Wenn für YB der Preis stimmt, hält niemand Roger Assalé zurück

Roger Assalé schiesst für YB Tore und wird zum Kandidaten für eine grosse Liga. Der Aufstieg des 24-jährigen Ivoirers wurde auch deshalb möglich, weil sein früherer Klub in Kongo-Kinshasa von der politischen Instabilität tangiert ist.

Peter B. Birrer, Bern
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Roger Assalé ist in Europa nicht derselbe wie in Afrika. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Roger Assalé ist in Europa nicht derselbe wie in Afrika. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Was der Franzose Hubert Velud in Kongo-Kinshasa erlebt, als er 2016 als Trainer eines der grössten Klubs Afrikas vorgestellt wird, vergisst er nicht. Neben Velud ist auf dem Terrain das Team und Moïse Katumbi zugegen, der reiche Präsident des Fussballklubs Tout Puissant Mazembe. Da sucht ein kleiner Spieler wortreich den Kontakt zu Velud. Nicht der erfahrene Captain spricht, sondern der damals 22-jährige Roger Assalé, den Velud später als «gefühlsbetonten Leader» kennenlernt.

Assalé sei «fordernd», sagt ein Teammanager von Mazembe. Fordernd nicht im Sinn von Stunk, sondern als Amüsement. Wenn der Klub dachte, in Planungsfragen endlich eine Einigung erzielt zu haben, habe bestimmt Assalé eine Zusatzschlaufe eröffnet – «ça, c’est Assalé.» Der Spieler sei auch derjenige gewesen, der den Trainer unbedingt zur Medienkonferenz begleiten wollte.

Nun glaubt man, im Stade de Suisse auf einen redseligen Fussballer zu treffen, der auch neben dem Rasen die Bühne sucht. Doch dreimal muss man zu Beginn nachfragen, wo Assalé in Bern wohnt. Erst danach wird verständlich, dass er «Obstberg» haucht. Als YB Sékou Sanogo und Assalé an einem Treffen mit ivoirischen YB-Freunden teilnehmen lässt, fordert Sanogo irgendwann den grösstenteils schweigenden Assalé auf, «doch auch einmal etwas zu sagen». So wird das geschildert.

Assalé in Afrika ist offenbar anders als Assalé in Bern. Er stammt aus Côte d’Ivoire, hat 15 Geschwister, von denen heute die meisten in Abidjan wohnen. «Die Familie ist wichtig für mich. Ich unterstütze sie», sagt Assalé, «c’est comme ça en Afrique.» Er spielte in Abidjan für einen Armeeklub, kam an den Küstenort San Pédro zu Séwé Sports, bevor er 2014 nach Lubumbashi transferiert wurde, zu Mazembe, in den Süden von Kongo-Kinshasa. Schon früh gab es Unstimmigkeiten, welcher ivoirische Klub als Ausbildner Assalés wie viel Transfergeld von Mazembe erhält. Und ob.

Assalés Familie lebt im Küstenort Abidjan, in Côte d’Ivoire

Roger Assalé ist auch eine Geschichte zwischen der Dritten und der Ersten Welt, es geht um Aufstieg, um Geld und einen grossen Traum. Und womöglich bald um einen Meistertitel in einem kleinen Land auf einem Kontinent, mit dem er Anfang 2017 richtig in Berührung kam. Im Winter. Zuerst war er im Brüsseler Vorort Anderlecht zugegen, wo er zum ersten Mal Schnee sah. Danach fand er den Weg über den Agenten Christophe Payot, der auch den Trainer Lucien Favre betreut, nach Bern.

Überzeugende Videobilder

Der YB-Scout Stéphane Chapuisat hatte Assalé schon länger auf der Liste. Als der kleine, wendige Kubo die Berner verliess, war Realersatz gefragt. Chapuisat forcierte Assalé, obschon er diesen nur auf TV-Bildern hatte wirbeln sehen. Zuerst wurde der Afrikaner leihweise angebunden, was hinterher als Vorsichtsmassnahme zu deuten ist. Im Sommer gab’s einen Vertrag bis 2020, der später sogar bis 2021 verlängert wurde, Gehaltserhöhung wohl inklusive. Assalé führt das Torschützenklassement der Super League mit 12 Toren in 25 Spielen an.

