Der pensionierte NZZ-Auslandredaktor Jürg Dedial ist tödlich verunglückt

Der langjährige Auslandredaktor der NZZ ist am Wochenende zusammen mit seiner Frau Verena verunglückt. Beide gehörten zu den Insassen des bei Flims abgestürzten Flugzeugs Ju-52.

Peter Rásonyi
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Jürg Dedial (Bild: NZZ)

Jürg Dedial (Bild: NZZ)

Es gehört zum Leben, dass immer wieder Dinge geschehen, die man kaum glauben mag. Am Wochenende hat die Redaktion der NZZ die traurige Nachricht ereilt, dass ihr langjähriges Mitglied Jürg Dedial zu den Opfern des Flugzeugabsturzes bei Flims gehört. Zusammen mit seiner Ehefrau Verena, einer ehemaligen Gymnasiallehrerin, war er an dem sonnigen Sommertag in dem Oldtimer-Flugzeug über die Berge geflogen und abgestürzt. Am Montagabend wurde die Identität des Ehepaars von den Behörden bestätigt. Immerhin, so kommt der spontane Gedanke, war Jürg Dedial in seiner letzten Stunde den geliebten Bergen nahe, die er in zahllosen Wanderungen erkundet hatte. Manche von diesen Ausflügen hatte der vielseitig begabte Auslandredaktor den NZZ-Lesern durch lange Reportagen nicht nur in Worten, sondern mitsamt Zeichnungen nähergebracht, die er in seinem Skizzenheft von den Bergen mitgebracht hatte.

Es fällt jenen Kollegen auf der Redaktion, die mit dem 2012 mit 65 Jahren in Rente gegangenen Jürg Dedial zusammengearbeitet hatten, das Wissen um das Unglück besonders schwer, weil bisher noch kaum ein Kollege mit derart grosser Lebenskraft, Frische und Jugendlichkeit nach fast 35 Jahren von der Zeitung Abschied genommen hat. Dedial war eine auffällig starke Persönlichkeit, stolz in sich ruhend und gleichzeitig stets vor Energie und Mitteilsamkeit sprühend. Die journalistische Neugierde, der Drang, etwas zu erleben, die Leidenschaft für den Traumberuf waren nie erloschen. Er liebte es, jüngeren Kollegen die Dinge zu erklären oder Geschichten aus seinem immensen Wissensschatz zu erzählen, dabei stets von seinem pädagogischen Flair und seiner grossen menschlichen Freundlichkeit motiviert, nie vom Überlegenheitsgefühl des stellvertretenden Ressortleiters.

Jürg Dedial oder de., wie er den meisten NZZ-Lesern mit dem früher gebräuchlichen Autorenkürzel wohl noch besser bekannt sein dürfte, hat fast seine ganze berufliche Karriere auf der Auslandredaktion in Zürich verbracht. 1977 trat er in die NZZ ein, nachdem er nach abgeschlossenem Studium der Geschichte und Geografie an der Universität Zürich zunächst während einiger Jahre als Gymnasiallehrer gearbeitet hatte. Anfangs führten ihn viele Reisen ins südliche Afrika, später kamen weitere Interessen- und Reisegebiete hinzu: die USA, Skandinavien, die Benelux-Länder, die transatlantischen Beziehungen und mit besonderer Hingabe immer wieder Deutschland.

