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Wissenschaft Winterschlaf

Wie Tiere im Winter auf Energiesparmodus schalten

Ab in die Höhle – Viele Tiere verkriechen sich in der kalten Jahreszeit. Nur schlafen nicht alle gleich tief: Sie haben unterschiedliche Strategien.

Kalt sind die Winter in Nordamerika. Keine gute Zeit, um draußen herumzustreifen. Amerikanische Schwarzbären ziehen sich deshalb fünf bis sieben Monate im Jahr in Schlafhöhlen zurück. Nahrung findet sich jetzt eh kaum, warum also die dunkle, unwirtliche Zeit nicht einfach im tiefen Schlummer verbringen?

Bären schlummern, wenn es zu wenig Nahrung gibt – genauso wie Murmeltiere, Siebenschäfer, Fledermäuse und viele andere Säuger. Aber löst wirklich der Winter den Winterschlaf aus?

Kleine Winterschläfer, die weniger als fünf Kilogramm wiegen – Fledermäuse oder Nagetiere – fahren ihre Körpertemperatur im Winter stark herunter. Sie kühlen dann für mehrere Tage oder sogar Wochen fast bis auf die Temperatur der Umgebung ab. Sind sie in diesem „Torpor“, dem Zustand der Starre, reagieren sie fast gar nicht auf Störungen von außen. Sie können weder weglaufen noch sich wehren. Ihre Atmung und ihr Stoffwechsel sind stark verlangsamt.

Damit sie nicht erfrieren, wachen diese Tiere regelmäßig für ein paar Stunden auf und fahren ihre Körpertemperatur auf die normalen 35 bis 38 Grad Celsius hoch. Diese Aufwachzeiten sind für Wissenschaftler ein entscheidendes Merkmal für den echten Winterschlaf.

Während der Kältestarrezeiten sinken die Stoffwechselraten von kleinen Säugetieren auf zwei bis fünf Prozent der normalen Körperfunktionsaktivität. „Je nach Größe des Tieres sinkt die Stoffwechselrate mehr oder weniger“, schreiben nun Wissenschaftler um Øivind Tøien und Brian M. Barnes von der Universität von Alaska in Fairbanks im Journal „Science“. Dabei gilt die Regel: Je kleiner das Tier, umso stärker kühlt es aus. Und je kälter ein Tier, umso inaktiver ist sein Stoffwechsel – so die Annahme der Biologen. Sinkt die Körpertemperatur um zehn Grad, verlangsamt sich der Stoffwechsel um 50 Prozent, schreiben die Forscher.

Doch was ist mit den großen Winterschläfern, den Bären? Um herauszufinden, wie sie der Unwirtlichkeit des nahrungsarmen Winters trotzen, haben die Forscher im Herbst dreier aufeinanderfolgender Jahre fünf Schwarzbären eingefangen und zum Institut für Arktische Biologie an die Universität von Alaska in Fairbanks transportiert. Hier wurden ihnen Sensoren implantiert, die ihre Herz-, Muskel- und Atemtätigkeit aufzeichneten. Anschließend durften die Bären in Holzboxen, die mit moderner Überwachungstechnik ausgestattet waren, im Wald ihr Schläfchen halten. Mit Kameras und Bewegungsmeldern wurden die Tiere von den Biologen fernüberwacht.

Diese Überwachung brachte eine erstaunliche Erkenntnis: Die Bären verlangsamen ihren Stoffwechsel unabhängig von ihrer Körper- und der Umgebungstemperatur. „Die Tiere haben ihre Körpertemperatur von 37 bis 38 Grad Celsius während ihres Winterschlafes auf durchschnittlich 33 Grad heruntergefahren“, schreiben die Biologen. „Weniger als 30,4 Grad Celsius wurden nicht gemessen. Das lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass unter einer Temperatur von 30 Grad Nervenzellen schwere Schäden nehmen würden.“

Während ihres Winterschlafes nehme die Tiere weder Nahrung noch Flüssigkeit auf, auch scheiden sie keine Verdauungsprodukte aus. „Sie reduzieren ihre Stoffwechselrate auf 25 Prozent ihrer normalen Werte.“

Die Bären können ihren Stoffwechsel also fast so weit herunterfahren wie kleine Säugetiere, schlafen aber nicht so ausdauernd: Zwischen zweimal am Tag und einmal alle zwei Tage wachen die Bären kurz auf, drehen sich um und erwärmen ihre Temperatur auf 37 Grad. Kleinsäuger wachen viel seltener auf.

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Die Tiere, deren Ruhephasen am ehesten mit denen der Schwarzbären vergleichbar sind, sind Fettschwanzmakis. Die Lemuren leben auf Madagaskar – und müssen dort keinen kalten Temperaturen trotzen. Von November bis März (also im Herbst der Südhalbkugel) futtern sie sich Reserven an, die sie vor allem in Form von Fett in ihrem Schwanz speichern. Von April bis Oktober verstecken sie in Baumhöhlen und fallen in die Starre – mit den typischen Aufwachphasen zwischendurch. Bei ihnen ist nicht das Sinken der Umgebungs- und Köpertemperatur ausschlaggebend für das Sinken der Aktivität. Sie fahren ihren Stoffwechsel vielmehr aktiv herunter, sobald die Trockenzeit in Madagaskar bestimmte Früchte, die ihre Hauptnahrung ausmachen, nicht mehr verfügbar sind.

Ebenfalls in „Science“ schreibt der Marburger Winterschlafforscher Gerhard Heldmaier: „Bei kleinen Säugetieren machen die aktiver Verlangsamung und die temperaturabhängige Verlangsamung des Stoffwechsels je etwa die Hälfte der Herunterregulierung des Stoffwechsels aus.“ Durch die neue Studie zeigt sich, dass die aktive Reduzierung des Stoffwechsels bei Schwarzbären einen größeren Anteil ausmacht.

„Die molekularen Mechanismen und die biochemischen Pfade, die von Stoffwechselprozessen beeinflusst werden, sind bislang unklar“, schreibt Heldmaier. Generell wirke sich der Torpor-Stoffwechsel auf die Atmung und den Energiehaushalt der Zellen aus. In fast allen Säugetierfamilien wurden bereits Winterschläfer gefunden – möglicherweise könnten vielleicht sehr viele, wenn nicht alle Säugetiere ihren Stoffwechsel längere Zeit aktiv vermindern.

Könnte man die Mechanismen der Winterstarre entschlüsseln, könnte dies beispielsweise auch für menschliche Unfallopfer oder für Raumfahrer wichtig werden: Dann nämlich könnte man die Winterschlaftricks der Tiere auch für Menschen, die eine Zeit lang regungslos überdauern müsse, ausnutzen.

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