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Weshalb die Rettung der UBS kein «gutes Geschäft» war

Eine Pressemitteilung der Schweizerischen Nationalbank lässt die Schweiz frohlocken. Am 16. August meldete die Zentralbank, der im Herbst 2008 zur Rettung der Grossbank UBS geschaffene Stabilisierungsfonds (StabFund) habe sein von der SNB gewährtes Darlehen vollständig getilgt. Damit stehe der UBS der Weg frei, ihre Option auszuüben und den StabFund zurückzukaufen. Ein Kapitel Schweizer Wirtschaftsgeschichte kann abgeschlossen werden.

Je nach Berechnungsgrundlage haben Bund und Nationalbank aus der Rettung der Grossbank 5 bis 6 Mrd. Fr. verdient. In zahlreichen Medien war daher wiederholt zu lesen, es habe sich dabei um ein «gutes Geschäft» gehandelt.

Derlei Aussagen sind irreführend, denn wer daraus ableitet, es sei alles gar nicht so schlimm gewesen, begeht einen schweren Denkfehler. Die Ex-post-Betrachtung des Resultats blendet die wahren Risiken aus, mit denen die Verantwortlichen von SNB und Bund in jenem schicksalshaften Herbst 2008 konfrontiert waren.

Fremde Hilfe

Drei Dinge sollten im Zusammenhang mit der UBS-Rettung vom Oktober 2008 nie vergessen werden. Erstens: Die Schweiz stand damals gefährlich nah am Abgrund. Die UBS hatte in den Jahren zuvor in einer von Grössenwahn getriebenen Strategie – sie wollte im globalen Investment Banking zu den Top-Spielern gehören – ihre Bilanzsumme auf das Vierfache des schweizerischen Bruttoinlandprodukts aufgebläht. Sie wurde ab August 2007 weitgehend unvorbereitet in den Strudel der sich stetig verschlimmernden Finanzkrise gerissen, war prekär unterkapitalisiert und im Oktober 2008 mit grosser Wahrscheinlichkeit insolvent. Mit ihrer Grösse war die UBS für die Schweiz nicht nur too big to fail, sondern wäre im Katastrophenfall auch too big to save gewesen: Sie hätte die schweizerischen Staatsfinanzen ruinieren können, genauso wie es die Anglo Irish Bank in Irland getan hatte.

Zweitens: Eine Reihe von Massnahmen verschiedener Regierungen und Notenbanken verhinderte damals eine Kernschmelze im globalen Finanzsystem, der mit Sicherheit auch UBS und Credit Suisse zum Opfer gefallen wäre. Zu diesen Massnahmen zählten:

  • die Verstaatlichung des Versicherungskolosses American International Group (AIG) am Tag nach dem Kollaps von Lehman Brothers. Über die Folgemonate pumpte das US-Schatzamt durch den leblosen Körper von AIG rund 100 Mrd. $ ins internationale Bankensystem. Die UBS zählte damals neben der französischen Société Générale zu den grössten Empfängerinnen von AIG-Zahlungen.

  • Mit dem Troubled Asset Relief Program (TARP) stellte das US-Schatzamt 700 Mrd. $ bereit, um die amerikanischen Grossbanken zu rekapitalisieren. Die beiden kränksten Kolosse, Citigroup und Bank of America, wurden damit im Finanzsystem effektiv isoliert und für kurze Zeit faktisch verstaatlicht.

  •  Grossbritannien beschloss die teilweise Verstaatlichung von Royal Bank of Scotland und Lloyds.

  • Zahlreiche Regierungen in Europa sprachen uneingeschränkte Garantien für Bankdepositen aus, um das Risiko eines Bankensturms zu mindern.

  • In konzertierten Aktionen versorgten die Zentralbanken die Geschäftsbanken mit Dollar-Liquidität.

Jede dieser Massnahmen, zu denen im globalen Kontext auch die Rettung der UBS zählte, war Teil einer Brandmauer, die das internationale Finanzsystem vor einer fatalen Kettenreaktion bewahrte. Alternative Geschichtsverläufe lassen sich nie beweisen, aber es ist gut möglich, dass die Episode weit weniger glimpflich verlaufen wäre, hätte das US-Schatzamt beispielsweise AIG fallen lassen oder auf TARP verzichtet.

Robust ist anders

Drittens: Von einem gesunden, robusten Grossbankensystem kann auch heute keine Rede sein. Das Basel-III-Regelwerk des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich verlangt von den Banken zwar dickere Eigenkapitalpolster, und in der Schweiz hat die Politik – absolut richtig – deutlich schärfere Eigenmittelrichtlinien für die beiden heimischen Grossbanken durchgesetzt, doch allgemein betrachtet ist es den Banken gelungen, die Regulatoren von der ökonomisch widerlegten Mär zu überzeugen, dass Eigenkapital für sie äusserst teuer sei und schärfere Eigenmittelvorschriften ergo die Kreditversorgung der Realwirtschaft verknappe und verteuere.

Die Banken dürfen überdies weiterhin ihre internen Modelle benutzen, um die Risikogewichtung ihrer Anlagen vorzunehmen – von der sich dann die Eigenmittelunterlegung berechnet. Wird ihre ungewichtete Bilanzsumme betrachtet, liegt die Eigenkapitalquote der meisten Grossbanken – auch von UBS und Credit Suisse – nach wie vor deutlich unter 5%. Die UBS darf sich heute zwar zu Recht damit brüsten, zu den bestkapitalisierten Grossbanken der Welt zu zählen, doch an dieser Stelle sei daran erinnert, dass sich die früheren Verantwortlichen der Bank lange vehement gegen die Too-big-to-fail-Gesetzgebung in der Schweiz gewehrt haben. Vor weniger als drei Jahren drohte der damalige CEO der UBS noch, die Bank werde den Sitz in ein anderes Land verlegen, sollten die schweizerischen Eigenkapitalrichtlinien zu restriktiv werden.

Die Rolle des Glücks

Gewiss: Die Rettung der UBS mithilfe der Bilanz der SNB war brillant konzipiert und umgesetzt vom damaligen SNB-Vorsitzenden Jean-Pierre Roth und dem verantwortlichen Direktor für Systemstabilität, Philipp Hildebrand. Die SNB besass das internationale Ansehen, um ihre Bilanz als «Bad Bank» zur Verfügung zu stellen und der UBS anfänglich ein Portfolio an toxischen Papieren im Wert von 60 Mrd. $ (später waren es noch 39 Mrd.) abzunehmen. Nur wenige Zentralbanken dieser Welt wären zu einem derartigen Coup fähig gewesen, ohne ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen.

Aber war der Gewinn von einigen Milliarden Dollar ein «gutes Geschäft»? Nein. Mal davon abgesehen, dass die Causa UBS den Nährboden für allerlei wirtschaftsfeindliche Vorstösse wie die «1:12»-Initiative bietet: Es mag verlockend sein, sich einzureden, Schlauheit und Können hätten die Schweiz nicht nur vor einem Unglück bewahrt, sondern auch zu satten Profiten geführt. Doch wer den Verlauf der Geschichte in den Monaten nach dem Oktober 2008 mit etwas Demut betrachtet, erkennt rasch, dass die Schweiz damals vor allem eines hatte: Glück. Weder die Führungscrews der Grossbanken noch die Männer an der SNB-Spitze noch die Öffentlichkeit sollten das jemals vergessen.