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Ein Haus aus dem Drucker

Die 3-D-Produktion wird nicht nur die Industrie verändern, sondern auch die Architektur: Mit schnell trocknenden Baustoffen lassen sich ganze Gebäude drucken – irgendwann vielleicht auch auf dem Mond und fernen Planeten

Das Ding ist so monströs, dass man darin alles vermuten könnte. Eine Sporthalle? Ein Autohaus? Eine Fabrik vielleicht? Aber sicherlich keinen Drucker. Sechs Meter hoch ist das Monstrum, gut zwölf Meter breit und 36 Meter lang. Und es kann wirklich drucken! Ganze Gebäudeteile entstehen aus einer Paste von Bauschutt, schnell trocknendem Zement und einem speziellen Härtungsmittel. Die Mischung wird erhitzt und anschließend von einer robotergesteuerten Druckdüse Schicht für Schicht aufgetragen, bis das Bauteil fertig ist.

In Dubai entstand auf diese Weise bereits ein Bürogebäude, in China eine Luxusvilla. Und irgendwann könnten sogar auf dem Mond oder Mars Gebäude „gedruckt“ werden – für die ersten Siedlungen des Menschen fern unseres Planeten.

Das Drucken von Gebäuden beruht auf den gleichen Prinzipien wie der herkömmliche 3-D-Druck im kleineren Maßstab. Dabei trägt eine Düse Schicht für Schicht das Material auf, das dann aushärtet und einen festen Körper bildet. Das Produkt wird nicht aus einem Stück herausgearbeitet, sondern mithilfe von Laser- oder Elektronenstrahlen aus einem pulverförmigen Material schichtweise zusammengefügt. Das Verfahren hat das Potenzial, die bisherige Industrieproduktion völlig umzukrempeln – Zukunftsforscher sprechen bereits von der „dritten industriellen Revolution“.

Die neue Technik wird auch Architektur und Hausbau revolutionieren. So lässt sich beim Häuserdruck mit der erhitzten Bauschuttpaste Material einsparen: Während herkömmliche Baustoffe wie Stein oder Holz für viel Abfall sorgen, weil sie durch Sägen oder Schneiden erst in die richtige Form gebracht werden müssen, wird beim 3-D-Druck nur das Material verwendet, das auch tatsächlich gebraucht wird. Dieses kann außerdem fast jede beliebige Form annehmen. Dadurch ist es möglich, individuelle Produkte auch in kleinen Auflagen herzustellen.

Der zweite große Vorteil des 3-D-Drucks ist die zeitliche Dimension: Bauteile lassen sich millimetergenau anfertigen, in einem Bruchteil der bisher dafür benötigten Zeit. Die chinesische Luxusvilla mit ihren zwei Stockwerken und 400 Quadratmeter Wohnfläche stand innerhalb von 45 Tagen. Bei konventioneller Bauweise hätte es etwa ein Jahr gedauert, sie zu errichten. Für ein Haus aus herkömmlichen Steinen hätten Arbeiter schließlich mühsam die Steinblöcke freiklopfen und sie zur Baustelle bringen müssen, wird Ma Yihe, Unternehmensleiter der Firma WinSun, die für den Bau verantwortlich war, in einer Pressemitteilung zitiert. Beim 3-D-Druckverfahren dagegen verwende man im Grunde Abfall. Man könne auf diese Weise bis zu 60 Prozent Material, Zeit und Arbeitskraft einsparen und damit die Baukosten deutlich senken. Mit Leichtbauweise hat das Ergebnis wenig zu tun: Das Gebäude hat zum Teil über zwei Meter dicke Wände und soll einem Erdbeben bis zu einer Stärke von 8,0 standhalten können.

Noch etwas schneller gingen die Arbeiten an dem Bürogebäude in Dubai voran: Die gesamte Bauzeit bei dem 250 Quadratmeter großen Bau lag bei 17 Tagen. Auch hier entstanden zunächst Einzelteile im 3-D-Drucker, die anschließend wie Lego zusammengesetzt wurden. Bis auf Inneneinrichtung und Elektronik produzierte man das Gebäude vollständig aus einem druckbaren Zementgemisch.

Neben den Einsparungen bei Material und Zeit liegt bei diesem Bauverfahren auch der Personalbedarf deutlich unter dem für konventionelle Häuser: Außer der Person, die den Monitor des Druckers überwacht, sind gut ein halbes Dutzend Arbeiter für den Zusammenbau sowie etwa zehn Elektriker und andere Spezialisten erforderlich. Daher beliefen sich die reinen Baukosten für das Gebäude laut Angaben der Bauherren auf lediglich 140.000 Dollar, dazu kommen noch die Kosten für Innenausstattung und Außenanlage. Diese wirtschaftlichen Vorteile machen den Häuserdruck auch interessant für Schwellen- und Entwicklungsländer, wo auf diese Weise schnell und kostengünstig dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden könnte.

Die Vorteile des 3-D-Druckverfahrens für das Bauwesen überzeugen offensichtlich auch weitere Akteure: So investierte die Regierung in Singapur kürzlich 150 Millionen Euro in ein Forschungszentrum, in dem das 3-D-Druckverfahren für den Bau von Brücken und Gebäuden untersucht und optimiert werden soll. Ziel des Singapore Centre for 3D Printing ist der Bau von Sozialwohnungen mithilfe des neuen Verfahrens. In drei Jahren soll der Spatenstich erfolgen.

