Die Dealmaker: Berisha und Haas haben den Verkauf der Grasshoppers nach China eingefädelt und führen den Klub nun

Shqiprim Berisha und Samuel Haas sollen mit chinesischem Geld das neue GC aufbauen – wie machen sie das?

Flurin Clalüna
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Quasi als Dankeschön neu im GC-Chefbüro: Shqiprim Berisha (links) und Samuel Haas.

Quasi als Dankeschön neu im GC-Chefbüro: Shqiprim Berisha (links) und Samuel Haas.

Christoph Ruckstuhl / NZZ

Es muss eine Art Triumphmarsch gewesen sein, als Shqiprim, «Jimmy», Berisha, 38, und Samuel Haas, 32, vor rund drei Wochen im Trainingszentrum der Grasshoppers vorfahren und ihr Chefbüro beziehen. Sie sind die zwei jungen Männer, denen gelungen ist, woran alle vor ihnen jahrelang gescheitert sind: Für GC einen Investor zu finden. Zehn Jahre lang will die Chinesin Jenny Wang nun Geld in die Grasshoppers investieren. Ohne ihr Talent als Dealmaker wäre vermutlich niemand auf die Idee gekommen, Berisha zum General Director und Haas zum Generalsekretär bei GC zu machen. Ihre Jobs sind quasi das Dankeschön für ihr Verhandlungsgeschick.

Bereits vor vier Jahren sind sie ohne Mandat von GC auf Investorensuche gegangen. Sie traten in dieser Zeit auch schon mit anderen Investoren an den Klub heran, aus Kosovo oder Deutschland. Geklappt hat es erst mit Jenny Wang. Im September 2019 trafen sie Wang zum ersten Mal. Haas sagt: «Es ist für uns eine Ehre, dass Jenny Wang mit uns weiterarbeiten will. Das Vertrauen in uns ist sehr gross.» Der Gartenbauunternehmer und langjährige GC-Financier Heinz Spross erzählt, zuerst sei er skeptisch gewesen. Chinesen? Wirklich? Spross kennt Berisha und Haas aus seinen Gönnerklubs. Jetzt sagt er: «Es ist die beste Lösung, die man haben kann. Warum Berisha und Haas zu ihren Jobs gekommen sind, ist klar: Sie haben uns eine Türe zum Geld geöffnet.»

Gleich fünf Trainer entlassen

Jetzt sitzen Berisha und Haas im Campus in Niederhasli in ihrem gemeinsamen Büro, beide tragen GC-Anstecknadeln an ihren Anzügen. Und sie sagen, es gehe nun darum, erst einmal den Betrieb und die Mitarbeiter kennenzulernen. Viel Zeit haben sie nicht gebraucht, um erste Entscheidungen zu treffen: Sie haben in diesen Tagen fünf Nachwuchstrainer auf Ende Juli entlassen, unter ihnen gleich alle Vollzeitangestellten der U 21, der U 18 und der U 16. Die Begründung: Sie sollen zu viel verdient haben. GC hat eine entsprechende Meldung von «Bluewin» bestätigt.

Neu soll Walter Grüter zum Trainerstab stossen. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Grüter seit Jahren eng mit Erich Vogel verbunden ist. Es ist ein Zeichen dafür, dass der Einfluss des 81-jährigen Vogel, der grauen Eminenz des Vereins, auf das neue GC spürbar bleiben wird. Vogel sagt, er sei am Deal mit Jenny Wang nicht beteiligt gewesen. Über die neue Führung ist er des Lobes voll. Er sagt: «Als früherer Spielerberater kennt Berisha das Transfer- und Vertragswesen bestens. Jetzt vertritt er die Vereinsseite. Diesen Lernprozess wird er innert Kürze verinnerlicht haben.»

Berisha und Haas sind aufgrund ihrer Unerfahrenheit medial nicht nur freundlich empfangen worden. Berisha sagt: «Ich verstehe, dass wir in den Medien skeptisch begrüsst worden sind. Aber ich komme aus dem Fussball-Netzwerk. So unbekannt, wie man geschrieben hat, sind wir nicht.» Haas war Nachwuchsspieler bei GC und hat eine Treuhandfirma im Sportbereich gegründet; Berisha war Fussballer beim FC Luzern, er hat Klubs und Spieler beraten, mehrere stammen vom SC Kriens. In der Innerschweiz ist Berisha zu Hause. Der vielleicht wichtigste Spieler, den er betreut hat, ist Ridge Munsy, ein früherer Krienser, den er seinerzeit von Thun zu GC gebracht hat. Ein Schweizer Spieleragent sagt: «Berisha hat es nie ganz geschafft, sich in der Szene der Berater durchzusetzen. Er musste daneben immer auch noch andere Jobs machen.»

