Der legendäre Ausstellungskurator Christoph Vitali ist gestorben

Der Zürcher Kurator hat in Frankfurt und München und zuletzt in der Fondation Beyeler in Riehen aufsehenerregende Ausstellungen realisiert.

Roman Bucheli
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Der Ausstellungskurator Christoph Vitali neben Skulpturen von Alberto Giacometti.

Der Ausstellungskurator Christoph Vitali neben Skulpturen von Alberto Giacometti.

NZZ

Wo er hinkam, sah man ihn, weil er unübersehbar war. Er überragte alle um einen Kopf. Wie ein Strich stand er im Raum. Vielleicht hatte es mit dieser naturgegebenen Grösse zu tun, dass Christoph Vitali nie auftrumpfen musste. Er stand da und strahlte Ruhe und Kompetenz aus. Und vielleicht fühlte er sich in der Welt der Kunst umso mehr zu Hause, als er von Hause aus eigentlich Jurist war. Aber die Kunst war ihm trotzdem irgendwie in die Wiege gelegt worden. 1940 in Zürich als Sohn eines Bildhauers und einer Lehrerin geboren, studierte Christoph Vitali Rechtswissenschaft und erwarb Ende der sechziger Jahre das Anwaltspatent im Kanton Zürich. Gleich nach dem Studium wurde er Mitarbeiter beim Kulturamt der Stadt Zürich, dessen Leitung er in den bewegten Jahren von 1971 bis 1978 innehatte.

Aber Zürich war nur der Anfang und das Sprungbrett zu einer brillanten Karriere. 1979 übernahm Vitali die Leitung der Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main und wechselte sechs Jahre später von der Bühne zur Kunst: Er wurde 1985 erster Direktor der neu eröffneten Kunsthalle Schirn und erfand in dieser Funktion die Nacht der Museen. Damit öffnete er die elitäre Institution «Kunstmuseum» für ein breiteres und neu durchmischtes Publikum. Zu seinen grössten Erfolgen zählten hier 1990 die Kandinsky-Retrospektive, die fast 200 000 Besucher verzeichnete, und die Chagall-Schau von 1992.

1994 wechselte Vitali nach München, wo er nun fast zehn Jahre lang das Haus der Kunst leitete und abermals wegweisende Ausstellungen realisierte. Nach einem Zerwürfnis mit Hans Zehetmair, dem bayrischen Kunstminister, wurde Vitalis Vertrag überraschend nicht mehr verlängert. Das eröffnete ihm die Chance zur Rückkehr in die Schweiz und ermöglichte die Berufung an ein Haus mit eigener Sammlung: Im April 2003 wurde Christoph Vitali Direktor der Fondation Beyeler in Riehen. Doch Vitali musste ein Haus übernehmen, dem gerade drastische Sparmassnahmen verordnet wurden. Sie zwangen ihn zur Reduktion von Budget und Personalbestand.

Um die Finanzen wieder ins Gleichgewicht zu bringen, setzte Vitali vermehrt und mit Erfolg auf grosse Publikumsausstellungen. So zeigte er 2005 eine umfassende Magritte-Retrospektive, was umso bemerkenswerter war, als die Fondation über kein einziges eigenes Magritte-Bild verfügte. Wie erst jetzt bekanntwurde, ist Christoph Vitali bereits am 18. Dezember in Zürich gestorben. Die Kunstwelt verliert in ihm einen legendären Ausstellungsmacher.