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Der Lada Urban ist ein Fahrzeug des Teufels

Spartanisch ausgestattet, aber mit echtem Geländewagenfeeling: Der Lada 4x4 Urban Spartanisch ausgestattet, aber mit echtem Geländewagenfeeling: Der Lada 4x4 Urban
Spartanisch ausgestattet, aber mit echtem Geländewagenfeeling: Der Lada 4x4 Urban
Quelle: Jakob Hoff
Seit 1979 baut Lada seinen robusten Geländewagen. Mittlerweile heißt er Urban und hat elektrische Fensterheber und Sitzheizung, aber immer noch keine Airbags. Der Russe bleibt ein Anachronismus.

Der entengrützengrüne Opel Ascona, den der Peter hatte, war peinlich. Der Fiat 127, mit dem die Sabine aus der Vorstadt jeden Tag nach Schwabing gefahren ist, ebenfalls. Der 127er vom Stefan war cooler, weil er ihn sich selbst finanziert hatte. Der Golf vom Tommy war zwar auch von den Eltern gesponsert, ist aber ganz gut weggekommen, weil der Tommy immer Skier oder ein Surfbrett auf dem Dachgepäckträger hatte und nur dann nicht geschwänzt hat, wenn das Wetter nicht seinen Ansprüchen an die Freizeitgestaltung entsprochen hat.

Ganz in Ordnung war der B-Kadett vom Robert, und milde gelächelt haben wir über die Autos der verwöhnten Mitschüler aus den Villenvierteln. Es war ein großes Schauparken vor der Schule. Schwabing eben. Da hatten die, die ein Auto hatten, ein Auto und die, die keines hatten, das Mitleid ihrer Mitschüler.

Kantige Formen als Markenzeichen: Der Lada Urban von hinten
Kantige Formen als Markenzeichen: Der Lada Urban von hinten
Quelle: Jakob Hoff

Nur einmal war das anders. Der Jürgen wird den Tag so schnell nicht vergessen haben. Eine Schülertraube bildete sich um sein neues Auto, als er das erste Mal mit seinem nagelneuen Lada Niva gegenüber dem Haupteingang der Schule geparkt hat. Es war eine Riesengaudi. Das Auto sah ungefähr so modern aus wie der B-Kadett vom Robert und war dennoch das coolste Gefährt, das vor unserer Schule vorgefahren ist.

Es ging immer auch ums Aufreißen

Ausgerechnet der Jürgen, dem jeder in München aus 100 Meter Entfernung angesehen hat, dass er ein Schwabinger Schnösel war, kam mit einem Sozialistenauto an. Den könne man bis minus 40 Grad problemlos fahren, hat der Jürgen an jenem unvergessenen Tag, an dem er Premiere mit dem Lada hatte, gesagt und tatsächlich Staunen geerntet. Das könne der Russe eben.

Natürlich war schnell klar, weshalb sich der Jürgen das Russenvehikel mit dem Allradantrieb wirklich zugelegt hatte: Er brauchte es für die Leopoldstraße, um aufzufallen zwischen den Ferrari, den Golf Cabrios, den großen BMW, den gerade so gefragten Geländewagen von Suzuki und diesem rosa angemalten Traktor, mit dem auch immer einer zum Zwecke des Aufreißens unterwegs war.

Wer schalten will, braucht im neuen Lada Urban viel Kraft
Wer schalten will, braucht im neuen Lada Urban viel Kraft
Quelle: Jakob Hoff

Der Lada Niva sollte Jürgens Miezenschlepper werden. Man erzählt sich bis heute, dass er sehr erfolgreich war. Dass das Auto aussah, als sei es von einem dreijährigen Kind gemalt worden, das fanden wohl viele junge Frauen süß. Und die Sowjetunion, das war der wilde Osten, den damals viele unglaublich spannend fanden. Da gab es schließlich seit Kurzem jenen Michail Gorbatschow, der irgendwie anders war als die Kremlfürsten vor ihm. CCCP war Kult. Mit seinem Lada hatte der Jürgen den Zeitgeist voll getroffen.

Der Wagen stöhnt beim Stop-and-go sogar im Stehen

Der Lada Niva heißt heute Lada Urban, aber eigentlich ist es ein Facelift des Lada Taiga. Er sieht genauso aus wie der vom Jürgen und ist so etwas wie ein nagelneuer Oldtimer. Nur wer stark ist, bekommt die Türen auf. Die Kofferraumklappe kann nur öffnen, wer den hinter dem Fahrersitz gut versteckten Hebel entdeckt.

Und wer schalten will, braucht nicht nur lange Arme, weil der Schalthebel doch recht weit vom Fahrersitz entfernt ist, er sollte vorher auch ins Fitnessstudio gehen. Vom Beifahrersitz aus beobachtet, sieht das Fahren wie Schwerstarbeit aus. Was der 83 PS starke Motor leistet, der in der Stadt locker 13 Liter schluckt, muss ebenfalls Schwerstarbeit sein. Er stöhnt beim Stop-and-Go sogar im Stehen.

Man weiß, dass die Sowjets immer noch im All unterwegs sind, dass sie über moderne Waffen verfügen, und ein paar Menschen sollen sogar schon ein russisches Handy der Marke Yotaphone in der Hand gehabt haben. Und dennoch wundert sich der erfahrene Beifahrer, dass es im schwarzen Hartplastik-Cockpit des neuen Lada Urban tatsächlich elektrische Fensterheber gibt und sich die Außenspiegel ebenfalls elektrisch verstellen lassen. Und als er sieht, dass sich die Fenster gar nicht komplett versenken lassen, muss er lachen. Der Russe ist zur Witzfigur geworden.

Der Lada Urban ist alles – aber nichts Gutes

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Würde ein Schwabinger Jungschnösel heute mit einem Lada Urban vor seiner Schule aufkreuzen, auch er würde eine staunende Gemeinde um sein Auto versammeln. Es würde auch gelacht werden. Doch das Lachen wäre ein anderes. Damals war der Lada Niva ein Gag, der Lada Urban von heute ist ein Statement.

Gewusst wie: Wer die Heckklappe öffnen will, muss den Hebel hinter dem Sitz finden
Gewusst wie: Wer die Heckklappe öffnen will, muss den Hebel hinter dem Sitz finden
Quelle: Jakob Hoff

Was die Sowjetunion vor 30 Jahren schon nicht mehr war, ist Russland heute ganz gewiss für viele: ein Reich des Bösen. Und der Lada Urban ist des Teufels Fahrzeug. Ein Auto für den russischen Mann, der noch ein Kerl ist, ein Antischwulenkraftfahrzeug, ein Hooligantransportmittel, ein Krimtatarenvertreibungsmobil, ein Anabolikavehikel oder ein Putinversteherkraftwagen – auf jeden Fall nichts Gutes.

„Made in Russia“ taugt nicht mehr zum Miezenschleppen auf der Leopoldstraße. Dass das neue Modell beheizbare Sitze hat, kann daran auch nichts ändern. Der Lada Urban ist ein Auto von gestern. Mit ihm wird ein Männerbild von vorgestern transportiert.

Dagegen gilt es etwas zu unternehmen: Also Frauen, kauft euch diesen Russen, und zeigt es den Kerlen! Und Homos, holt euch diese Karre und malt sie in Regenbogenfarben an!

Andreas Rüttenauer leitet die Zukunftswerkstatt der „taz“.

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