Und nun versehen Berisha und Haas bei GC Rollen, mit denen sie selber nicht gerechnet hatten. Berisha hätte sich vorstellen können, vielleicht einmal Sportchef in einem kleinen Klub zu werden, in Wohlen vielleicht. Offiziell war Berisha Sportdirektor bei YF Juventus. Der Präsident Piero Bauert sagt: «Was heisst war? Er ist es immer noch. Wir tauschen uns weiterhin freundschaftlich aus. Das wird so bleiben.» Berisha sei ein liebevoller Typ, sagt Bauert, «er passt eigentlich gar nicht in dieses Drecksgeschäft Fussball». Haas hat unter Bauert bei YF Juventus Fussball gespielt, eine grosse Karriere hat er als Spieler nicht gemacht. In seiner Zeit bei GC ist Karl-Heinz Riedle, der deutsche Fussballweltmeister, der Sportchef der Grasshoppers. Riedle sagt: «Ich mochte Samuel. Ich habe gemerkt, dass er jemand ist, der geerdet ist und der sich im Berufsalltag durchsetzen wird. Vielleicht einfach nicht als Spieler.»

Berisha und Haas ergeht es ähnlich: Was man von aussen sieht, ist kleiner als das, was sich im Hintergrund abgespielt haben soll. Haas sagt: «Für mich ist es eine ungewohnte Situation, so im medialen Fokus zu stehen.» Aber beide bestehen darauf, dass sie sich im Business auskennten und wüssten, was sie täten. Und doch ist nun alles neu für sie.

Das führt auch zu gewissen Missverständnissen. Die Grasshoppers planten etwas übereifrig, schon am letzten Freitag das Training wiederaufzunehmen, obwohl es von den Behörden keine diesbezüglichen Hinweise gab. Der Trainer Goran Djuricin setzte sich in den Nachtzug aus Wien, als man ihm sagte, es könne jetzt doch erst ab dem 11. Mai wieder trainiert werden. Und als Haas und Berisha am ersten Arbeitstag die Dossiers übergeben werden, machen sie den Eindruck, als wüssten sie noch nicht so genau, worauf sie sich eingelassen haben. So erzählt es jemand, der an der Übergabe dabei war.

Berisha gab kurz nach seiner Ernennung ein Interview im «Blick», das so verstanden werden konnte, als werde GC nun wieder viel Geld ausgeben. «Wir wollen bei GC wieder gross denken», war der Titel, und von Spielern mit grossen Namen war die Rede. Jetzt sagt Berisha: «Als GC den Spieler Richard Nuñez aus Uruguay holte, kannte ihn auch noch niemand. Ziel von uns ist es, wieder einen Nuñez zu entdecken.»

Nicht mit der grossen Kelle

Es ist ein interessantes Geschäftsmodell, das die beiden für die Zukunft geplant haben. Haas sagt: «Das Mindset von GC soll nicht über den Haufen geworfen werden. Wir werden jetzt nicht mit der grossen Kelle anrühren. Der Business-Case ist im Wesentlichen darauf ausgerichtet, die gute Ausbildung der GC-Junioren zu nutzen.» Und Berisha erläutert, was dies bedeutet: «Es kamen immer wieder Junge aus unserer Academy, die man verkaufen musste, um das Defizit zu decken. Diesen Druck gibt es nicht mehr im gleichen Masse.»

Sollten die Grasshoppers in dieser Saison nicht aufsteigen, wird das Budget im gleichen Rahmen bleiben wie jetzt, bei rund 13 Millionen Franken. Wie viel Geld Jenny Wang in den nächsten Jahren in den Klub investieren wird, ist unbekannt. Die Summe kann sich je nach Bedarf von Jahr zu Jahr verändern. Haas sagt: «Es ist keine Defizitgarantie wie früher, sondern Geld, das in den Klub fliesst und als Liquidität zur Verfügung steht. Aber wie viel es ist, kann ich nicht sagen.» In Sachen Transparenz ist das ein Unterschied zu früher, als man wusste, dass die bisherigen Besitzer Peter Stüber und Stephan Anliker für diese Saison je 3,25 Millionen Franken zur Verfügung stellten. Eine russische Investorengruppe, die GC auch übernehmen wollte, aber nicht zum Zug kam, hatte in fünf Jahren 75 Millionen Franken zur Verfügung stellen wollen. Ein solches finanzielles Bekenntnis fehlt bis anhin aus China.

Entscheidend für den Erfolg des Projekts kann sein, ob es Berisha gelingt, den Kontakt zum mächtigen Spielervermittler Jorge Mendes warmzuhalten. Ihn hatte Berisha im November 2018 getroffen, und Mendes war es, der die Türe zu Jenny Wang öffnete. Sollte Mendes einen Sinn darin erkennen, seine Spieler nun auch zu GC zu bringen, eröffnete dies dem Klub auf dem Transfermarkt ungeahnte Möglichkeiten.