Und was auf der Erde bereits funktioniert, könnte auch fern unseres Planeten zum Einsatz kommen. Entsprechende Pläne verfolgen die US-Raumfahrtbehörde Nasa und ihr europäisches Pendant, die Esa: Sie wollen den 3-D-Druck nutzen, um Siedlungen im All hochzuziehen. So könne der Aufbau einer Mondbasis viel einfacher gestaltet werden, wenn man dazu einen 3-D-Drucker und die auf dem Mond vorhandenen Materialien verwende, meint Esa-Projektleiter Laurent Pambaguian. „Mit 3-D-Druckverfahren werden auf der Erde schon komplexe Gebäudestrukturen erzeugt“, so Pambaguian.

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Mit einem Unternehmenskonsortium hat die Esa untersucht, ob diese Technik in ähnlicher Weise für den Bau eines Mondhabitats genutzt werden könnte. Einer der Partner bei diesem Projekt ist das Londoner Architekturbüro Foster + Partners. Die Architekten haben eine lasttragende Kuppel mit einer zellenförmig strukturierten Wand entwickelt, die Weltraumstrahlung und kleine Meteoriten abwehren soll. Zudem ist die Kuppel mit einem aufblasbaren Druckkörper zum Schutz der Astronauten ausgestattet. Das Design der Basis wurde wiederum von den Eigenschaften des Mondbodens bestimmt – der Mondstaub soll mithilfe eines 3-D-Druckers zu einer festen Struktur zusammengepresst werden. „Wir haben buchstäblich um das Material herumdesignt“, berichtet Jethro Hon von Foster + Partners. „Das Ergebnis war eine hohle, geschlossene Zellstruktur, vergleichbar mit der von Vogelknochen, um eine gute Kombination aus Stabilität und Gewicht zu erhalten.“

Zu Demonstrationszwecken haben Forscher bereits einen 1,5 Tonnen schweren Baustein aus Mondstaub erzeugt – in einem 3-D-Drucker des britischen Unternehmens Monolite. Die Firma verfügt über 3-D-Drucker mit mobilen Druckdüsen auf einem sechs Meter großen Rahmen. Sie sprühen ein Bindemittel auf ein sandartiges Baumaterial. Normalerweise drucken die Maschinen Skulpturen und künstliche Korallenriffe, die Strände vor starker Brandung schützen. Das Esa-Projekt war für das Unternehmen Neuland. „Zunächst mussten wir das simulierte Mondmaterial mit Magnesiumoxid vermischen“, erklärt Monolite-Gründer Enrico Dini. „Die strukturgebende Paste stellen wir mit der Zugabe eines bindenden Salzes her, welches das Material in einen steinartigen Festkörper verwandelt.“ Der Drucker baut durchschnittlich etwa zwei Meter Baustein pro Stunde. „Unser Modell der nächsten Generation sollte jedoch 3,5 Meter pro Stunde schaffen, womit innerhalb einer Woche ein komplettes Gebäude fertiggestellt werden könnte“, sagt Dini.

Bis die Esa und ihre Kooperationspartner wirklich mithilfe von 3-D-Druck eine Mondsiedlung aufbauen können, wird es aber noch eine Weile dauern: Studien zum Schutz gegen den Mondstaub sind beispielsweise nötig, erklärt Projektleiter Pambaguian. Der Staub ist sehr gefährlich, wenn er in die Atemwege gelangt. Auch für die Temperaturkontrolle braucht es weitere Untersuchungen. Das 3-D-Druckverfahren funktioniert am besten bei Raumtemperatur – doch auf dem Mond schwanken die Temperaturen zwischen den Tagen und den zwei Wochen langen Mondnächten enorm – zwischen minus 160 und plus 130 Grad Celsius. Außerdem müssen die Forscher noch klären, wie ein solches Verfahren im Vakuum oder in einer sehr dünnen Atmosphäre funktionieren kann. Flüssigkeiten wie beispielsweise der Binder des Materials verdampfen in einer solchen Umgebung extrem schnell.

Solche technischen Herausforderungen halten jedoch die US-Weltraumbehörde Nasa nicht davon ab, noch einen Schritt weiter zu denken. Im vergangenen Jahr rief die Nasa den 3-D-Druck-Architekturwettbewerb 3D-Printed Habitat Challenge ins Leben. Das Ziel: ein buchstäblich druckreifes Marshabitat zu entwerfen. Gewinner war ein Team aus Wissenschaftlern und Architekten, das mithilfe eines 3-D-Druckers eine Art Hightech-Iglu erzeugen will: Eis aus dem Marsboden soll verdampft und der Wasserdampf in der kalten Marsumgebung zu passgenauen Bauteilen gefroren werden. Daraus wollen die Tüftler dann eine Behausung bauen. Ob das wirklich funktioniert, ist aber noch ungewiss.

Grundsätzlich stelle der 3-D-Druck ein Konzept dar, mit dem man die notwendige Logistik reduzieren und die Besiedlung des Mondes und anderer Himmelskörper erleichtern könnte, meint Esa-Projektleiter Pambaguian. „Die neuen Möglichkeiten, die sich mit diesem Projekt eröffnen, können dann von internationalen Raumfahrtbehörden als Teil der Entwicklung einer gemeinsamen Explorationsstrategie in Betracht gezogen werden.“

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