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Abschiebung auch wegen „schweren sexuellen Kindesmissbrauchs“

Politikredakteur
De Maizière bestätigt Abschiebung von acht Straftätern

Erstmals seit Ende Mai hat Deutschland wieder abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben. Wie Innenminister Thomas de Mazière sagt, handelt es sich bei allen acht Personen um Straftäter.

Quelle: N24

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Erstmals seit dem Attentat vom 31. Mai in Kabul gab es wieder eine Sammelabschiebung nach Afghanistan.
  • Von den acht abgeschobenen Asylbewerbern hatten mehrere schwere Sexualverbrechen begangen.
  • Der Trend bei freiwilligen Ausreisen nach Afghanistan ist deutlich rückläufig.

Mittwochnacht in Düsseldorf: Abschiebeflug nach Afghanistan. Wie immer versuchen die Behörden, den Termin geheim zu halten. Wie immer sickert die Nachricht über Pro Asyl vorher durch. Wie immer demonstrieren Bekannte und Unterstützer der Abgeschobenen am Flughafen. Grüne, Linke und Sozialverbände weisen auf die Gefährdungslage am Hindukusch hin. So sieht etwa die Kölner Caritas in der Abschiebung „ein Himmelfahrtskommando“ für die ursprünglich zwölf anvisierten Rückkehrer.

Der Bundesinnenminister verteidigt wenige Stunden später die Sammelabschiebung der letztlich nur acht Männer in einer Pressekonferenz. „Alle acht Personen sind wegen erheblicher Straftaten verurteilt worden“, sagte Thomas de Maizière (CDU). Sieben seien „aus der Strafhaft, in einem Fall aus der Abschiebehaft“ erfolgt. Der achte Straftäter lebte in Hamburg.

Das Düsseldorfer Innenministerium teilte der WELT mit: „Aus Nordrhein-Westfalen wurden vier Straftäter abgeschoben, die schwere Straftaten, unter anderem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern oder räuberischen Diebstahl, begangen haben.“ Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann (CSU), sagte, drei der acht Abgeschobenen kämen aus seinem Bundesland. „Zwei sind wegen Vergewaltigung verurteilt worden, einer wegen gefährlicher Körperverletzung.“

Es war die erste Sammelabschiebung nach Afghanistan seit dem Attentat vom 31. Mai in Kabul, bei dem Terroristen Dutzende Menschen ermordeten und die deutsche Botschaft schwer beschädigten. Tags drauf wurde die Abschiebung von Afghanen weiter eingeschränkt: und zwar auf Straftäter, terroristische Gefährder und solche Ausreisepflichtige, die sich hartnäckig weigern, bei ihrer Identitätsfeststellung mitzuhelfen. Bei allen Betroffenen gibt es vor der Abschiebung eine Einzelfallprüfung, ob in der Heimat Tod, Folter oder Verfolgung drohen. Für die Sorgfalt dieser Prüfungen spricht, dass es nur wenige Abschiebungen in das Bürgerkriegsland gibt.

Protest gegen Sammelabschiebung nach Afghanistan

Per Sammelflug hat Deutschland wieder abgelehnte afghanische Asylbewerber abgeschoben. Die Maschine nach Kabul startete vom Flugafen Düsseldorf. Menschenrechtsaktivisten protestierten gegen die Sammelabschiebung.

Quelle: Reuters

Seit Januar 2016 waren das rund 600 Personen. Bis zur Jahresmitte 2017 wurden 261 und im Vorjahr 324 Abschiebungen nach Afghanistan vorgenommen. In den Jahren zuvor waren es übrigens jeweils weniger als zehn. Dem gegenüber wurden von Januar 2016 bis Ende August des laufenden Jahres über 160.000 Asylanträge von Afghanen entschieden (159.055). Davon wurde jeder zweite (80.724) abgelehnt oder während des Verfahrens erledigt (zum Beispiel zurückgezogen vom Antragsteller), wie aus der Asylgeschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hervorgeht. Gemessen an den negativen Asylentscheidungen wurden nur 0,8 Prozent der Betroffenen nach Afghanistan zurückgebracht.

