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Hamburger Forscher sind der dunklen Materie auf der Spur

Das Gelände des aufgelassenen Teilchenbeschleunigers Hera soll Schauplatz eines neuen Forschungsprojekts werden. Im Projekt Alps 2 (Any Light Particle Search) wollen Forscher dunkle Materie nachweisen.

Den Hera-Tunnel kann man auch besichtigen. Foto: imago

Der Bau des Röntgenlasers European XFEL hat ein ähnlich spektakuläres Wissenschaftsprojekt im Hamburger Westen in den Hintergrund rücken lassen. Vor 25 Jahren – am 1. Oktober 1992 – begann auf dem Gelände des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy) der Forschungsbetrieb am Teilchenbeschleuniger Hera. 15 Jahre lang kollidierten dort Elektronen mit Protonen, dann wurde Hera abgeschaltet.

Seit 2007 bewegt sich kaum noch etwas im Hera-Tunnel, der einen Umfang von 6,3 Kilometern hat. Das soll sich nun wieder ändern. In der Betonröhre wollen Forscher nach dunkler Materie suchen. Genauer gesagt nach Axionen. Das sind Teilchen, die man bisher noch nicht messen konnte. Der Physiker Axel Lindner ist aber überzeugt, dass es sie gibt. Mit dem Projekt Alps II (Any Light Particle Search) will er ihre Existenz nachweisen.

Photon wird Axion

Dafür will er einen starken Laserstrahl durch ein Magnetfeld führen. Einzelne Lichtteilchen, sogenannte Photonen, sollen sich dabei in Axionen verwandeln. Eine im Magnetfeld stehende Stahlwand würde das durch Spiegel tausendfach verstärkte Licht aufhalten, nicht aber die Axionen. Hinter der Wand würden sich nach Annahme der Wissenschafter die Axionen in Photonen zurückverwandeln und wären bei genügender Intensität in einem Detektor messbar.

Für sein Experiment kann Lindner einige der supraleitenden Magneten aus dem Hera-Tunnel gut gebrauchen. Sein Team muss sie bloß noch „geradebiegen“. Hera ist ringförmig, die Vakuumröhren in den neun Meter langen Magneten müssen nun aber genau in einer Linie liegen. Diese technische Herausforderung sei inzwischen gemeistert worden, sagt Lindner. Pensionierte Desy-Forscher hätten sich zum Teil in ihrer Freizeit mit der Aufgabe beschäftigt und bereits drei der 20 benötigten Magneten begradigt. Wenn alles gut läuft, können Lindner und seine Kollegen ihr Experiment 2020 im Hera-Tunnel aufbauen. Allerdings brauchen die Forscher nur etwa 200 Meter der Röhre, deren Ring auch gerade Streckenteile enthält.

Besuch möglich

Bis dahin können Besucher das unterirdische Bauwerk bestaunen, das nach Angaben von Desy-Sprecher Thomas Zoufal einst mit Milliarden-D-Mark-Aufwand gebaut worden ist. Der Hera-Protonenring war einer der ersten Beschleuniger, der in supraleitender Technik gebaut wurde. Die Magnete wurden mithilfe großer Mengen an flüssigem Helium auf minus 269 Grad gekühlt. Erst bei dieser Temperatur erreicht das in den Magneten verwendete Metall Niob-Titan seine Supraleitfähigkeit. Strom kann dann ohne Widerstand hindurchfließen und so ein großes Magnetfeld erzeugen.

Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Hera-Experimente klingen für den Laien abstrakt: Ein Proton, so wurde erkannt, besteht nicht nur aus drei Quarks und Gluonen, sondern ist eine sehr lebhaftes Gebilde aus sogenannten virtuellen Quarks. „Man kann sich das vorstellen wie eine brodelnde Suppe mit Blasen“, sagt der Teilchenphysiker Joachim Mnich. Hera habe gezeigt, wie sich die Wechselwirkungen der Quarks unter dem Einfluss von Energie ändern.

Auf die Frage, was diese Forschung dem Menschen bringt, sagt Mnich: „Wir machen das aus Neugier.“ Und Detektoren in der Art, wie sie bei Hera entwickelt wurden, werden inzwischen auch beim Röntgen in der Medizin eingesetzt. Hera wurde am 30. Juni 2007 abgeschaltet. Auch weil das Experiment im Tunnel wissenschaftlich ausgereizt gewesen sei, sagt Desy-Sprecher Zoufal. Von den 100.000 Teilchenkollisionen pro Sekunde seien fünf bis zehn pro Sekunde gespeichert worden, 15 Jahre lang. Mit der riesigen Datenmenge, die der Forschung noch immer zur Verfügung steht, sei ein sehr gutes Bild des Protons – eines der Bestandteile der bekannten Materie – entstanden.

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