Der beim Absturz einer Ju-52 tödlich verunglückte frühere Auslandredaktor Jürg Dedial hat zu seinen Artikeln immer wieder auch eigene Illustrationen beigesteuert. Diese Zeichnung erschien zur Reportage «Löcher, die selbst der Schnee nicht zudeckt», Beilage Wochenende, 11./12. März 1978.
16 Bilder
Spuren der Zivilisation: Schotterloch und Starkstromleitung bei Edlibach ZG. Illustration zu «Löcher, die selbst der Schnee nicht zudeckt», Beilage Wochenende, 11./12. März 1978. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Die stillen Findlinge aus der Innerschweiz. Illustration zu «Löcher, die selbst der Schnee nicht zudeckt», Beilage Wochenende, 11./12. März 1978. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Zwischen Maschwanden und Obfelden. Illustration zu «Löcher, die selbst der Schnee nicht zudeckt», Beilage Wochenende, 11./12. März 1978. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Illustration zu «Löcher, die selbst der Schnee nicht zudeckt», Beilage Wochenende, 11./12. März 1978. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Das Woermannhaus, Illustration zu «Swakopmund, eine wilhelminische Fata Morgana in der Wüste Namib», Beilage Wochenende, 2./3. Mai 1981. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Die evangelisch-lutherische Kirche von Swakopmund, Illustration zu «Swakopmund, eine wilhelminische Fata Morgana in der Wüste Namib», Beilage Wochenende, 2./3. Mai 1981. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Das einstige Hotel zum Fürsten Bismarck, Illustration zu «Swakopmund, eine wilhelminische Fata Morgana in der Wüste Namib», Beilage Wochenende, 2./3. Mai 1981. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Die alte Bahnlinie nach Walfisch-Bai, Illustration zu «Swakopmund, eine wilhelminische Fata Morgana in der Wüste Namib», Beilage Wochenende, 2./3. Mai 1981. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Der Hamilton-Turner-Inn in Savannah, Illustration zu «Savannah – die schönste aller Southern Belles», Beilage Tourismus, 16. November 2000. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Die Laurens Street in Beaufort, Illustration zu «Aschenbrödel zwischen Diva und Mätresse», Beilage Tourismus, 20. März 2003. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Lischana, eine Hochebene im Engadin, Beilage Tourismus, 15. Juni 2000. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Aufstieg zur Lischana, Piz San Jon, Beilage Tourismus, 15. Juni 2000. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Illustration zum Artikel «Ermattet in Zermatt», Beilage Tourismus, 29. Juli 2004. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Tierwang mit Eiger, Beilage Tourismus, Donnerstag, 4. August 2005. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)
Feiertagswetter in Surlej, Beilage Reisen und Freizeit, 7. Juni 2007. (Illustration: Jürg Dedial / NZZ)

Der beim Absturz einer Ju-52 tödlich verunglückte frühere Auslandredaktor Jürg Dedial hat zu seinen Artikeln immer wieder auch eigene Illustrationen beigesteuert. Diese Zeichnung erschien zur Reportage «Löcher, die selbst der Schnee nicht zudeckt», Beilage Wochenende, 11./12. März 1978.

Das Ende der Ära Kohl und des politischen Zentrums der Bundesrepublik in Bonn beobachtete er stets mit einem Blick nicht nur für die grosse Politik, sondern auch für die Menschen und deren Lebensverhältnisse. Legendär ist eine Reportage aus dem wiedervereinigten Berlin, die ihn über zwei Tage auf Wanderschuhen durch die neue Hauptstadt führte und so den Blick auch auf die kleinen Dinge und Unterschiede des Lebensalltags in der erst mühsam zusammenwachsenden Metropole öffnete.

Dedials Kommentare und Leitartikel zeugten von einem äusserst sorgfältigen Umgang mit der Sprache, der, ein Markenzeichen des Autors, gerne in filigranen Stabreim-Titeln gipfelte. Unverständlicher akademischer Jargon war ihm ebenso ein Greuel wie das Einschleichen von Anglizismen in die deutsche Sprache. Inhaltlich forderte er in der liberalen Tradition des Blattes konkrete Massnahmen statt hochfliegende Visionen von den Politikern.

Doch de. wäre nicht de. gewesen, hätte er sich mit dem Studium der grossen Weltpolitik begnügt. Detailgetreu vermochte er die Stärken und Schwächen neuer Waffensysteme ebenso gut zu erklären wie die technischen Eigenschaften amerikanischer Weltraumraketen. Die Technikbegeisterung des ehemaligen Flugschülers wurde so auch für die Leserschaft der NZZ fruchtbar.

Was Jürg Dedial definitiv zum einzigartigen Auslandredaktor in der Geschichte der NZZ machte, war aber noch etwas ganz anderes. 1982 gelang dem leidenschaftlichen Töfffahrer das Kunststück, dem damaligen Chefredaktor eine regelmässige Kolumne für Motorradtests abzuringen. Und so war de. nicht nur an seinem Schreibtisch an der Falkenstrasse anzutreffen, sondern auch auf den Test- und Rennstrecken der grossen Motorradmarken der Welt. Immer wieder fand sich in der Zeitung ein Bild des grossgewachsenen, schlanken Kollegen in Lederkombi und Helm auf einem imposanten Flitzer. So vermochte de. eine private Passion in eine berufliche Leidenschaft überzuführen – er hatte stets mehrere liebevoll gepflegte Boliden auf zwei Rädern in seiner Garage stehen.

Jürg Dedial hatte das Privileg, noch zu der Generation von Journalisten zu gehören, die den einschneidenden Strukturwandel in der Branche eher aus der Beobachterperspektive als am eigenen Leib erfahren hat. So konnte er sich als Journalist alter Schule dem Beruf noch vergleichsweise ungestört mit Leidenschaft, Kreativität und einer Vielseitigkeit widmen, wie sie jüngere Kollegen als vorbildhaft in Erinnerung halten.