Allerdings reisten seit Januar 2016 rund 4100 Afghanen freiwillig in die Heimat zurück. Über die geförderten freiwilligen Ausreisen kehrten im vergangenen Jahr 3300 Menschen in das Bürgerkriegsland zurück. In diesem Jahr ist der Trend, wie bei den freiwilligen Ausreisen insgesamt, deutlich rückläufig. Nach Aussage eines Innenministeriumssprechers von Anfang August „liegen wir für 2017 aktuell bei etwas unter 800“ freiwilligen Ausreisen von Afghanen.

Die Rückführungen wurden nach dem Anschlag in Kabul noch einmal reduziert, obwohl ein vom Auswärtigen Amt Ende Juli vorgelegter Zwischenbericht für Afghanistan keine wesentlichen Veränderungen an der Lageeinschätzung vorgenommen hatte. Die Sicherheitslage für Afghanen sei regional unterschiedlich und hänge stark von ethnischer Zugehörigkeit sowie Herkunftsort ab, heißt es in dem Dokument. Kampfhandlungen fänden vor allem in südlichen und östlichen Provinzen wie Helmand und Kandahar statt. Deutlich sicherer seien Gebiete im Norden und Westen. Selbstmordanschläge stellten eine Bedrohung insbesondere für die städtische Bevölkerung dar.

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Weniger ausschlaggebend ist dem Lagebericht zufolge, ob afghanische Sicherheitskräfte oder die Taliban eine Region kontrollierten. „Auch in den von Taliban beherrschten Gebieten gehen diese selten unmittelbar gegen die lokale Bevölkerung vor“, so der Bericht. Eine erhöhte Gefährdung gebe es dort aber für erklärte Gegner der Islamisten-Miliz sowie für religiöse Minderheiten. Laut den UN hat sich die Sicherheitslage in diesem Jahr verschlechtert. Demnach starben in der ersten Jahreshälfte 2017 bei Gefechten zwischen Regierungstruppen und Islamisten 1662 Zivilisten – eine Zunahme im Vergleich zu den Vorjahren.

Linke kritisiert „schamloses Wahlkampfmanöver“

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Befürworter von mehr Abschiebungen nach Afghanistan halten die Anzahl ziviler Opfer angesichts der Bevölkerungsgröße von 33 Millionen nicht für derart hoch, dass Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber ausgeschlossen werden müssten. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) etwa brachte im Juli seine Partei gegen sich auf, als er die Bedrohungslage in Afghanistan mit der von Brasilien verglich. Dort würden Jahr für Jahr 50.000 Menschen umgebracht; das Land sei genauso gefährlich wie Afghanistan. Die „gefühlte Wahrnehmung von Unsicherheit, die vor allem durch Bilder von Anschlägen transportiert“ werde, habe nichts mit der statistischen Wahrscheinlichkeit zu tun, „dass jemandem tatsächlich etwas zustößt, der dorthin abgeschoben wird“.

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Die innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Ulla Jelpke, hat eine ganz andere Perspektive. Für sie ist die Sammelabschiebung ein „schamloses Wahlkampfmanöver“, mit der die Bundesregierung „Eindruck bei AfD-Sympathisanten“ schinden wolle. „Wer Leben und Gesundheit von Flüchtlingen durch Abschiebungen in den Krieg zu Wahlkampfzwecken aufs Spiel setzt, hat jeden Respekt vor den Menschenrechten verloren.“

Der nächste Bericht zur Sicherheitslage am Hindukusch wird im Oktober erwartet. Auf dessen Grundlage wird neu entschieden, ob Abschiebungen vollständig ausgesetzt oder gesteigert werden – oder wie aktuell auf einige Kriminelle und terroristische Gefährder beschränkt bleiben.

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