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„Das Streckennetz der Bahn ist eine gigantische Baustelle“

Korrespondent
An der Baustelle des Bahntunnels Rastatt (Baden-Württemberg) sind am 17.08.2017 bei Niederbühl helle Betonflächen zu sehen. Dort haben sich Bahngleise abgesenkt. Zur Stabilisierung der abgesenkten Gleise an der Rheintalbahn wird der Rastatter Tunnel auf 50 Metern mit Beton befüllt. Die Bahnstrecke zwischen Rastatt und Baden-Baden ist seit dem 12.08.2017 gesperrt. Foto: Uli Deck/dpa | Verwendung weltweit An der Baustelle des Bahntunnels Rastatt (Baden-Württemberg) sind am 17.08.2017 bei Niederbühl helle Betonflächen zu sehen. Dort haben sich Bahngleise abgesenkt. Zur Stabilisierung der abgesenkten Gleise an der Rheintalbahn wird der Rastatter Tunnel auf 50 Metern mit Beton befüllt. Die Bahnstrecke zwischen Rastatt und Baden-Baden ist seit dem 12.08.2017 gesperrt. Foto: Uli Deck/dpa | Verwendung weltweit
An der Baustelle des Bahntunnels Rastatt sind helle Betonflächen zu sehen. Dort haben sich am 12. August Bahngleise abgesenkt. Zur Stabilisierung wird der Rastatter Tunnel auf 50 M...etern mit Beton befüllt
Quelle: picture alliance / Uli Deck/dpa
Erste Logistikunternehmen fordern staatliche Unterstützung für die Ausfälle durch die geschlossene Rheintalbahn-Strecke und sprechen von Existenzbedrohung. Güterzüge müssen bizarre Umwege über Frankreich fahren.

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Eine Umleitung zu nehmen, wenn die Autobahn gesperrt ist, ist schon nervig. Aber das Gleiche mit einem Güterzug machen zu müssen, ist wirklich kompliziert: Wegen der Sperrung der Rheintalbahn zwischen Rastatt und Baden-Baden sind sämtliche Güterbahnen, die von Westdeutschland in Richtung Schweiz und Italien unterwegs sind, nun gezwungen, andere Strecken zu finden.

Doch die üblichen Ausweichstrecken etwa über Schaffhausen und Stuttgart oder München und St. Margarethen werden ebenfalls durch Baustellen behindert. Engpässe in der Versorgung mit Waren für den Handel wie auch für die Industrie sind absehbar. Seit dem 12. August geht auf einer der wichtigsten europäischen Nord-Süd-Verbindungen nichts mehr.

Eine bizarre Hilfslösung ist nun diese: Private Schienengüterfirmen lenken ihre Züge derzeit über Frankreich an der Tunnelbaustelle in Rastatt vorbei. Der Verwaltungsaufwand eines grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs ist immens, und auch das französische Schienennetz ist überlastet.

Logistik-Lobbyisten schlagen Alarm

Das kostet zusätzliches Geld und vor allem auch Zeit. Aber diese Privatfirmen wollen ihre Kunden um keinen Preis verlieren. Schließlich beobachten mittelständische Unternehmen, dass die Kundschaft den einfachsten Weg geht und bei Problemen die Transporte umgehend von der Güterbahn zum Straßentransport verlagert.

Der Auftrag ist dann weg, und meist ist es auch die Kundenverbindung – wie die Transportfirmen aus früheren Erfahrungen etwa mit dem Streik der Lokführer und dessen Auswirkungen auf ihr Geschäft schon leidvoll erfahren haben. „Das Streckennetz der Bahn ist eine gigantische Baustelle“, beklagt sich ein Spediteur. Wie zum Beweis sind die Nebengleise derzeit voll von abgestellten Güterwaggons, die es nicht an ihr Ziel schaffen.

Quelle: Infografik Die Welt

Jetzt schlagen Lobbyisten der Logistikfirmen Alarm: „Eine wochenlange Sperrung hat katastrophale Folgen für die betroffenen Güterbahnen“, sagt Martin Henke, der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Für einige Unternehmen könne die Situation „existenzbedrohend“ werden.

Deshalb fordert der Verband „unbürokratische finanzielle Hilfen des Bundes“ an diese Firmen. Nach Informationen der WELT soll noch in dieser Woche ein offizielles Schreiben an das Bundesverkehrsministerium gehen, in dem neben dem VDV aus Berlin auch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) mit Sitz in Bern als Absender erscheinen.

Knapp kalkulierte Frachtpreise

Rund 150 Mitgliedsfirmen zählt der VDV, meist sind es Mittelständler. Im Schienengütergewerbe betreiben diese Firmen typischerweise etwa fünf Güterlokomotiven, mit denen sie Waggons samt Wechselbrücken oder Container für verschiedene Kunden transportieren.

