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Ausland WELT-Korrespondent

Deniz Yücel in Deutschland gelandet

Erstes Video, das Deniz Yücel auf freiem Fuß zeigt

Der WELT-Korrespondent Deniz Yücel ist frei. Diese ersten Videobilder zeigen ihn nach der Entlassung aus dem Gefängnis Silivri bei Istanbul. Die Bundesregierung reagierte mit großer Erleichterung auf seine Freilassung.

Quelle: WELT

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Ein Jahr lang saß unser Türkei-Korrespondent Deniz Yücel in Haft – ohne Anklageschrift und mit großer Ungewissheit. Jetzt ist er frei und in Deutschland gelandet. Außenminister Gabriel betont, dass es keine Gegenleistung Deutschlands gegeben habe.

Ein Foto bringt die Erleichterung auf den Punkt. Es zeigt unseren Türkei-Korrespondenten Deniz Yücel, wie er seine Frau Dilek umarmt – in Freiheit, nach 367 Tagen in türkischer Haft. Deniz Yücels Anwalt Veysel Ok hatte das Bild über den Kurznachrichtendienst Twitter in Umlauf gebracht.

Um 13.40 Uhr war damit eindrücklich dokumentiert: Deniz Yücel ist frei. Ein türkisches Gericht hatte seine Freilassung angeordnet. Aus der Twitter-Solidaritätsaktion unter dem Hashtag #FreeDeniz wurde nach einem Jahr bangen Wartens und Hoffens ein Ausrufezeichen: Free Deniz, Deniz ist frei! Mittlerweile ist er in Berlin gelandet.

Deniz Yücel und seine Frau Dilek
Vor dem Gefängnis
Quelle: Veysel Ok

Die Erleichterung über diese Nachricht ist groß. Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner, in dessen Verlag die WELT erscheint, sagte am Freitag im Newsroom der Zeitung: „Wir freuen uns und sind unendlich erleichtert, dass Deniz Yücel nach mehr als einem Jahr in Haft endlich frei ist.“ Er fuhr fort: „Ich möchte allen danken, die mit unermüdlicher Energie für ihn da waren und sich für seine Freilassung stark gemacht haben – seinen Kollegen, seinen Freunden, der Bundesregierung und dort vor allem Sigmar Gabriel“. Die große partei- und ideologieübergreifende Solidarität mit Deniz Yücel unterstreiche die Bedeutung von Pressefreiheit und unabhängigem Journalismus für unsere Gesellschaft.

Deniz Yücel
Deniz Yücel
Quelle: AFP

Döpfner sagte weiter: der Fall Yücel zeige aber auch, dass wir immer wieder bereit sein müssten, beides zu verteidigen. „Wir wünschen heute Deniz Yücel und seiner Frau, dass sie die schrecklichen Monate der Haft und Trennung bald hinter sich lassen und die lang vermisste Zeit miteinander in Freiheit genießen können.“

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte im Newsroom der WELT, Yücels Freilassung sei nicht auf Gegengeschäfte zwischen Deutschland und der Türkei zurückzuführen. „Ich kann Ihnen versichern, es gibt keine Verabredungen, Gegenleistungen oder, wie manche das nennen, Deals in dem Zusammenhang“. Politische Einflussnahme habe es allenfalls bei der „Verfahrensbeschleunigung“ gegeben.

Außenminister Gabriel zur Freilassung von Deniz Yücel

„Deniz Yücel ist auf freiem Fuß, er ist auf dem Weg zum Flughafen.“ Sigmar Gabriel dankte auf der Pressekonferenz im WELT-Newsroom allen, die mitgeholfen haben, das zu ermöglichen.

Quelle: WELT

Gabriel rief dazu auf, den Moment zu nutzen, „alle Gesprächsformate“ wieder in Gang zu setzen, um bei grundsätzlichen Fragen zwischen der Türkei, Europa und Deutschland voranzukommen. „Wir haben eine Vertrauensgrundlage geschaffen, in der das möglich ist. Wir sollten jetzt nicht nachlassen“, sagte der Minister in der Redaktion der „Welt“, für die Yücel als Türkei-Korrespondent gearbeitet hat.

Ein Rückblick

Als Deniz Yücel am 14. Februar 2017 den Gang zum Istanbuler Polizei-Hauptquartier antrat, hatte er sich trotz allem seinen unverwüstlichen Optimismus bewahrt. „Wird schon“, schrieb er kurz davor, und tatsächlich hatten Freunde und Kollegen zunächst noch Hoffnung: Zwar wurde nach unserem Korrespondenten gefahndet, aber vielleicht würden sich die bizarren Terrorvorwürfe bei der Vernehmung ja in Luft auflösen. Und würden die türkischen Behörden wirklich eine Krise mit Deutschland riskieren, um einen unbequemen Journalisten hinter Gitter zu stecken? Am Ende geschah bekanntlich genau das.

