Wer der Energiewende im Kanton Luzern Schub verleiht – und wo es harzt

Immer mehr Vereine und Genossenschaften wollen im Kanton Luzern die Energiewende vorantreiben. Wer Erfolg haben will, bäckt lieber kleinere Brötchen – am besten auf dem eigenen Dach und in der Garage.

Evelyne Fischer
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Werner Frey vom «Energie Team Surental & Region Sursee» bei einer vom Verein initiierten Strom-Tankstelle in Triengen. (Bild: Corinne Glanzmann, 27. September 2018)

Werner Frey vom «Energie Team Surental & Region Sursee» bei einer vom Verein initiierten Strom-Tankstelle in Triengen. (Bild: Corinne Glanzmann, 27. September 2018)

Mehr und mehr Sonnenenergie wird im Kanton Luzern in Strom umgewandelt. Dies zeigen Zahlen der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid: Über 3600 Fotovoltaikanlagen haben im Kanton 2017 knapp 133 Millionen Kilowattstunden Energie produziert. Dies entspricht dem Verbrauch von rund 30'000 Haushaltungen. Zum Vergleich: 2014 lag die Zahl der Anlagen noch bei 1900.

Zahlreiche Anlagen entstanden durch private Initiativen: So existieren in Willisau, Ruswil, Buttisholz, Kriens und Luzern Energiegenossenschaften. Nottwil soll bald folgen. Geburtshilfe leistet seit 2013 die Albert Koechlin Stiftung (AKS): Sie berät und beteiligt sich an den Gründungskosten. «Unsere Vision ist es, dass es dereinst in jeder Gemeinde der Zentralschweiz eine Energiegenossenschaft gibt», sagt Projektleiter Philipp Christen und fügt an: «Ein Ziel, das ich bis zur Pension sicher nicht erreichen werde.»

Zwölf Genossenschaften bestehen bereits, über 400 Personen beteiligen sich. Oft würden Initianten Grundlagendokumente zur Umsetzung fehlen. Die Stiftung unterstützt jede Gründung mit 1000 Franken, der Bau der ersten Anlage wird zu einem Fünftel mitfinanziert, maximal mit 30'000 Franken. Wie viel Geld bisher ausgeschüttet wurde, kommuniziert die AKS nicht – dafür Eckwerte der Energieproduktion: 2017 lieferten die Genossenschaften 425'000 Kilowattstunden, den Durchschnittsverbrauch von 94 Haushaltungen. Wegen des Hitzesommers wird sich diese Zahl heuer fast verdoppeln.

«Mit lokalen Leuchtturmprojekten können wir die Energiewende vorantreiben.»

Werner Frey,



Energie Team Surental & Region Sursee

Weiteres Beispiel: das «Energie Team Surental & Region Sursee», aktiv seit 2016. Dank dem Verein und dem lokalen Gewerbe besitzt Triengen heute fünf Ladestationen mit Gratisstrom für Elektrofahrzeuge, drei weitere befinden sich im neuen Parkhaus Bahnhof Sursee. «Mit lokalen Leuchtturmprojekten können wir die Energiewende vorantreiben», sagt Elektrik-Experte Werner Frey. Die acht Vereinsmitglieder gehen mit gutem Beispiel voran: Von den Technologien LED-Licht, Elektroautos, Fotovoltaik und Heizen mit erneuerbarer Energie nutzt jedes Mitglied mindestens drei.

Eigengebrauch von Solarstrom ist Trumpf

Vom Kanton gibts für lokale Initiativen viel Lob: «Örtliche Energiegenossenschaften sind sehr wertvoll», sagt Jürgen Ragaller, Abteilungsleiter Energie & Immissionen bei der kantonalen Dienststelle Umwelt und Energie (UWE). Sie würden über das nötige Kontaktnetz verfügen, um etwa Eigenverbrauchsgemeinschaften zu gründen. In solchen wird der selbst produzierte Strom direkt an Mieter oder Stockwerkeigentümer verkauft. «Früher hatte man dank der kostendeckenden Einspeisevergütung einen fixen Abnahmepreis und investierte in möglichst grosse Anlagen. Die heutigen Anlagen sind auf einen möglichst hohen Eigenverbrauchsanteil von Solarstrom ausgelegt. Dies ist für den Betreiber wirtschaftlich und entlastet das Netz, unter Umständen wird mit diesem Prinzip aber nicht das ganze Potenzial ausgeschöpft.»

«An die Grenzen stossen lokale Bestrebungen bei raumrelevanten Themen wie Wind- und Wasserkraft. Hier braucht es von Kantonsseite Abklärungen und Grundlagen.»

Jürgen Ragaller,



Dienststelle Umwelt und Energie

Weder bei Fotovoltaik noch bei Tankstellen für E-Autos sei eine Übersättigung zu erwarten. «Der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss mit der erwarteten starken Zunahme der Elektromobilität Schritt halten. Eine zu hohe Dichte ist in absehbarer Zeit nicht zu befürchten. Sonst würde der Markt automatisch regulieren.» An die Grenzen stossen lokale Bestrebungen laut Ragaller bei «raumrelevanten Themen» wie Wind- und Wasserkraft. «Hier braucht es von Kantonsseite Abklärungen und Grundlagen, mit denen private Planer arbeiten können. Nur im Zusammenspiel zwischen Privaten und dem Kanton sowie Fachstellen können solche Projekte erfolgreich sein.»

