Weshalb René Weiler in der Schlangengrube des FC Luzern gelandet ist

René Weiler galt als hoffnungsvollster Schweizer Trainer nach Lucien Favre. Nun wird er mit einem Dreijahresvertrag Trainer des von Perspektiven weitgehend befreiten FC Luzern. Wie geht das zusammen?

Nicola Berger
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René Weiler, 44, kehrt als Trainer des FC Luzern in die Super League zurück. (Bild: Andrew Yates / Reuters)

René Weiler, 44, kehrt als Trainer des FC Luzern in die Super League zurück. (Bild: Andrew Yates / Reuters)

Es war im Januar, als Rémo Meyer, der Sportchef des FC Luzern, erstmals Kontakt zum Fussballtrainer René Weiler aufnahm. Weiler sagte freundlich ab, er beschied, er habe kein Interesse. Luzern – das war nicht seine Flughöhe, nicht nachdem er Anderlecht 2016/17 zum Meistertitel in Belgien geführt hatte. Der FCL beförderte daraufhin Gerardo Seoane zum Cheftrainer. Denjenigen Coach, der nun mit den Young Boys in der Champions-League-Qualifikation spielen wird. Seoane, 39, hat den fünf Jahre älteren Weiler derzeit auf der Karriereleiter überholt, mit nur einem halben Jahr Erfahrung als Cheftrainer. Es ist eine seltsame Entwicklung in einem sonderbaren Geschäft.

Weiler sagte Luzern im Winter ab, da er auf Angebote aus dem Ausland hoffte, aus Deutschland oder England. Doch die Offerten blieben aus, und irgendwann trennte er sich frustriert von seinem Agenten, dem Bruder des deutschen Nationalspielers Ilkay Gündogan. Weiler sprach mit YB, mit Leeds United; sein langjähriger Freund Lucien Favre hätte ihn als Co-Trainer zu Borussia Dortmund mitgenommen. Er verhandelte mit Maccabi Tel Aviv. Und Al-Shabab in Saudiarabien bot ihm ein Jahressalär von mehr als 1,5 Millionen Franken. Im Mai wäre Weiler beinahe Sportchef im Servette FC geworden, ehe der Klub die Verhandlungen spektakulär in den Sand setzte, weil es von heute auf morgen hiess, Weiler könne nicht nur Sportchef sein, sondern müsse das Team auch gleich trainieren – zu gleichen Bezügen, versteht sich.

Eine Art Torschlusspanik

Servette, Saudiarabien. Man kann sich glamourösere Aufgaben vorstellen, aber sie bereiteten den Weg dafür, dass Weiler nun in Luzern gelandet ist, in der Schlangengrube FCL. In einem Klub mit chronisch angriffslustigem, unruhigem Umfeld, gefangen im ewigen Mittelmass, weil die Investoren um den konfliktfreudigen Investor Bernhard Alpstaeg sparen wollen und der Verein sich mit Possen immer wieder selber behindert. Luzern konnte Markus Babbel, der in seinem Trainerleben nirgendwo etwas gewonnen hat, keine Perspektiven bieten. Es ist unklar, weshalb dies bei Weiler anders sein soll. Zumal in der Konstellation mit Alpstaeg, denn Weiler tut sich schwer damit, wenn ihm Machthaber ohne fussballerische Kompetenz dreinreden. Als er noch Sportchef in St. Gallen war, rieb er sich stark mit dem Geldgeber Edgar Oehler, der ihm via Boulevardmedien beschied, «bestenfalls zur Sekretärin» zu taugen.

Weilers Entscheid für Luzern, er wirkt wie ein Akt der Torschlusspanik des Trainers. Zumal sein hervorragend dotierter Vertrag bei Anderlecht bis 2019 weitergelaufen wäre. Doch Weiler mochte nicht mehr zu Hause herumsitzen und warten; er hat dieses Arbeitergen, vererbt vom Vater, der Wirtschaftsfahnder bei der Polizei war.

