Unfallzahlen 2018 Das Fahrrad ist das tödlichste Verkehrsmittel

Die weißen Räder erinnern an tote Radfahrer.
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Es deutete sich schon an, nun ist es amtlich: Das Fahrrad ist das gefährlichste Verkehrsmittel überhaupt in Deutschland. Offiziell gilt das Ziel "Null" bei den Verkehrstoten, doch die Unfallzahlen beim Rad gehen in eine andere Richtung.

2018 starben 445 Fahrradfahrer im Verkehr, das sind 63 Radler mehr als 2017 und damit innerhalb eines Jahres so viele wie seit 2009 nicht mehr. Gleichzeitig sanken zumindest prozentual die Todeszahlen bei Fußgängern, Auto- und Motorradradfahrern.

Besonders deutlich wird im Vergleich zu 2010. Die Gesamtzahl der der Verkehrstoten ist seitdem um 10,2 Prozent gesunken. Die Zahl der getöteten Pkw-Insassen lag 2018 um 22,6 Prozent niedriger. Bei Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Menschen, die auf einem Kraftrad wie einem Mofa oder einem Motorrad ums Leben kamen, fielen die Rückgänge mit 3,8 beziehungsweise 1,7 Prozent deutlich geringer aus. Dagegen ist die Zahl der getöteten Fahrradfahrerinnen und -fahrer im Vergleich zu 2010 um 16,8 Prozent gestiegen.

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Radwege fehlen

Radfahren erlebt eine Renaissance, das ist gut für die Verkehrswende, doch die Politik kommt beim Bau der passenden Infrastruktur nicht hinterher. Auch der Radfahrverband ADFC kritisiert das schleppende Tempo beim Radwegeausbau. "Es ist bedrückend: Täglich stirbt mindestens eine Radfahrerin oder ein Radfahrer auf unseren Straßen und alle halbe Stunde wird eine Person auf dem Rad schwer verletzt. Tendenz steigend, nicht fallend, wie politisch gewünscht", sagte Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork. Unter den getöteten Radfahrern waren laut ADFC auch 21 Kinder, sechs von ihnen starben durch rechtsabbiegende Lastwagen.

Ein ewiges Streitthema zwischen Auto- und Radfahrern ist die Frage: "Wer ist schuld?" Die Statistik ist eindeutig. Etwa zwei Drittel aller Fahrradunfälle sind auf Kollisionen mit Autos zurückzuführen. Hier trägt in 75 Prozent der Fälle der Autofahrer die Hauptschuld. Es ist also eine Autofahrer-Legende, dass diese Kollisionen im Wesentlichen auf Radfahrer zurückzuführen sind, die das Rotlicht missachten oder nachts ohne Licht unterwegs sind.

Mehr Unfälle als erfasst

Die amtliche Statistik hat allerdings deutliche Lücken. Bei Todesopfern oder schweren Unfällen werden Radunfälle lückenlos erfasst. Auch wenn ein Kfz beteiligt ist, wird gemeldet, weil dann der Unfall fast immer an die Versicherung weitergereicht wird. Bei leichteren oder auch mittleren Verletzungen von Radfahrern gibt es eine erhebliche Dunkelziffer, wie Untersuchungen zeigen. Tatsächlich dürften das Unfall- und Verletzungsrisiko mit dem Rad weit höher sein als die Statistik verrät.

Lesen Sie hierzu: Ungenaue Unfallstatistik - Radfahren gefährlicher als angenommen

Leider gibt die Statistik auch keine Auskunft über die Ursache von Unfällen. Unter der Rubrik "Alleinunfall" – also Unfall ohne Unfallgegner – rangieren die unterschiedlichsten Szenarien. Im Fokus der Öffentlichkeit steht der von seinem E-Bike überforderte Senior. Häufig kommt es aber auch zu Stürzen bei sehr langsamem Fahren. Aber auch ein Rennradfahrer, der sein Können in einer schnellen Kurve überschätzt, zählt zu den Alleinunfällen, genau wie jemand, dessen Reifen in einem Schlagloch hängen bleibt.

E-Bikes sind Kilometerfresser

Insgesamt steigt die Zahl der Radfahrer und auch die der gefahrenen Kilometer. E-Bikes sind dafür ein Indikator. Im Jahr 2019 werden vermutlich fast eine Million E-Räder verkauft, dann dürfte die Zahl insgesamt bei fast 6 Millionen liegen. Im Vergleich zu etwa 70 Millionen Muskelrädern mutet das wenig an. Aber unter den konventionelle Drahteseln gibt es viele, die nicht oder kaum bewegt werden. Selbst im Vergleich zu den aktiven Muskel-Rädern legen E-Bikes etwa zwei bis drei Mal so viele Kilometer zurück, entsprechend steigt das Risiko.

Ein wichtiger Grund für die steigenden Unfallfahrern ist die die Kombination von schlechter Infrastruktur und wachsendem Selbstbewusstsein der Biker. Viele Radwege stammen noch aus den 60er und 70er Jahren – damals war es erklärtes Ziel der Kommunen, das Radfahren möglichst unattraktiv zu machen. Die Folgen sind heute noch zu spüren.

Gleichzeitig nehmen immer mehr Radfahrer ihre Rechte im Verkehr wahr. Eine Untersuchung der Berliner Polizei zum Thema Abbiegeunfällle zeigte, dass viele Autofahrer die Vorfahrtsregelungen missachten. "Viel zu häufig führt eine unaufmerksame und leichtsinnige Fahrweise insbesondere durch rechtsabbiegende Pkw und Lkw zu folgenschweren Verletzungen bei Radfahrenden", teilte die Polizei mit. Die Polizei war aber besonders schockiert, dass Radfahrer davon ausgehen, dass ihre Vorfahrt sehr wohl beachtet wird. Die Maßnahme der Polizei: Fahrradfahrern werde geraten, nicht immer auf die eigene Vorfahrt zu pochen, so ein Sprecher.

Lesen Sie zu diesem Thema: Diese Rechte haben Radler im Verkehr - und das halten die Autofahrer davon

Gutes Wetter trägt zum schlechten Ergebnis bei

Ursächlich für die hohen Unfallzahlen 2018 dürfte aber auch das warme und trockene Wetter sein. Gutes Wetter macht das Radfahren attraktiv, Regenperioden nicht. Auch die Zahl der tödlichen Badeunfälle ist im vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen. Mindestens 504 Menschen sind 2018 ertrunken, das waren 100 Todesopfer mehr als im Vorjahr.

Das sind immerhin noch 59 Tote mehr als bei den Rädern. Und dies bei einem Freizeitsport, der anders als das Radfahren nur gelegentlich, aber von kaum jemand täglich ausgeübt wird.

Eine Entwarnung kann das nicht sein. Umso mehr Menschen das Auto stehen lassen und das Rad nehmen, umso stärker werden die Versäumnisse in der Infrastruktur zu steigenden Unfallzahlen und auch zu mehr Toten führen.

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