Markus Portmann, Geschäftsleiter der Krienser e4plus AG, die im Auftrag von Energie Schweiz die Fachstelle Energie-Region betreut, votiert stark für Projekte, die nach dem Bottom-up-Prinzip entstehen. «Alles, was von der Basis her wächst und in die richtige Richtung zielt, ist förderwürdig.» e4plus hat 13 Luzerner Gemeinden und die Biosphäre beim Label «Energiestadt» begleitet und unterstützt acht, die auf dem Weg dazu sind. Portmann begrüsst die Energiegenossenschaften der AKS. Sagt aber auch: Ist die angepeilte Anlage mal erstellt, lässt der Elan für neue Projekte oft nach. «Fördermodelle, wie sie die AKS betreibt, wären wirkungsvoller, würde die Förderung mehrere Projekte umfassen.»

Genossenschaften: Risiko des Stillstands ist gering

Christen von der AKS widerspricht: «Die Form der Genossenschaft verpflichtet die Initianten, mindestens jährlich eine Generalversammlung abzuhalten. Zudem geht das Kapital nicht verloren.» Das Risiko des Stillstands sei gering. Nach einer Pause seien nun beispielsweise in Ruswil und Willisau wieder neue Anlagen in Planung. «Besser, eine Genossenschaft baut nur eine, kleine Anlage, die sie dafür selber finanziell stemmen kann. Denn sobald fremdes Kapital ins Spiel kommt, ist die Wirtschaftlichkeit dahin.»

«Für langfristig erfolgreiche Projekte braucht es drei Akteurgruppen: die öffentliche Hand, Idealisten, die sich engagieren und Unternehmer, die profitieren.»

Markus Portmann,



Fachstelle Energie-Region

Die Erfahrung von Portmann, Fachstelle Energie-Region, zeigt: «Der Weg zu erneuerbarer Energie ist anspruchsvoll. Für langfristig erfolgreiche Projektinitiativen in den Regionen braucht es drei Akteurgruppen: die öffentliche Hand, Idealisten, die sich engagieren und Unternehmer, die direkt oder indirekt profitieren.» Privatinitiativen seien erfreulich. «Mittelfristig funktionieren sie aber nur, wenn auch die anderen Akteurgruppen mitziehen.»

Differenzierter sieht es das «Energie Team Surental & Region Sursee»: «Angesichts der finanziellen Lage ist aktuell eher von Gemeinden als vom Kanton Unterstützung zu erwarten», sagt Vereinspräsident Stefan Blum. Eine wichtige Rolle würden KMU spielen: «Je stärker ein Betrieb den strategischen Nutzen oder die Nachhaltigkeit gewichtet, desto eher gelingt die Umsetzung, etwa von E-Tankstellen oder Fotovoltaikanlagen. Steht der unmittelbare Profit im Vordergrund, werden viele Projekte ausgebremst.»

Portmann ist optimistisch, dass die Energiestrategie 2050 aufgeht, aber: «Für die Reduktion des CO2 um 20 Prozent haben wir 30 Jahre gebraucht, nun müssten wir innert etwas mehr als 10 Jahren 30 Prozent nachschieben. Eine Herkulesaufgabe.»

Tops und Flops lokaler Energiemodelle

Luzern zählt bislang drei Energie-Regionen, die – vom Bund unterstützt – erneuerbare Energien stärker nutzen wollen: die Seegemeinden, die Biosphäre Entlebuch und die Region Surental. Letztere umfasst die Gemeinden Geuensee, Schlierbach, Knutwil, Büron, Triengen und Schenkon und startete 2012 als eine von elf Pilotregionen. Als Surentaler Energie wollten die Gemeinden innert vier Jahren 100 neue Solaranlagen bauen. «Dieses Ziel haben wir spielend erreicht», sagt Beat Lichtsteiner, Geschäftsführer des Regionalen Entwicklungsträgers Sursee-Mittelland, der das Projekt koordiniert.

Das Surentaler Beispiel zeigt aber auch die Grenzen lokaler Bestrebungen auf: «Unsere Strombörse hat nur mittelmässig funktioniert.» Mit der inzwischen auf Eis gelegten Plattform wollte die Surentaler Energie Anbieter und Bezüger von Ökostrom zusammenbringen. «Hier hat uns der Markt überholt», sagt Lichtsteiner. «Da es immer anspruchsvoller wird, sich im Energiebereich als lokaler Player zu profilieren, setzen wir vermehrt auf Sensibilisierung.»

Das Modell des Anlagenstroms mit Bürgerbeteiligung wird inzwischen intensiv von der Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) AG verfolgt. «Eine 2018 durchgeführte Umfrage bei 10'000 Kunden zeigte: Die Nachfrage nach nachhaltig erzeugter Energie aus der Region ist da», so Mediensprecher Marcel Schmid. Kürzlich hat CKW «Mein Regiostrom» lanciert und auf dem Dach des Fussballstadions Kleinfeld in Kriens Panels installiert. Regiostrom ist für einen Durchschnittshaushalt rund 15 Prozent teurer als das Standardprodukt (Artikel vom 20. August 2018). «Die Luzerner Bevölkerung kann damit die Energiezukunft aktiv mitgestalten», sagt Schmid. «Übersteigt die Nachfrage den vorhandenen Solarstrom, bauen wir weitere Anlagen.»

Ähnlich gelagert war «Mein Solarstrom», bei dem sich die Bevölkerung an Solardächern in Willisau, Schüpfheim und Escholzmatt beteiligen konnte. «Die Panels waren im Nu ausverkauft», so Schmid. Ein Flop hingegen war das Projekt «Solarstrom macht Schule»: Damit entstanden zwar Anlagen auf Schuldächern von Gisikon, Emmen, Schüpfheim, Hitzkirch, Rain, Rickenbach, Triengen, Nebikon und Wikon, aber längst nicht in allen Gemeinden, wie zunächst angepeilt. (fi)