Geduldig warten Eisbären in der Arktis an Eislöchern, wo Robben zum Atmen auftauchen. Schmilzt dort im Sommer jedoch das Packeis, verkleinert sich das Jagdgebiet erheblich. Unter diesen widrigen Umständen hat das größte Landraubtier viel weniger Chancen, eine Robbe zu erbeuten. Denn im offenen Wasser sind diese viel zu schnell.
Diesen Sommer erwarten die Forscher vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) nun ähnlich wenig Meereis im Arktischen Ozean wie im Negativrekordjahr 2012. Der Grund ist, dass das arktische Meereis bereits im vergangenen Sommer ausgesprochen dünn war.
Zum anderen bildete sich im zurückliegenden Winter besonders wenig neues Eis. Allerdings kann sich in den nächsten Wochen noch einiges ändern, sodass sich erst am Ende der Schmelzsaison mit Sicherheit sagen lässt, wie groß das Ausmaß des Eisverlustes tatsächlich ist.
„Nirgendwo macht sich der Klimawandel so deutlich bemerkbar wie in der Arktis“, sagt Roland Neuber vom AWI, wissenschaftlicher Koordinator der Forschungsstation in Ny Ålesund auf Spitzbergen. Seit ungefähr zehn Jahren friert im Winter der Kongsfjord unmittelbar vor der norwegischen Forschersiedlung auf dem 79. Breitengrad Nord nicht mehr zu.
Zahl der Eisbären auf fast 1000 gestiegen
Durch die globale Erwärmung ist der Lebensraum der Eisbären mehr und mehr bedroht. Niemand weiß jedoch, wie sich das Tauwetter am Nordpol langfristig auf deren Bestand oder auch auf denjenigen anderer Tierarten auswirken wird.
Einer Studie des Norwegischen Polarinstituts zufolge sind die Eisbären auf Spitzbergen in einem guten körperlichen Zustand. Und es seien trotz des massiven Eisverlustes sogar mehr Eisbären als noch im Jahr 2004.
Die Norweger um den Wissenschaftler Jon Aars haben im Jahr 2015 die Eisbären auf Spitzbergen und im norwegischen Gebiet der Barentssee gezählt. Nach ihren Berechnungen besteht die Population in dieser Gegend aus insgesamt 975 Eisbären. Elf Jahre zuvor waren es nur 685.
Bei der neuen Zählung hatte im Gegensatz zu derjenigen aus dem Jahr 2004 Russland nicht teilgenommen. Damals waren sie im gesamten Barentssee-Gebiet, inklusive der russisch kontrollierten Regionen, auf 2650 Eisbären gekommen.
Meereis in der Arktis stark zurückgegangen
Auf Spitzbergen sind Eisbären seit 1973 eine bedrohte Art, zuvor wurden sie 100 Jahre legal gejagt. Ein Anstieg der Population sei deshalb keine große Überraschung, erklärt Aars. Die Studie der Norweger zeigt, dass die Eisbären der schwierigen Situation aufgrund des massiven Eisverlustes im Sommer gut trotzen konnten.
Dennoch seien die Eisbedingungen vor allem 2015 im Vergleich zu vorherigen Jahren recht gut gewesen, sodass die Tiere genug zu fressen gefunden hätten. Wenn es jedoch mehrere Jahre hintereinander zu wenig Eis gebe, könnte das erhebliche Konsequenzen haben und die Situation schnell kippen, warnt der Eisbär-Experte.
In der Arktis ist das Meereis seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 stark zurückgegangen. Im Sommer gibt es dort heute sogar nur noch ein Viertel der damaligen Eismenge. Im Herbst bilden sich dank der kalten Temperaturen jedoch dann wieder unzählige Schollen.
Und am Ende des Winters füllt das Eis fast den gesamten Arktischen Ozean aus, erstreckt sich von Kanada bis nach Sibirien, schiebt sich durch die Beringstraße und die Baffin Bay, umschließt Grönland und die Inselgruppe Spitzbergen. Ende Februar bedeckt das arktische Meereis jedes Jahr eine Fläche, die 1,5-mal so groß ist wie Europa.
Trotz des Klimawandels kein totaler Eisverlust erwartet
Gemäß Klimasimulationen des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI) ist aber zumindest für die nähere Zukunft auch nach einem Sommer mit extrem wenig Eis kein totaler Eisverlust zu erwarten. Dies liegt daran, dass sich nach einem solchen Sommer im darauffolgenden Winter normalerweise wieder vergleichsweise viel neues Eis bilden kann, weil der offene Ozean große Mengen an Wärme an die Atmosphäre abgibt.
„In jedem Winter werden die Karten quasi neu gemischt“, sagt MPI-Forschungsgruppenleiter Dirk Notz. Dies führt dazu, dass sich die durchschnittliche Menge an Meereis in der Arktis direkt aus den jeweils vorherrschenden Klimabedingungen ergibt. Würde also zum Beispiel der globale Klimawandel gestoppt, so würde sich auch die Eisbedeckung in der Arktis rasch stabilisieren.
Der Wissenschaftler Aars berichtet, dass auch die Eisbären sich anpassen könnten. In guten Jahren würden sie mehr fressen und danach von ihren Reserven zehren. Sie könnten sogar ein halbes Jahr ohne Fressen überleben und kämen auch mit dem momentanen Eisverlust gut zurecht. Doch wenn mehrere Jahre hintereinander solche schlechten Bedingungen herrschen, könne die Situation für Eisbären wieder sehr kritisch werden.
---
Werbung: Über unser Gutscheinportal erhalten Sie bei „Ab in den Urlaub“ Rabatte für Reisen.
---