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Politik Che Guevara

Die Wahrheit über ein Emblem der Moderne

Che Guevara wird noch heute als Patron der Schwachen und Benachteiligten verehrt - er selbst verehrte Stalin Che Guevara wird noch heute als Patron der Schwachen und Benachteiligten verehrt - er selbst verehrte Stalin
Che Guevara wird noch heute als Patron der Schwachen und Benachteiligten verehrt - er selbst verehrte Stalin
Quelle: KPA
Vor vierzig Jahren wurde Ernesto "Che" Guevara in Bolivien erschossen. Sein Mythos als Erlösergestalt ist ungebrochen. Doch in Wahrheit war der rastlose Guerillaführer ein todessüchtiger Doktrinär, der Stalin verehrte.

Erst sein Tod hat Ernesto „Che“ Guevara wirklich unsterblich gemacht. Am 9. Oktober 1967 ordnete die Regierung Boliviens die Erschießung des Tags zuvor gefangenen Guerillaführers an. Spezialeinheiten der bolivianischen Armee hatten in einer abgelegenen Schlucht den letzten Rest jener kleinen, aus einigen Dutzend Kämpfern bestehenden Guerillatruppe aufgerieben die unter dem hochtrabenden Namen „Nationales Befreiungsheer“ eine sozialistische Revolution in dem Andenland anzetteln wollte.

Ihr Kommandant wurde verwundet, aber lebendig festgesetzt und als der weltberühmte Führer der kubanischen Revolution identifiziert, der noch vor kurzem der zweitmächtigste Mann auf der roten Karibikinsel nach Fidel Castro gewesen war.

Mit seinem Tod wurde Che Guevara unsterblich

Als die Mörder seinen Leichnam nach der Exekution öffentlich zur Schau stellten und anschließend heimlich neben einer Flugzeugpiste verscharrten, sollte damit dem Mythos vom strahlenden Freiheitshelden „Che“ für immer der Garaus gemacht werden.

Doch das genaue Gegenteil trat ein: Das Bild des toten, zerschundenen Körpers des 39-jährigen Revolutionärs, der den Betrachter mit halbgeöffneten Augen anzublicken scheint, weckten unweigerlich Assoziationen an den gekreuzigten Heiland. „Sein Blick verfolgte uns, ob wir auf der einen oder anderen Seite des Raumes standen. Sein Blick traf uns immer wieder.

Er hatte langes, lockiges Haar, wie Jesus auf den Heiligenbildchen sah er aus, genau so!“ berichtete eine Krankenschwester über den unheimlichen Eindruck, den die aufgebahrten Leiche auf die Anwesenden machte. Che Guevaras Himmelfahrt als Märtyrer der Verdammten dieser Erde, als Pop-Ikone und Vorbild jugendlichen Rebellionsgeistes, als Projektionsfigur idealistischer Sehnsüchte nach dem unbezweifelbar Guten und Wahren konnte beginnen.

Heldenverehrung hat unerreichtes Ausmaß angenommen

Guevaras Mythos hat die Jahrzehnte überdauert, und heute scheint er gar kraftvoller denn je zu sein. Im Zuge der Renaissance des Sozialismus in Lateinamerika hat die Heldenverehrung des „Commandante Che“ dort ein bisher unerreichtes Ausmaß angenommen. Die Bewegung der Globalisierungskritiker hat Guevara zum solidarischen, selbstlosen Patron der Schwachen und Benachteiligten aller Kontinente erkoren.

Doch „Che“ ist auch längst zur Kultfigur der Werbe-Pop- und Modeindustrie geworden, zu einem universalen Zeichen für eine unbestimmte Sehnsucht nach dem anderen, dem aufrichtigen und unentfremdeten Leben – eine Engelgestalt des Medienzeitalters, ein Emblem der Moderne schlechthin.

Bei keiner anderen großen Figur der Weltgeschichte hat sich die Verklärung seiner Ideen und Taten dabei so weit von der Wirklichkeit entfernt. Zu der romantischen Legende vom uneigennützigen Humanisten, der nichts für sich selbst wollte und aus Liebe zur Menschheit alles Materielle opferte, hat am Ende auch sein Leben und die wohl ungewöhnlichste Wendung in seiner Biografie beigetragen: der anscheinend freiwillige Machtverzicht.

