Null ist kleiner als eins, zwei und drei. Null ist nichts, eine leere Menge. Daher steht 0 in der Zahlenfolge vor 1, 2 und 3. Inzwischen erscheint dieses abstrakte Nichts selbstverständlich für uns. Doch selbst wir Menschen haben lange gebraucht, bis wir es verstanden hatten. Die Römer und Griechen kannten die Null noch nicht. Erst vor rund 2000 Jahren tauchte sie erstmals in der Menschheitsgeschichte auf. Indische Mathematiker nutzten einen Punkt, der für 0 stand.
Lange Zeit gingen Forscher davon aus, dass nur wir Menschen das schwierige Konzept der Null verstanden haben. Denn selbst Kinder begreifen es erst im Vorschulalter. Doch wie schon so oft: Falsch gedacht. Auch Rhesusaffen und Graupapageien wissen, was eine leere Menge ist.
Und nun gesellt sich noch ein weiteres Tier in diesen exklusiven Klub der Nullnummern-Versteher: Honigbienen.
Jap, erstaunlicherweise Bienen und damit ein vermeintlich primitives Insekt, wie ein französisch-australisches Forscherteam unter der Leitung der RMIT University in Melbourne nun zeigte. Für ihre Studie haben sie die gelb-braunen Brummer darauf trainiert, ein Blatt mit der geringsten Anzahl an Punkten anzufliegen. Dabei hatten die Tiere die Wahl zwischen ein, zwei, drei oder vier Punkten. Eine andere Gruppe Bienen musste immer das Bild mit den meisten Punkten anfliegen. Lagen sie richtig, wurden sie mit einer leckeren Zuckerlösung belohnt.
Die Insekten hatten den Bogen ziemlich schnell raus und die Kleiner-als- beziehungsweise Größer-als-Regel schon nach wenigen Durchgängen verstanden. Dann folgte die Probe aufs Exempel: Würden die Bienen ein leeres Bild ohne Punkte, das sie vorher noch nie gesehen hatten, richtig zu den ihnen bekannten Mengen einordnen? Und damit begreifen, dass null weniger ist als eins, zwei, drei und vier?
Und tatsächlich: Die Mehrheit der Tiere, die das Kleiner-als-Prinzip gelernt hatten, flogen spontan das leere Blatt an. Die Bienen, die gelernt hatten, die größte Menge anzusteuern, machten das nicht.
„Das bedeutet, die Bienen haben verstanden, dass eine leere Menge kleiner ist als eine Menge mit Elementen“, schreiben die Forscher im Fachblatt „The Conservation“.
Und noch etwas offenbarten die Experimente: Die Honigbienen schwächeln ebenfalls wie wir Menschen wegen des sogenannten Distanzeffekts.
Je näher die Mengen zahlenmäßig beieinanderliegen, umso öfter passieren Fehler. Konkret: Sollen sich Bienen zwischen 0 und 4 entscheiden, sind sie treffsicherer, wie wenn sie zwischen 0 und 1 wählen müssen. Und genauso ergeht es uns Menschen auch.
Bienen haben also ein erstaunlich ähnliches Verständnis für Zahlen und Mengen wie wir. Und das, obwohl ihr Gehirn viel kleiner ist als unseres. Zum Vergleich: Das Hirn einer Honigbiene hat weniger als eine Million Neuronen, das eines Menschen rund 86 Milliarden.
Große Gehirne sind also nicht notwendig, um mit Zahlen umzugehen. Diese Fähigkeit besitzen daher wahrscheinlich auch noch viele andere Tiere.
Warum aber ausgerechnet Bienen derart gut mit Zahlen umgehen können, ist den Forschern bisher nicht klar. Vielleicht haben sie es im Laufe der Evolution gelernt, da sie viel Futter zusammen sammeln müssen und dafür ein Verständnis für Mengen brauchen.