Der lange Arm des Kremls

Russland hat mit RT eine Plattform aufgebaut, die sich bei den Unzufriedenen im Westen Gehör zu verschaffen versucht. Eine Studie zeigt die Strategien des mehrsprachigen Organs auf.

Joseph Croitoru
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RT unterhält auch eine Ausgabe für die USA. (Bild Imago)

RT unterhält auch eine Ausgabe für die USA. (Bild Imago)

Dass Russland seinen Einfluss in der Welt mit eigenen wie auch ihm zuarbeitenden Medien geltend zu machen versucht, wird im Westen mit steigender Aufmerksamkeit verfolgt. Als wichtigster medialer Arm des Kremls im Ausland gilt der mehrsprachige Fernsehsender RT, der zugleich ein Nachrichtenportal ist. Obwohl RT wegen seiner manipulativen Berichterstattung regelmässig für Kritik und bisweilen auch für manch diplomatischen Streit sorgt, ist das Medium bisher nicht systematisch untersucht worden. Einen ersten Versuch in diese Richtung hat kürzlich der Prager Think-Tank Europäische Werte unternommen.

2005 von einer Gruppe tschechischer Intellektueller gegründet, dokumentiert und analysiert die Nichtregierungsorganisation die auswärtige Medienpolitik Moskaus, mit der sich besonders das 2013 gestartete «Kreml Watch»-Programm befasst. In der dazugehörigen Publikationsreihe ist auch der nun von Monika L. Richter vorgelegte 50-seitige englischsprachige Bericht mit dem Titel erschienen: «Die Kreml-Plattform für ‹nützliche Idioten› im Westen: Ein Überblick über die redaktionelle Strategie von RT und Belege für seine Wirkung».

Durchbruch im Georgienkrieg

RT ging aus seinem Vorgänger Russia Today hervor, der 2005 von Moskau als Korrektiv zur westlichen Berichterstattung über Russland lanciert worden war. Russia Today fristete in den ersten Jahren ein Schattendasein, bis ihm im Georgienkrieg im August 2008 der internationale Durchbruch gelang: Obwohl höchst tendenziös, übernahmen im Westen manche Medien seine Darstellung der georgischen Regierung als der eigentlichen Aggressorin im Konflikt mit den von Russland unterstützten separatistischen Republiken Südossetien und Abchasien. Übernommen wurden indes nicht die russischen Falschinformationen, wie etwa über einen «Völkermord» der Georgier an den Separatisten. Fake-News waren schon damals eine der erkennbaren redaktionellen Strategien des Senders, der damit an die Methoden der einstigen sowjetischen Informationspolitik anknüpfte.

Am kurzfristigen medialen Erfolg im Georgienkrieg lag es denn auch, dass sich die Berichterstattung des Senders bereits 2009, worauf auch die damals vorgenommene Namensänderung hinwies – von Russia Today blieb nun nur noch das vertraute Kürzel RT –, sukzessive auf das Geschehen ausserhalb Russlands verlagerte. Tatsächlich wurden beim RT russländische Angelegenheiten immer mehr zur Nebensache, als er neben der seit 2007 betriebenen arabischsprachigen Version bald weitere Ableger im Westen einrichtete – in Spanien (2009), den USA (2010), Grossbritannien und Deutschland mit RT Deutsch (2014) sowie in Frankreich mit einem Portal (2015). Letztgenanntes soll in den kommenden Wochen auch einen eigenen Satellitensender erhalten, mit dem frankofone Zuschauer weltweit angesprochen werden sollen – auch in der Schweiz.

Gegen den «Mainstream»

RT unterhält heute 21 Büros in 16 Ländern und behauptet, über seine Fernsehsender, die Internetauftritte und die sozialen Netzwerke rund 700 Millionen Personen zu erreichen, was die Autorin Monika Richter allerdings für weit übertrieben hält. Die Aufblähung der Zahlen solle nicht zuletzt die weitere Finanzierung von RT durch die russische Regierung sichern, die momentan rund 310 Millionen Dollar pro Jahr beträgt. Was die Intention des Senders betrifft, so heisst es etwa in der Selbstdarstellung von RT Deutsch, es werde «einem einseitigen und oft interessengetriebenen Medien-Mainstream ein Gegenstandpunkt gesetzt».