Nach dem gewaltsamen Sturz der Diktatur Batistas im Januar 1959 war der gebürtige Argentinier neben dem „maximo lider“ Fidel Castro der führende Kopf des neuen Regimes in Kuba. Doch an einer leitenden Position im neuen Staat schien ihm nichts zu liegen, noch weniger an persönlicher Macht und den Privilegien, die mit ihr verbunden sind. Schon nach einigen Jahren gab Guevara alle Ämter auf, verließ 1965 Kuba und kehrte zu den Wurzeln seiner revolutionären Karriere zurück. Es zog ihn an die vermeintlichen Brennpunkte der Weltrevolution - erst in den Kongo, dann nach Bolivien.

Manischer Größenwahn und grobe Fehleinschätzungen

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Aber Che Guevara war kein Erlöser der Verdammten dieser Erde, kein „Jesus Christus mit der Knarre“, als den ihn der Liedermacher Wolf Biermann in den siebziger Jahren besang. Sein bolivianisches Abenteuer beruhte auf einer grotesken Fehleinschätzung der politischen und sozialen Verhältnisse in dem Andenland – auf der Vorstellung, die indianische Landbevölkerung würde seiner kleinen Invasionstruppe ortsfremder Guerilleros folgen und mit ihnen den revolutionären Krieg in die Städte tragen.

Das klägliche Scheitern dieser Mission absehbar – wie zuvor, 1966, die im Kongo, wo Guevara gemeinsam mit einem Stoßtrupp alter Kameraden aus den glorreichen Zeiten der kubanischen Revolution der Rebellenarmee des Warlords Laurent Kabila zur Macht verhelfen wollte. In der ihm eigenen manischen Selbstsuggestion wollte Guevara in der zusammengewürfelten Kabila-Truppe die Speerspitze einer bevorstehenden sozialistischen Revolution in ganz Afrika sehen.

Nachdem das Unternehmen in einem Fiasko geendet hatte, glaubte Guevara nun doch wieder Lateinamerika als Vorhut des weltweiten Umsturzes ausgemacht zu haben. Er plante bereits, nach der erfolgreichen Operation in Bolivien die Revolution nach Argentinien zu tragen. Doch diese übersteigerten Größenphantasien sollten nicht nur ihn, sondern auch zahlreiche andere Menschen ins Verderben stürzen. Seine isolierte, sinnlose Operation im bolivianischen Bergland kostete insgesamt 94 Menschen das Leben.

Atomkrieg für die sozialistische Weltrevolution

Weit davon entfernt, jener „vollkommenste Mann seiner Zeit“ zu sein, den der Philosoph Jean Paul Sartre in ihm sehen wollte, war Che Guevara ein unerbittlicher, asketischer Doktrinär. Sein Denken und Handeln waren von einer obsessiven Verherrlichung von Gewalt und Tod beherrscht.

„Wo immer der Tod uns trifft, er sei willkommen, wenn nur unser Kriegsruf ein aufnahmebereites Ohr getroffen hat und eine andere Hand sich ausstreckt, um unsere Waffen zu ergreifen und andere Menschen sich daranmachen, die Trauermusik zu intonieren mit Maschinengewehrgeratter und neuen Kriegs- und Siegesrufen“, verkündete er in einer „Botschaft an die Völker der Welt“.

Kein Wunder, dass Guevara mit solchen martialischen Aufrufen zur Inspiration für Terroristen in aller Welt wurde. Das palästinensische Killerkommando, das 1977 die Lufthansa-Machine „Landshut“ entführte, um die Anführer der RAF freizupressen, trug T-Shirts mit seinem Bildnis. In Guevaras Forderung, die Revolution müsse selbst um den Preis von Millionen Opfern in einem Atomkrieg unbeirrt voranschreiten, offenbart sich eine apokalyptische Sehnsucht nach der totalen Auslöschung jener verhassten modernen Zivilisation, in der er nicht leben konnte und wollte.

Che Guevara verehrte Josef Stalin im Wissen seiner Verbrechen

Guevara, der von antiautoritären Studenten und Jugendlichen als libertäre Alternative zum grauen Starrsinn kommunistischer Funktionäre vergöttert wurde, bekannte sich in Wahrheit nicht nur zu einem orthodoxen Marxismus-Leninismus und betrieb von Anfang an die Errichtung einer kommunistischen Einparteiendiktaur in Kuba, in der abweichenden Stimmen rücksichtslos zum Schweigen gebracht wurden.

