aus seinem Elendsleben fliehen. 150 Millionen Rupien, umgerechnet 12.000 Euro, sollte er bekommen, so viel, wie er im Leben nie verdienen würde. Dass der Empfänger 150.000 Euro bezahlen würde, wusste Sulaiman nicht. Sein Freund Toni hatte seine Niere auch schon für 15.000 Euro losgeschlagen und war jetzt ein gemachter Mann.

Das Geschäft war simpel: er musste einer Ethikkommission in Singapur nur glaubhaft machen, dass er mit Tang verwandt war und kein Geld bekam. Nach den Gerichtsunterlagen sagte Sulaiman der Kommission am 17. Juni: "Ich bestätige, dass der Schwager der Tochter von Tangs Schwester die Schwester meiner Mutter geheiratet hat."

Die Kommission gab grünes Licht, doch die Sache flog auf. Sulaiman wurde zu zwei Wochen, Toni zu dreieinhalb Monaten Haft verurteilt, weil er als Mittelsmann für Sulaiman fungierte. Der kranke Tang wurde auch verurteilt. Er zahlte 8000 Euro Strafe und verbrachte drei Stunden im Gefängnis, mit Rücksicht auf seine schlechte Gesundheit.

Nächstenliebe als Motiv?

Galang schweigt heute wie eine Wand. Nur der einst mittellose Leberspender, der das Geschäft ins Rollen brachte, ist eine bekannte Größe: Er besitzt heute eine fünf Hektar große Palmölplantage. Neugierige Besucher werden im Dorf schroff abgewimmelt, doch dann lässt er sich doch noch ausfindig machen, sogar bei Tageslicht.

"Ich habe es aus Nächstenliebe getan", sagt Salimun treuherzig. Geld sei nicht geflossen. Danach habe der Empfänger ihn wie einen Adoptivsohn angenommen. Zwei Jahre hat sein Stück Leber das Leben des Empfängers verlängert, inzwischen ist er tot. Salimun sagt, er sei auf der schiefen Bahn gewesen, wegen Raubes im Knast, als das "Angebot" kam, Organspender zu werden. "Es hat mein Leben verändert", sagt Salimun. "Ich bin zufrieden heute." Salimun trinkt viel Kaffee, raucht viel und ist zu schüchtern, um seine Narbe zu zeigen.

Vor ein paar Monaten war das noch anders: Da hob er vor Fotografen bereitwillig das T-Shirt hoch und räumte in einem Interview freimütig ein, dass er 23.000 Euro kassiert hatte. Die Singapurer Zeitung spürte auch einen Zwischenhändler auf, der in den Dörfern gezielt die Ärmsten anspricht. Drei hatte er auf seiner Liste, die die ersten Bluttests schon hinter sich hatten.

Dass der Leberempfänger eine Größe in der "Jugendorganisation" des als Mafiaboss bekannten Medaner Geschäftsmannes war und zu dessen engsten Freundeskreis gehörte, will Salimun nicht gewusst haben. Als der Geschäftsmann die Not seines Freundes sah, sei ihm die Idee mit dem lukrativen Organhandelsgeschäft gekommen, heißt es in Medan.

Der Handel blüht im Verborgenen

Spendernieren werden weltweit gesucht. Indien war lange ein Transplantationsparadies für Reiche, die armen Indern Nieren abkauften. Auch China war ein Mekka für Verzweifelte - dort wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen die Organe von Hingerichteten verscherbelt. Jeder Organhandel ist dort seit 2006 verboten, wie auch in Singapur, Indonesien und dem Rest der Welt - außer im Iran, wie der "Economist" unlängst schrieb. Iraner dürfen Organe an Iraner verkaufen. Ansonsten blüht der Handel im Verborgenen. In Singapur ändert sich das Anfang nächsten Jahres. Dann können Organspender finanziell entschädigt werden.

"Den Organhandel zu kriminalisieren, wird ihn nicht ausmerzen", sagte Gesundheitsminister Khaw Boon Wan im Juli im Parlament. "Das erzeugt nur einen Schwarzmarkt, in dem Mittelsmänner das meiste einstreichen, was dankbare Empfänger zu zahlen bereit sind." Der Minister sagt, Kompensation ist in Ordnung, solange die Summe nicht so groß ist, dass das Geld entscheidender Faktor in der Spende ist.

Quelle: ntv.de, Kristina Rich, dpa

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