Rom. Wissenschaftler haben eines der größten Rätsel der modernen Astrophysik gelöst

    Nach fast 20 Jahren Suche sind Astronomen der „vermissten Materie“ im Kosmos auf die Spur gekommen. Enorme Mengen Materie verstecken sich demnach als dünnes, heißes Gas zwischen Galaxien und Galaxienhaufen. Das haben Wissenschaftler um Fabrizio Nicastro vom Nationalen Institut für Astrophysik in Rom mit dem europäischen Röntgensatelliten „XMM-Newton“ beobachtet. Sie stellen ihre Beweise im Fachblatt „Nature“ vor.

    Der Kosmos besteht zu rund 70 Prozent aus einer unbekannten „Dunklen Energie“ und zu etwa 25 Prozent aus „Dunkler Materie“, die sich nur durch ihre Schwerkraft verrät. Lediglich knapp fünf Prozent entfallen auf die für uns gewöhnliche Materie, die Forscher als baryonisch bezeichnen und aus der alle sichtbaren Dinge im All aufgebaut sind: Sterne, Planeten, Pflanzen, Menschen und alles andere. Diese Verteilung lässt sich aus der kosmischen Hintergrundstrahlung ablesen, dem „Echo des Urknalls“, das die Verhältnisse kurz nach der Entstehung des Universums widerspiegelt.

    Doch selbst von diesen knapp fünf Prozent baryonischer Materie konnten Astronomen bislang nur etwa zwei Drittel lokalisieren. „Die fehlenden Baryonen sind eines der größten Rätsel in der modernen Astrophysik“, betont Nicastro in einer Mitteilung der Europäischen Weltraumorganisation Esa. „Wir wissen, dass diese Materie dort draußen sein muss. Wir sehen sie im frühen Universum“, dann aber verschwinde sie.

    Bei der Suche richtete Nicastros Team „XMM-Newton“ auf eine Milliarde Lichtjahre entfernte Galaxie, in deren Zentrum sich ein schwarzes Loch enorme Materiemengen einverleibt. Solche sogenannten Quasare gehören zu den hellsten Objekten im All und sind über extreme Entfernungen zu sehen. Auf dem Weg zur Erde durchleuchtet das Quasar-Licht riesige Bereiche des Kosmos, die sich so analysieren lassen. Im Licht des Quasars fahndeten die Astronomen nach Spuren der gesuchten Materie. „Wir konnten die Signatur von Sauerstoff in dem heißen intergalaktischen Gas zwischen uns und dem fernen Quasar identifizieren“, berichtet Nicastro. „Dort liegen enorme Materialreservoirs – und zwar in der von uns erwarteten Menge, sodass wir die Lücke im Baryon-Budget des Universums schließen können.“ Die gesuchte Materie verberge sich in dem Millionen Grad heißen „Nebel“, der sich über Hunderttausende Lichtjahre durch den intergalaktischen Raum erstrecke.