Die Regierung Orban legt nach

Ungeachtet der Proteste rund um die Hochschulreform legt die Regierung Orban mit dem Gesetz über ausländisch finanzierte NGO die nächste umstrittene Reform vor. Sie gleicht der Regelung in Russland.

Meret Baumann, Wien
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Die Proteste bleiben wirkungslos. (Bild: Zoltan Balogh / AP)

Die Proteste bleiben wirkungslos. (Bild: Zoltan Balogh / AP)

Die Massenproteste gegen das oft als «Lex CEU» bezeichnete Gesetz zur Regelung von ausländischen Hochschulen, an denen allein am Sonntag gegen 80 000 Personen auf Budapests Strassen teilgenommen haben, sind wirkungslos geblieben. Ungarns Staatspräsident Janos Ader hat am Montagabend das vom Parlament letzte Woche verabschiedete Gesetz unterzeichnet. Er habe die Vorlage eingehend geprüft und sei zum Schluss gekommen, dass sie weder gegen die Verfassung noch gegen internationales Recht verstosse, liess er verlauten. Die renommierte Central European University (CEU) sieht mit der Reform jedoch ihren Fortbestand in Budapest in Gefahr. Sie macht einen Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot geltend. Kritisch hatten sich auch das amerikanische Aussenministerium, der deutsche Bundespräsident und Brüssel geäussert.

Wie Russland und Israel

Die Regierung lässt sich davon nicht beeindrucken, im Gegenteil. Sie hatte Ende letzter Woche bereits die nächste brisante Vorlage ins Parlament gebracht. Es handelt sich dabei um das von der Regierungspartei Fidesz bereits im Januar angekündigte Gesetz über Nichtregierungsorganisationen (NGO), die aus dem Ausland finanziell unterstützt werden. Über den konkreten Inhalt war lange spekuliert worden. Laut dem nun vorliegenden Entwurf müssen sich Organisationen, die umgerechnet mehr als 25 000 Franken im Jahr von ausländischen Gebern erhalten, gerichtlich registrieren lassen. Sie haben sich im Internet, in Pressemitteilungen und in allen übrigen Publikationen sodann als «aus dem Ausland unterstützte Organisation» auszuweisen – entsprechend ähnlichen Gesetzen, die in Russland seit 2012 und in Israel seit letztem Jahr gelten.

Die Regierung begründet den Schritt mit dem Kampf gegen Geldwäscherei und damit, dass die Finanzen von in Ungarn Einfluss nehmenden Akteuren transparent sein müssten. Ministerpräsident Viktor Orban hatte im Januar erklärt, die Öffentlichkeit habe ein Recht, zu erfahren, wer diese Akteure seien und wer sie bezahle. Deutlicher war damals Szilard Nemeth, ein Vizechef des Fidesz. Er sagte in einem Interview, Organisationen, die aus dem Ausland Geld erhielten und Kritik an der Regierung übten, seien mit allen Mitteln zurückzudrängen und müssten «aus dem Land gefegt» werden. Das gelte insbesondere für jene, die vom ungarisch-amerikanischen Investor George Soros unterstützt würden.

Die letzten Kritiker

Die Regierung hatte bereits im Jahr 2014 einen Versuch unternommen, NGO zu disziplinieren – sind diese doch inzwischen ihre lautesten Kritiker. Transparency International etwa prangert immer wieder die Korruption im Umfeld des Regierungschefs an, und das Helsinki Komitee erwirkte mehrere Urteile gegen das strikte ungarische Asylrecht. Orban sieht darin allerdings den Angriff eines internationalen Netzwerks auf den ungarischen Staat mit dem Ziel, Grenzen und Nationen überflüssig zu machen. Dies hat er erst vor einer Woche wieder in seinem regelmässigen Interview im öffentlichrechtlichen Radio erklärt. Es seien Theorien, die in den «Soros-Werkstätten» entstanden seien.

Rund 80 000 Menschen haben in Budapest gegen Pläne der Regierung demonstriert, die renommierte Central European University zu schiessen. Es war eine der grössten Kundgebungen gegen Ministerpräsident Viktor Orban seit drei Jahren. (Bild: Laszlo Balogh / Reuters)
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Diese Demonstrantin fordert die Wahrung der akademischen Freiheiten in Ungarn. An der Kundgebung beteiligten sich gegenwärtige und ehemalige Studenten, Lehrkräfte sowie Unterstützer. (Bild: Bernadett Szabo / Reuters)
Der aus Ungarn stammende George Soros (Bild von 2009) hatte die Central European University (CEU) im Jahr 1991 in Budapest gegründet. An der angesehenen Hochschule studieren rund 1800 Studenten aus etwa hundert Ländern. (Bild: Bela Szandelszky / AP)
Die Universität sieht ihre Existenz durch einen unlängst vom Parlament verabschiedeten Gesetzesentwurf bedroht. Dieser erschwert es Universitäten mit Hauptsitz ausserhalb der EU, ungarische Abschlüsse zu verleihen. (Bild: Bernadett Szabo / Reuters)
Zudem soll vorgeschrieben werden, dass ausländische Universitäten in Ungarn auch einen Campus in ihrem Heimatland haben müssen. Die CEU ist in den USA registriert, unterhält dort aber keine Lehranstalt. (Bild: Laszlo Balogh / Reuiters)
Teilnehmer der Demonstration vom Sonntag zünden Kerzen an. Kritiker werten den Gesetzesentwurf der Regierung als Versuch, die Universität des Orban-Kritikers Soros aus Ungarn zu vertreiben. Kritik an dem Vorhaben kam unter anderem aus Washington und Brüssel. (Bild: Janos Marjai / EPA)
«I want a future», steht auf dem Transparent dieser Studentin. Auch mehr als 900 Akademiker aus aller Welt unterzeichneten einen Protestbrief. Das Gesetz tritt erst mit der Unterschrift des ungarischen Präsidenten in Kraft. (Bild: Bernadett Szabo / Reuters) Zum Artikel

Rund 80 000 Menschen haben in Budapest gegen Pläne der Regierung demonstriert, die renommierte Central European University zu schiessen. Es war eine der grössten Kundgebungen gegen Ministerpräsident Viktor Orban seit drei Jahren. (Bild: Laszlo Balogh / Reuters)

Soros unterstützt über seine Open Society Foundations (OSF) seit den 1980er Jahren diverse Organisationen der ungarischen Bürgergesellschaft. Transparency International und das Helsinki Komitee gehören dazu, aber auch weitere NGO, die der Regierung ein Dorn im Auge sind. Orban hat deshalb bereits vor zwei Jahren begonnen, den Milliardär als eine Art Staatsfeind aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist das NGO-Gesetz zu sehen, aber auch das Vorgehen gegen die CEU, die 1991 von Soros gegründet worden war.

OSF hat den Gesetzesentwurf in einer Stellungnahme als weiteren Schritt bezeichnet, kritische Stimmen in Ungarn zum Schweigen zu bringen. Scharfe Kritik übte auch Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation verglich die Vorlage direkt mit der in Russland geltenden Regelung. Sie diskreditiere NGO und schüchtere diese ein.