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Er hielt auch stets an seiner Verehrung für Josef Stalin fest. Bei seinem ersten Besuch in Moskau 1960 legte Guevara Blumen am Grab des massenmörderischen Diktators nieder - zum Missfallen seiner sowjetischen Gastgeber, die seit Chruschtschows Enthüllungen über die Verbrechen des Stalinismus im Jahr 1956 nicht mehr an ihren blutrünstigen Vorgänger erinnert werden wollten. 1953, im Todesjahr des Despoten, berichtete Guevara in einem Brief, er habe vor dem Bild „unseres alten, so sehr betrauerten Genossen Stalin“ geschworen, „nicht zu ruhen, bis diese kapitalistischen Kraken vernichtet sind.“

"Ich bin wohlauf und dürste nach Blut"

Mit der Sowjetunion brach Guevara erst nach der Kubakrise 1962, in der Chruschtschow in letzter Minute eingelenkt und die auf der Karibikinsel stationierten Mittelstreckenraketen abgezogen hatte. Guevara verdammte dies als Kapitulation vor dem verhassten „Yankee-Imperialismus“. Hätte das kubanische Volk über die Raketen verfügen können, sagte er einem britischen Journalisten, hätte es sie sie ganz sicher auch eingesetzt.

Guevara verdächtigte nunmehr die Sowjets, mit dem westlichen Imperialismus gemeinsame Sache zu machen und sympathisierte mit dem noch puristischeren chinesischen Modell des Kommunismus. Als er seine Kritik an der Sowjetunion in einer Rede im Ausland 1965 öffentlich machte, war Guevara für Fidel Castro nicht mehr tragbar. Sein Entschluss, Kuba zu verlassen, kam der Staatsführung daher alles andere als ungelegen.

„Ich bin wohlauf und dürste nach Blut“, hatte Guevara 1957 während des Guerillakriegs gegen Batista an seine Frau Hilda geschrieben. Tatsächlich fiel er schon damals auf durch sein unerbittliches Vorgehen gegen „Verräter“ und disziplinlose Mitkämpfer. Nach der Machtergreifung übernahm er das Oberkommando über die Revolutionstribunale in der Festung La Cabana, vor denen Tausende von „Konterrevolutionären“ im Schnellverfahren abgeurteilt wurden, und zeichnete in den ersten zwei Monaten der siegreichen Revolution für Hunderte von Todesurteilen verantwortlich.

Mit Zwang und Unterdrückung gegen Individualismus

„Wir werden sein wie Ché“

Das Bildungssystem ist der ganze stolz der kubanischen Revolution. Doch was gelehrt wird, bestimmt die Partei.

So gnadenlos, wie er gegen „Konterrevolutionäre“ und Abweichler wütete, zeigte sich Guevara auch im Umgang mit den „Massen“, in deren Namen er zu handeln vorgab. Als kubanischer Industrieminister seit 1961 setzte er einen rigiden planwirtschaftlichen Zentralismus durch, baute auf forcierte Industrialisierung und eine gigantische Steigerung der Zuckerrohrernte.

Durchgesetzt werden sollten diese völlig realitätsfernen Ziele durch eine brachiale Steigerung der Arbeitsleistung, die Guevara den Kubanern im Namen eines „neuen Menschen“ abverlangte. Materielle Anreize erschienen ihm dabei als unzulässige Konzession an die Überreste „bourgeoisen“ Bewusstseins.

„Der Individualismus als solcher, das vereinzelte Handeln einer Person inmitten einer sozialen Bewegung muss in Kuba verschwinden“, dekretierte er. Das Individuum komme nur als „Rädchen im Getriebe“ des Kollektivs zu seiner Erfüllung. Statt materieller forderte Guevara „moralische Anreize“, um die Kubaner zu „neuen Menschen“ zu erziehen – was nichts anderes war als die Umschreibung für einen brutalen, staatlich überwachten Arbeitszwang, der mit revolutionärem Idealismus bemäntelt wurde.

Doch die Wahrheit über die Ideen und Taten Che Guevaras wird seinem Nimbus auch weiterhin kaum etwas anhaben können. Linke verbinden mit seiner Legende die Illusion, es habe doch einmal eine reine, unbefleckte Variante eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz gegeben. Diese Illusion wollen sie sich um keinen Preis verderben lassen. Und die moderne Mediengesellschaft insgesamt braucht den Glauben an ins Überirdische entrückte Idole als Religionsersatz. Che wird deshalb als kollektives Phantasma weiterleben.

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