Der Auf- und Abstieg des Rainer E. Gut

ti. Der Klappentext des biografischen Buches, das aus der Feder der beiden Journalisten René Lüchinger und Erik Nolmans stammt, hält mit Lob nicht zurück: Rainer E. Gut, langjähriger Steuermann zunächst der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), später der CS Holding und zuletzt der

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ti. Der Klappentext des biografischen Buches, das aus der Feder der beiden Journalisten René Lüchinger und Erik Nolmans stammt, hält mit Lob nicht zurück: Rainer E. Gut, langjähriger Steuermann zunächst der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), später der CS Holding und zuletzt der Credit Suisse Group (CSG), wird als bedeutendster Bankier des Landes und als einflussreichster Schweizer Wirtschaftsführer der letzten dreissig Jahre bezeichnet. Die Lektüre des gut recherchierten und flüssig geschriebenen Buches vermittelt freilich ein differenzierteres Bild, wenn sich die beiden «Bilanz»-Autoren auch davor hüten, eine Bilanz des Wirkens von Rainer E. Gut zu ziehen.

Richtig in Fahrt kommt die Karriere des Bankmanagers mit den «Augen wie Eis» nach dem 1977 ausgebrochenen Chiasso-Skandal. Als einziges Mitglied der SKA-Generaldirektion ist Gut in keinerlei Weise mit den Geschehnissen um die Chiasso-Niederlassung der Grossbank in Verbindung zu bringen - und folgt dem in die Wüste geschickten Heinz R. Wuffli an der operativen Spitze der Bank nach. Nach einer langen und erfolgreichen Regenerationsphase, in der die Folgen der Chiasso-Affäre zu verdauen waren, schwenkt Gut, mittlerweile auch zum Verwaltungsratspräsidenten der Bank geworden, auf einen Expansionskurs ein. Neben dem Verfolgen globaler Ambitionen im Investmentbanking - bereits 1978 hat Gut eine Beteiligung an der Wall- Street-Bank First Boston durchgesetzt - treibt er an vorderster Front die Konsolidierung in der inländischen Bankenwelt voran. Mitte 1990 übernimmt die CS Holding die Bank Leu, die kleinste der fünf Grossbanken. Anfang 1993 jagen Gut und der frischgebackene Präsident der Generaldirektion, Josef Ackermann, der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) in letzter Minute die in Schieflage geratene Schweizerischer Volksbank ab. Im Herbst 1994 ist die Reihe an der Neuen Aargauer Bank (NAB), der damals grössten Regionalbank des Landes - die NAB-Minderheitsaktionärin SBG hat erneut das Nachsehen. Diese auf schiere Grösse und auf Marktanteilsgewinne ausgerichtete Expansionsstrategie steht zum einen für die hochgelobten Dealmaker-Qualitäten von Gut - er ist der «Konsolidierungsgewinner» der neunziger Jahre. Zum andern hat sie Integrationskosten in Milliardenhöhe zur Folge, die über lange Jahre auf die Ertragslage der Bank durchschlagen.

Ein Telefongespräch führt die Wende in der Karriere des Rainer E. Gut herbei. Am 1. April 1996 ruft er den in den Ferien weilenden Nikolaus Senn, Verwaltungsratspräsident der SBG, an und schlägt ihm eine Fusion der beiden Grossbanken vor. Senn, der hart von Martin Ebner bedrängt wird, fasst das unerwartete Angebot als Erpressungsversuch auf - die Öffentlichkeit erfährt davon. Dieser Flirt mit der SBG hat fatale Folgen: Zum einen verlässt Ackermann, der nicht in die Pläne Guts eingeweiht war, die Bank. Für ihn holt Gut mit Lukas Mühlemann einen ehemaligen McKinsey-Berater, der keinerlei Erfahrung im Bankgeschäft vorweisen kann. Der Rest ist jüngste Firmengeschichte: Der mit der Übernahme der «Winterthur» beabsichtigte Aufbau eines Allfinanzkonzerns misslingt, die 20 Mrd. Fr. teure Akquisition der Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jeanrette (DLG) auf dem Höhepunkt des Börsenbooms erweist sich als Fehlgriff, die aggressive, kulturell nie in die CSG integrierte Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB) wird zu einem Bleigewicht für die gesamte Gruppe. Besonders bitter: Mühlemann, Ziehsohn und designierter Nachfolger Guts, muss Ende 2002 seinen Sessel räumen. Sein Mentor, seit Mai 2000 nur noch Ehrenpräsident des CSG- Verwaltungsrats, kann nichts mehr für ihn tun.

René Lüchinger, Erik Nolmans: Rainer E. Gut: Bankier der Macht. Anatomie einer Karriere. Jean Frey AG, Bilanz. Zürich 2003. 327 S., Fr. 39.-.