Tiere - die oft vergessenen Opfer von Hurrikans

«Irma» wütete in Florida, «José» zog vorbei und «Maria» ist im Anzug. Während den Stürmen bleiben Tiere oft sich selbst überlassen. Die einen werden gerettet, andere sorgen für sich selber. Und manche überleben nicht, wie das «Ungeheuer» von Texas.

Manuela Nyffenegger
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Als der Hurrikan «Irma» vor rund zehn Tagen Kurs auf Florida nahm, setzte im amerikanischen Gliedstaat die grosse Flucht an. Meilenweit stauten sich auf den Autobahnen die Autokolonnen von Einwohnern, die sich in Sicherheit bringen wollten. Viele nahmen ihre Tiere mit.

In Key West brachte ein Besitzer seine Hähne fein säuberlich in Zeitungspapier gewickelt aus der Gefahrenzone. (Bild: Twitter)

In Key West brachte ein Besitzer seine Hähne fein säuberlich in Zeitungspapier gewickelt aus der Gefahrenzone. (Bild: Twitter)

Andere, vor allem Personen, die in Schutzunterkünften einquartiert wurden, liessen ihre Haustiere freiwillig oder unfreiwillig zurück. Zum Teil wurden Hunde angebunden oder in Käfige gesperrt - wohl um zu verhindern, dass sie im Sturm davonlaufen würden. Tierfreunde waren über solches Verhalten empört und brachten gefundene Tiere zu Sammelstellen. Dutzende von Organisationen nahmen verwaiste Hunde und Katzen auf, im Palm Beach County innerhalb von zwei Tagen 50 Haustiere.

(Bild: Youtube)

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(Bild: Instagram/urgentdogsofmiami)

Tierschützer helfen und wollen klagen

Tiere, vor allem Haustiere, haben generell eine starke Lobby –Katastrophen sind auch die hohe Zeit der Tierschützer. Zahlreiche regionale, nationale und internationale Organisationen kümmern sich um die «vergessenen Opfer von Katastrophen». Im Palm Beach County war die Gruppe Animal Care aktiv. Deren Direktorin will nun gegen Besitzer, die ihre Tiere zurücklassen, rechtlich vorgehen. Die Vierbeiner würden nicht einfach daheim gelassen, sondern draussen angebunden. Dabei reiche bei hohen Windgeschwindigkeiten schon ein wenig Sand, um die Tiere zu verletzen. Dies sei ein Musterbeispiel von Tierquälerei, erklärte auch Floridas Staatsanwalt Dave Aronberg.

Für Tiere in Zoos wird gesorgt

Auch Zoos und Tierparks hatten alle Hände voll zu tun. Der Zoo in Miami brachte seine gesamte Flamingo-Population in ein sturmsicheres Gebäude, wie in einem BBC-Video zu sehen ist.

Im Umfeld des Tierparks Gatorland in Orlando, wo rund 2000 Krokodile leben, zeigten sich die Einwohner besorgt. Sie befürchteten, dass die zum Teil über vier Meter langen Reptilien ebenso wie viele Schlangen plötzlich im Siedlungsgebiet auftauchen könnten. Doch der Park beschwichtigte: Das Areal sei durch einen doppelten 2.40 Meter hohen Zaun geschützt, Schlangen würden in Säcken in abgeschlossenen Behältern in einem Gebäude aufbewahrt. Allerdings waren die Einwohner damit nicht unbedingt in Sicherheit: Im Gliedstaat Florida leben über eine Million Krokodile in der Wildnis.

Das Krokodil vor der Haustüre in Texas. (Bild: FBCSO via Twitter)

Das Krokodil vor der Haustüre in Texas. (Bild: FBCSO via Twitter)

Im August hatte ein anderer Tropensturm bereits Texas heimgesucht. Auch dort waren Krokodile ein Grund zur Besorgnis gewesen. Die Behörden warnten die Bevölkerung, die Krokodile würden bei einer Überschwemmung erhöhte Stellen suchen. Man solle sie einfach in Ruhe lassen, bis das Wasser zurückgehe. Aus einem texanischen Tierpark konnten dann tatsächlich 30 von 350 Tieren entwischen. Zu Schadensmeldungen kam es jedoch nicht.

Wildtiere haben Glück - oder Pech

So wie die Krokodile, die ohne menschliche Hilfe überleben, sorgten auch zahlreiche andere Tiere während den Stürmen für sich selber. Sie suchten Schutz an verschiedensten Orten und fanden ihn oft auch. Ein Papgageienpärchen duckte sich im 22. Stock eines Hochhauses in Miami gegen die Fensterscheibe und wartete dort auf besseres Wetter.

Hunde und Katzen krochen in Nischen oder versteckten sich unter Brettern und Trümmern. Vögel flogen dem Sturm davon in sicherere Gefilde.

Doch es gab auch Verlierer in der Tierwelt. Einer von ihnen war ein etwas grauslig anmutendes Wesen, das eine Frau namens Preeti Desai am Strand von Texas antraf und ein Bild davon zwecks Identifikation über Twitter verbreitete. Die Experten meldeten sich und beantworteten - nach wilden Spekulationen der breiten Öffentlichkeit - die Frage: Es war ein Fisch aus der Familie der Schlangen-Aale, höchstwahrscheinlich ein Exemplar namens Aplatophis chauliodus. Der Fisch wird knapp einen Meter lang und lebt normalerweise in bis zu 100 Metern Tiefe im Meer. Der Hurrikan «Harvey» hatte ihn vermutlich an Land geworfen.

Dieses unbekannte Wesen wurde am Strand von Texas gefunden. (Bild: Twitter/Preeti Desai)

Dieses unbekannte Wesen wurde am Strand von Texas gefunden. (Bild: Twitter/Preeti Desai)

Ein weit grösseres Tier geriet durch «Irma» in Schwierigkeiten. Manatees - zu deutsch Rundschwanzseekühe - leben in seichten Gewässern wie Seen, Flüssen oder Meeresbuchten und sind geschützt. Es gibt nur noch etwa 5000 Exemplare in Florida. Manatees sind entfernte Verwandte der Elefanten. Mit ihrem Gewicht von bis zu 500 Kilogramm und den fehlenden Hinterbeinen können sie sich an Land kaum bewegen.

(Bild: Twitter/ActionNewsJax)

(Bild: Twitter/ActionNewsJax)

Am 10. September 2017 war «Irma» noch rund 100 Meilen von Tampa entfernt, doch der nahende Sturm sog bereits das Wasser aus den Buchten ab - so auch aus der Sarasota Bay, wo Manatees leben. Zwei der grossen Säuger blieben in Tümpeln gefangen und konnten sich nicht mehr frei bewegen.

Da das Manatee auch das offizielle Meerestier von Florida ist, wurden die Behörden aktiv. Da man das Tier nicht aus dem Wasser hieven konnte, organisierte man grosse Planen und zog die Manatees so in tieferes Gewässer. Die Rettung gelang, die Manatees waren wieder in ihrem Element.

Eines der beiden in der Sarasota Bay bei Tampa gestrandeten Manatees.

Eines der beiden in der Sarasota Bay bei Tampa gestrandeten Manatees.