Was damit jedoch wirklich gemeint ist, bleibt freilich unausgesprochen. Denn RT begnügt sich längst nicht damit, die Sicht der einflussreichsten westlichen Medien auf Russland durch Gegendarstellungen zu widerlegen. Darüber hinaus wird auch das Ziel verfolgt, die demokratische Medienkultur des Westens als solche infrage zu stellen. Man präsentiere sich, so Monika Richter, als Gegner des Establishments, das der ständigen Manipulation bezichtigt werde. Damit gehe nicht nur der häufige Griff von RT zu Verschwörungstheorien einher. Seinen Nutzern werde auch suggeriert, dass es objektive und durch Fakten untermauerte Wahrheiten niemals geben könne, mithin auch keine unvoreingenommene Berichterstattung. Dahinter steckt laut der Autorin die Absicht, das Vertrauen der Bürger der anvisierten Länder in ihre Regierungen – speziell auch in die Europäische Union – zu erschüttern.

«Nützliche Idioten»

So zeigt sich RT in seinen Berichten konsequent als antiwestlich und antiamerikanisch und vermittelt stets den Eindruck, dass sich Europa und die USA im Niedergang befänden. Es wird, laut dem Bericht der NGO Europäische Werte, denn auch nur entsprechend gepoltes ausländisches Personal angeworben. Die Rekruten, ob vom linken oder rechten Rand kommend, einen die gegenüber dem Westen kritische Haltung und oft auch der Glaube, dass sie über RT Einfluss auf die politischen Debatten in ihrem Land nehmen könnten.

Neben solchen Mitarbeitern versteht man es beim russischen Sender auch noch, ausländische Medienleute für sich zu gewinnen, die in ihrer Heimat über eine gewisse Prominenz verfügen und deshalb von der Autorin als «nützliche Idioten» bezeichnet werden. Amerikanische Fernsehgrössen wie Larry King, Ed Schultz oder der frühere Nahost-Korrespondent der «New York Times», Chris Hedges, moderieren beim RT America eigene Talkshows – Kapitalismus-Kritiker Hedges beispielsweise präsentiert die Sendung «On Contact», die laut Selbstdarstellung des Senders «Stimmen von Dissidenten» zu Gehör bringe. Nicht nur solche Journalisten, so die Kritik aus Prag, verschafften dem Sender durch ihre aktive Mitarbeit Respekt. Auch zahlreiche Politiker, Medienleute und Intellektuelle trügen durch ihre Auftritte als Studiogäste bewusst oder auch indirekt dazu bei, die propagandistischen Absichten von RT zu verschleiern und den Sender salonfähig zu machen.

In der Rolle des Verfolgten

Kritik an dieser Strategie wie auch an den Sendungen wissen die russischen Verantwortlichen indes ins Gegenteil zu verkehren. Regelmässig werden die Regierungen der betreffenden Länder beschuldigt, die Meinungsfreiheit – als deren Beschützer wie auch als Bewahrer christlicher Werte sich die russische Sendeanstalt inszeniert – einschränken zu wollen, besonders auch bei Themen, die Russland betreffen. Am besten gefällt sich RT in der Rolle des politisch Verfolgten, als Opfer des angeblich repressiven westlichen Strebens nach Weltmacht.

Umstrittene Reichweite

Über die tatsächliche Reichweite der verschiedenen Fernsehsender von RT kann auch Monika Richter keine klaren Aussagen machen. Hingegen lässt sich zumindest die Zahl seiner Sympathisanten bei Facebook und Twitter einschätzen. Mit 5 bzw. 3 Millionen Followern dürfte er nur leicht vor dem Nachrichtensender Euronews liegen, aber weit hinter dem US-Sender CNN (28 bzw. 37 Millionen).

Für die Prager Kritiker, die daheim mit etlichen äusserst aktiven prorussischen Newsportalen zu kämpfen haben, ist auch das schon zu viel. Von der EU, die RT schon vor einem Jahr offiziell zu einem der Agenten der globalen Desinformationskampagne Russlands erklärt hat, fordern sie eine härtere Gangart gegen die Kreml-Propagandisten. Und auch mehr finanzielle Mittel für das aus ihrer Sicht unterbesetzte zehnköpfige Brüsseler Expertenteam East StratCom Task Force, das wöchentlich seine «Disinformation Review» veröffentlicht – seit August auch auf Deutsch.