Die Konkurrenz mit großen Anbietern wie der Bahn-Tochter Transfracht, DB Cargo oder VTG geht ausschließlich über den Preis. Bei außerplanmäßigen Belastungen wie derzeit auf der Rheintalbahn rechnet sich ein Auftrag rasch nicht mehr.

Deutschlands wichtigste Gütertrasse noch auf Wochen dicht

Der Ersatzverkehr läuft, auch der Güterverkehr soll umgeleitet werden. Jetzt arbeiten Experten fieberhaft daran, den Tunnel unterhalb der abgesackten Schienen bei Rastatt zu stabilisieren.

Quelle: N24

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Die betroffene Bahnverbindung von Karlsruhe nach Basel ist schließlich Teil einer europäischen Bahntrasse, deren Endpunkte die Häfen in Genua in Italien und Rotterdam in den Niederlanden markieren. Dazwischen werden der Gotthardtunnel sowie der Lötschbergtunnel in der Schweiz passiert.

Natürlich ist auch der Personenverkehr massiv betroffen, dafür setzt die Bahn ihren berühmten „Ersatzverkehr mit Bussen“ ein. Das ist sehr ärgerlich für die Reisenden und mit viel Aufwand verbunden. Doch Personenzüge fahren in einem festgelegten Takt, trotz der Umleitungen finden sie ihren Umweg.

Im Schienengüterverkehr ist das anders: Die Masse des Geschäfts machen aktuelle Bestellungen der Kundschaft aus, die Waren zu transportieren hat. Kann der Güterzug eine bestimmte Strecke nicht fahren oder ist der Umweg nicht akzeptabel, geht der Auftrag an die Konkurrenz – an die Spedition auf der Straße oder an das Binnenschiff.

Informationspolitik der Bahn bemängelt

Das Transportunternehmen Rhenus etwa hat gerade ein „Wassertaxi“ eingerichtet, das von Basel aus in Richtung Westhäfen zusätzlichen Transport auf dem Rhein anbietet.

Allein aus Duisburg, dem größten Binnenhafen Europas, fallen derzeit täglich sechs Güterzüge aus. „Die Kunden warten nicht, sie gehen statt auf den Zug jetzt wieder auf den Lkw“, sagt Duisport-Chef Erich Staake. Der Manager bemängelt die Informationspolitik der Bahn.

Es gebe keine Fahrpläne für alternative Routen. „Für die Kritiker der Bahn ist das Wasser auf die Mühlen“, sagt Staake. Jahrelange Bemühungen um die Verlagerung von Transport von der Straße auf die Schiene würden dadurch zunichtegemacht.

Auch der Rotterdamer Hafen hat sich bereits eingeschaltet. Das Hafenmanagement fordert vom Netzbetreiber Deutsche Bahn, „schnell einen effektiven Notfallplan umzusetzen“. Die Niederländer befahren diese Zugstrecke mit Güterzügen, die Container aus Rotterdam nach Mittel- und Südeuropa bringen.

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Mehrere Hundert Züge seien in den vergangenen Tagen betroffen gewesen. Beklagt wird, dass die üblichen Umleitungsstrecken in Deutschland durch Bahnarbeiten gesperrt und somit nicht nutzbar sind. Jetzt wird ein Umdenken verlangt. „Diese Großsperrung erfordert eine grundlegende Verbesserung der internationalen Koordination von Bahnarbeiten“, heißt es in einem Schreiben der Hafengesellschaft Rotterdam.

Bahn nennt keinen Zeitplan

Einen Zeitplan nennt die Bahn-Tochtergesellschaft Netz nicht. „Die Ursachen des Schadens werden gründlich analysiert, die Aufarbeitung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, hieß es bei der Bahn lediglich. Einen zunächst genannten Termin am 26. August hatte der Bahnkonzern nach weiteren Erdbewegungen wieder infrage gestellt. Spekuliert wir nun über eine Dauer von mehreren Wochen bis weit in den September hinein.

Zunächst wird der betroffene Tunnelabschnitt auf 150 Metern Länge mit Beton gefüllt. Die dafür benötigte Menge ist gewaltig: Rund 10.500 Kubikmeter oder rund 1300 Ladungen aus Betonmischer-Lastwagen werden herangefahren.

Laut der Bahn sollen rund 5000 Kubikmeter bereits in die Tunnelröhre eingebracht worden sein. Die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen unter Führung von Züblin und Hochtief erarbeitet den Angaben zufolge derzeit einen Zeitplan.

Grund für das Absacken des Erdreichs an dem Gleisabschnitt in Rastatt sind Bauarbeiten für eine neue Hochgeschwindigkeitstrasse. Dafür wird ein Tunnel gebohrt, der an der Stelle in einem Abstand von nur etwa fünf Metern unter den Gleisen verläuft.

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