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam wurde Untersuchungshaft gegen Yücel verhängt – wegen Terrorvorwürfen, die auf seinen Artikeln basierten. Zu dem Zeitpunkt hatte Yücel, der neben dem deutschen auch den türkischen Pass besitzt, noch keine zwei Jahre als Türkei-Korrespondent für die WELT gearbeitet. Für die Stelle als Türkei-Korrespondent war er im Frühjahr 2015 von der „tageszeitung“ („taz“) in Berlin zur WELT gewechselt.

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Yücel spricht fließend Türkisch, er bereiste das Land wie kaum ein anderer deutscher Korrespondent. Häufig war er in den Kurdengebieten im Südosten des Landes unterwegs. Dass seine kritischen Artikel der Regierung in der Türkei missfallen würden, war früh klar. Yücel selber schrieb in einem Text aus dem Gefängnis im Mai 2017: „Mir war bewusst, welchen Preis man immer schon in diesem Land für würdevollen Journalismus mitunter bezahlen musste. Diese Möglichkeiten habe ich in Kauf genommen, als ich diese Aufgabe übernahm.“

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Einen wie auch immer gearteten Tauschhandel für seine Freilassung wollte Deniz Yücel nicht, erst recht nicht, solange etliche türkische Journalisten hinter Gittern sind. Auch nach mehr als elf Monaten hinter Gittern sagte er in einem Interview: „Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung.“ Stattdessen forderte er von Anfang an einen fairen Prozess, der nach seiner Überzeugung gar nicht anders als mit einem Freispruch enden könne. Er werde „dieses Gefängnis nicht durch eine Hintertür verlassen, sondern durch jene Vordertür, durch die ich es betreten habe“, schrieb er in einem Text für die WELT aus dem Gefängnis. Am Freitag schließlich war es soweit: Deniz Yücel wurde freigelassen, zwei Tage nach dem Jahrestag seiner Festnahme.

Wie geht es nun weiter?

Der WELT-Korrespondent wurde zwar aus der Untersuchungshaft entlassen, doch der Prozess gegen Deniz Yücel in der Türkei läuft weiter. Das 32. Strafgericht in Istanbul hat die drei Seiten umfassende Anklageschrift offiziell angenommen, die das Datum vom 13. Februar trägt. Die Behörde fordert demnach wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ und „Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit“ bis zu 18 Jahre Haft. Damit kommt es zu einem Verfahren gegen Yücel.

In der Anklageschrift wird Yücel „Propaganda für eine Terrororganisation“ und „Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit“ vorgeworfen. Yücel habe „einige Artikel in deutscher Sprache verfasst, die eine Straftat darstellen“. Im Rahmen der Ermittlungen seien seine Texte übersetzt worden. Bei den Terrororganisationen, um die es laut Anklage geht, handelt es sich um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und um die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen. Die Regierung macht die Gülen-Bewegung für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.

In der Anklageschrift werden acht Artikel, die der Korrespondent zwischen dem 19. Juni 2016 und dem 12. Dezember 2016 in der WELT veröffentlicht hat, als Belege für die Anschuldigungen aufgeführt. Die Staatsanwaltschaft wirft Yücel in dem Zusammenhang unter anderem vor, er habe Operationen der Sicherheitskräfte gegen die PKK als „ethnische Säuberung“ bezeichnet. In einem Interview mit PKK-Kommandeur Cemil Bayik habe Yücel versucht, die PKK als „legitime und politische Organisation“ darzustellen.

Im Zusammenhang mit der Gülen-Bewegung wirft die Staatsanwaltschaft Yücel unter anderem vor, in einem seiner Artikel habe über einem Foto von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan „Putschist“ gestanden. Den Vorwurf der „Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit“ begründet die Anklage unter anderem damit, dass Yücel von einem „Genozid an den Armeniern“ geschrieben habe. Außerdem dient als Beleg ein Witz über Kurden und Türken aus einem Artikel.

„Endlich!!! Endlich!!! Endlich!!! Deniz ist frei!“, hatte Dilek Mayatürk-Yücel am Freitagmittag auf Twitter geschrieben. Dahinter setzte sie ein Herz. Am Freitagnachmittag schon gab es Bilder von ihr, wie sie mit ihrem Ehemann Hand in Hand durch Istanbul geht, ein Strauß Petersilie im Arm. Die Kräuter hatte Deniz ihr aus dem Gefängnis zum Wiedersehen mitgebracht. Auf dem unrasierten Gesicht von Deniz Yücel ist ein breites Lachen zu sehen. Er verlässt die Türkei stolz und durch die Vordertür.

Mathias Döpfner – „Es ist ein guter Tag für die Freiheit“

WELT-Reporter Deniz Yücel ist aus der Haft entlassen. Insgesamt sind in der Türkei aber noch etwa 150 Journalisten und Medienmitarbeiter in Haft. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner mahnt, diese nicht zu vergessen.

Quelle: WELT

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