Dieser Eifer ehrt Weiler, aber bei Lichte besehen, ist er in Luzern heute nur marginal weiter, als er das 2014 war, als er den FC Aarau aus einem laufenden Vertrag heraus verliess, weil er wusste, dass er das Maximum aus diesem Klub herausgeholt hatte. Weiler ist ein Querdenker, einer, der Herausforderungen sucht. Dass er diese nach erfolgreicher Tätigkeit in Aarau, Nürnberg und Anderlecht nun in einem mittelmässigen Super-League-Klub annimmt, muss ihn schmerzen, denn man hatte Weiler viel zugetraut. In der Gilde der Schweizer Trainer galt er nach Lucien Favre als hoffnungsvollste Kraft. Er hätte neben den fussballerischen Kompetenzen die Aura, die Autorität und das Selbstbewusstsein, um einen internationalen Spitzenklub zu betreuen. Doch im Fussballgeschäft des Jahres 2018 gilt nicht nur das Leistungsprinzip. Auf Stellensuche kommt es auch darauf an, welche Seilschaften einer geknüpft hat. Dem Freigeist Weiler liegt das Netzwerken nicht, vielleicht fehlt ihm dafür die Oberflächlichkeit; er hat einmal gesagt, Diplomatie sei der erste Schritt zur Lüge.

Eine Kompromisslösung

Und dann ist da der Umstand, dass Weiler ein ziemlich unbequemer Arbeitnehmer sein kann. Als er bei den Managern Martin Bader in Nürnberg und Hermann van Holsbeeck in Anderlecht Machenschaften mit Spielerberatern witterte und Spieler aufgedrückt erhielt, die er nicht wollte, wehrte er sich vehement. Er hat sich dadurch im Fussballgeschäft nicht nur Freunde gemacht.

Womöglich bezahlt er nun den Preis dafür. Und möglicherweise hat er sich vom Gedanken verabschiedet, dass sich eine Trainerkarriere planen lässt – und sie sich steuern lässt, indem man erfolgreich arbeitet. Der FC Luzern ist für Weiler eine Kompromisslösung. Er hat wenig zu verlieren, die Frage ist nur, wie viel er an diesem Standort gewinnen kann. YB und Basel bewegen sich in anderen Sphären, und für das nervöse Luzerner Umfeld ist kaum je etwas gut genug. Als Sprungbrett für Trainer eignet sich Luzern nur sehr bedingt, mit Ausnahme von Seoane und Murat Yakin verschwanden die FCL-Coachs des 21. Jahrhunderts zeitnah in der Versenkung. Man kann sich das auch bei Weiler vorstellen, falls es nichts mehr werden sollte mit der grossen internationalen Karriere. Er kokettiert seit langem damit, in Zürich eine Bar zu eröffnen, sollte ihm das Fussballgeschäft dereinst verleiden. Man tritt dem FCL wohl nicht zu nahe mit der Aussage, dass die Chance darauf in Luzern grösser ist als anderswo.

Die Trainer des FC Luzern seit 2000

  • Andy Egli: –Juni 2001
  • Ryszard Komornicki: Juli–August 2001
  • Raimondo Ponte: August 2001–Juni 2002
  • Hans-Peter Zaugg: Juni 2002–Juni 2003
  • Urs Schönenberger: Juli–Oktober 2003
  • René van Eck: November 2003–Juni 2006
  • Ciriaco Sforza: Juli 2006–Juli 2008
  • Roberto Morinini: August–Oktober 2008
  • Rolf Fringer: November 2008–Mai 2011
  • Christian Brand: Mai–Juni 2011
  • Murat Yakin: Juli 2011–August 2012
  • Ryszard Komornicki: August 2012–April 2013
  • Carlos Bernegger: April 2013–Oktober 2014
  • Markus Babbel: Oktober 2014–Januar 2018
  • Gerardo Seoane: Januar–Juni 2018