In einem halben Jahr hat Assalé den Marktwert mehr als verdoppelt

in Millionen

Man merkt, dass schon einige Personen mit dem Spieler die nächste Etappe ins Auge gefasst haben. «Ich gehe nicht von YB weg, dass ich weg bin, pas partir pour partir», sagt er, «ich will spielen und nicht auf der Ersatzbank sitzen.» Ähnlich reden seine Berater. Früher wäre Assalé noch ein wenig in der Schweiz geblieben, aber heutzutage weiss man nie. Der Grund? «Der Markt ist überhitzt und spielt verrückt», sagen Spieleragenten. Das hat zur Folge, dass selbst die Aussichten auf die Champions League niemanden zum Bleiben animieren. Wenn für YB der Preis stimmt, hält niemand Assalé zurück. Es gibt weiterhin Finanzlöcher zu stopfen. Mazembe wäre am Transfer ebenso beteiligt wie der Spieler und dessen Agenten.

Die derzeit frankofon und afrikanisch geprägten Young Boys sind kostengünstig zu Assalé gekommen. Das ist auch auf die politische Instabilität in Kongo-Kinshasa zurückzuführen. Der einflussreiche Mazembe-Präsident Moïse Katumbi ist der Gegenspieler des Staatschefs Joseph Kabila, der sich an sein Amt klammert. Weil es für Katumbi im Land zu gefährlich geworden ist, ist er nach Europa ins Exil abgereist. Das setzt dem Klub zu, obschon Assalé behauptet, dass der Fussball fern von der Politik sei.

Assalé jubelt im YB-Trikot – wie lange noch? (Bild: Alessandro della Valle / Keystone)

Assalé jubelt im YB-Trikot – wie lange noch? (Bild: Alessandro della Valle / Keystone)

Der ausser Landes weilende Mazembe-Präsident steht für das diametrale Gegenteil. Die Unruhen führten dazu, dass sich für Spieler Türen Richtung Europa geöffnet haben. Drei gingen zu Standard Lüttich, Assalé ging nicht nach Anderlecht, sondern nach Bern. Mazembe-Trainer nehmen eine «andere Logik» des Klubs wahr, «vielleicht muss Mazembe heute mehr auf Rentabilität achten», sagt einer. Regionale Instabilität in Afrika kommt den Europäern zupass. Das war auch im Fall des Ägypters Mohamed Salah und des FC Basel so.

Zweite Wahl im Nationalteam

Wenn seine PR-Berater darauf hinweisen, dass der Stürmer Assalé schon die afrikanische Champions League und zweimal die Coupe de la Confédération (vergleichbar mit der Europa League) sowie mit Côte d’Ivoire den Afrika-Cup 2015 gewonnen hat, stimmt das auf dem Papier. Doch im Nationalteam ist er bis heute meistens Ergänzungsspieler, weil es zum Beispiel an Doumbia und Gervinho kein Vorbeikommen gab. Zuletzt schoss er in einem Testspiel sein erstes Länderspieltor. Da Côte d’Ivoire mit der verpassten WM-Qualifikation einen schweren Rückschlag erlitt und YB in der Europa League mässig abschnitt, sind die internationalen Einsätze Assalés im Moment zumindest kein preistreibender Faktor.

Hubert Velud wäre nicht überrascht, wenn Roger Assalé in Europa die Leiter hochgehen würde. «Ich war ein Jahr lang in Lubumbashi, wir hatten viele internationale Spiele, und ich glaube, Assalé hat in keinem Training gefehlt. Seine Physis ist überdurchschnittlich», sagt der Franzose. Der 1 Meter 67 grosse Assalé hat also nicht nur geredet.