Auch Jungs sind betroffen!: Magersucht ist keine Mädchenkrankheit

Magersucht ist keine Mädchenkrankheit

Magersucht hat das Stigma eines Mädchenleidens: Betroffene Jungs aber brauchen Hilfe, denn die Krankheit hat kein Geschlecht

Foto: Africa Studio - stock.adobe.com
Von: Von LIGIA DANA TUDORICA

Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine psychische Erkrankung und Essstörung mit dem krankhaften Bedürfnis, Gewicht zu vermindern. Diese Krankheit betrifft vor allem Mädchen und Frauen, seit Jahren leiden aber immer mehr Jungs und Männer unter dieser gestörten Form der Selbstwahrnehmung.

Häufig erkranken Jungs, wie Mädchen, in der Pubertät, eher vereinzelt im Grundschulalter. Auch erwachsene Männer können eine Magersucht entwickeln. Von Ex-Skisportler Sven Hannawald (42) hieß es vor wenigen Jahren, sein Gewichtsverlust sei an der Grenze zur Magersucht. Auch bei den Schauspielern Daniel Radcliffe (27, „Harry Potter“) und Robert Pattinson (31, „Twilight“) vermutete man die Krankheit, nachdem Fotos auftauchten, auf denen sie dürr und abgemagert aussahen.

Hannawald sprach öffentlich über seine Krankheit, von Radcliffe und Pattinson gab es keine bestätigten Diagnosen.

► BILD sprach mit dem Diplompsychologen Andreas Schnebel von „ANAD Versorgungszentrum Essstörungen“ darüber, warum Magersucht für Jungs und Männer ein so schwieriges Thema ist.

BILD: Im Vergleich zu Mädchen, wie viele Jungs sind magersüchtig?

Diplompsychologe Andreas Schnebel: „Es gibt keine tatsächlichen Zahlen. Aus meiner Erfahrung kommt auf neun betroffene Mädchen ein betroffener Junge. Die Tendenz ist leicht steigend. Die Dunkelziffer dürfte höher sein.“

Warum vermuten Sie ansteigende Zahlen?

Schnebel: „Magersucht gilt noch immer als Mädchen- und Frauenkrankheit. Dabei stimmt das schon lange nicht mehr. Trotzdem ist die Hemmschwelle der betroffenen Jungs meist sehr groß, sie schämen sich ein „Frauenproblem“, eine „Mädchenkrankheit“ zu haben und tun sich sehr schwer in die Beratungsstellen zu gehen. Erschwerend hinzu kommt, dass in der Magersuchtshilfe, in den Kliniken und Beratungsstellen ebenfalls mehr Frauen und weniger Männer arbeiten. Hier funktioniert die Onlineberatung besser, die Anonymität hilft den Jungs.“

Warum werden Jungs magersüchtig?

Schnebel: „Da es sich um eine vorwiegend psychische Erkrankung handelt, sind die Hintergründe ähnlich wie bei betroffenen Mädchen. Die Ursachen sind in der persönlichen Geschichte, eigenen Problemen, im familiären und sozialen Umfeld zu suchen. Meist kommt vieles davon zusammen und die Betroffenen sind überfordert. Und genauso wie bei Mädchen ist der gesellschaftliche Schönheitswahn und Perfektionsdruck längst auch bei Jungen und Männern angekommen.“

Gibt es auch Unterschiede zu betroffenen Mädchen?

Schnebel: „Einen Unterschied sehe ich in der Gefahr, in eine extreme Sportsucht zu fallen. Das kommt bei Jungs häufiger vor als bei Mädchen. Einen gewissen Unterschied findet man auch in der Neigung zu Risikosportarten und zur Einnahme verbotener Fitmacher oder Anabolika. Trotzdem gibt es keine Form der Magersucht, die „Anorexia athletica“ heißt. Das ist eine Worterfindung Ihrer Kollegen.“

Wie motiviert man betroffene Jungs, sich Hilfe zu suchen?

Schnebel: „Je später ein Betroffener in die Behandlung geht, desto schwerer sind Körper und Psyche geschädigt und desto langwieriger gestaltet sich dann möglicherweise die Therapie. Jungs dürfen sich nicht abschrecken lassen von dem Stigma eines angeblichen Mädchenleidens: Magersucht hat kein Geschlecht!“

Anorexia nervosa/Magersucht

Diagnostik:

► niedriges Körpergewicht ► große Angst vor Gewichtszunahme ► selbst herbeigeführter Gewichtsverlust ► verzerrte Körperwahrnehmung ► Potenzprobleme/Potenzverlust bei Jungs (Ausbleiben der Menstruation bei Mädchen)

Merkmale / Symptome:

► Leistungsorientierung ► Versagenssängste ► gedankliche Beschäftigung mit Kalorienzählen ► Weigerung an der Teilnahme am gemeinsamen Essen ► Körpersignale werden nicht wahrgenommen

Langfristige Folgen:

► Störungen der Fruchtbarkeit ► Haarausfall ► Osteoporose ► Nierenschäden ► Herz-Kreislaufstörungen ► Störungen im Magen-Darm-Bereich ► Zahnschäden ► psychische Veränderungen

Therapie

Eine Heilung der Magersucht bietet Psychotherapie in Form von Einzel-, Gruppen- oder Familientherapie, begleitet von Ernährungsberatung. Hier lernen die Betroffenen sich anzunehmen, ihr Selbstbild zu korrigieren, sich ausgewogen zu ernähren und wieder ohne Angst und Kalorienzählen zu essen. Weitere Informationen finden Betroffene beim Bundes Fachverband Essstörungen.

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