Eine 5G-Antenne in Laax, die Sunrise bereits Ende 2018 in Betrieb genommen hat. (Bild: PD)

Eine 5G-Antenne in Laax, die Sunrise bereits Ende 2018 in Betrieb genommen hat. (Bild: PD)

Die neusten Entwicklungen

Einführung von 5G: Swisscom kann Versorgung für 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung sicherstellen

Das Rennen um den neuen Mobilfunkstandard 5G ist im Gange. Swisscom und Sunrise bieten bis zu 90 Prozent der Bevölkerung einen Zugang zu einem 5G-Netz. Wie geht es weiter? Sieben Antworten.

Stefan Häberli, Nikolai Thelitz, Jürg Müller, Alan Niederer
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Die neusten Entwicklungen

  • Der Marktführer Swisscom hat sein Ziel erreicht und kann seit Anfang Jahr gegen 90% der Schweizer Bevölkerung mit 5G versorgen. Sunrise kommt inzwischen auf eine ähnliche Abdeckung. Das Unternehme hatte bereits per Ende März 2019 über 150 Städte und Orte an die «Glasfaser durch die Luft» angeschlossen. Salt hält sich zu den 5G-Plänen noch bedeckt. 
  • Die Rivalität zwischen den USA und China macht auch vor der Einführung des neuen Mobilfunkstandards nicht halt. Die Amerikaner decken den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei mit unterschiedlichen Vorwürfen ein. Sie versuchen überdies, ihre Verbündeten davon zu überzeugen, die Finger von Huawei-Technologie zu lassen. Hierzulande arbeitet Sunrise eng mit den Chinesen zusammen. Für den Fall einer Eskalation hat das Unternehmen einen Plan B in der Schublade(Kommentar: Spionagevorwürfe gegen Huawei: Europa muss die Trump-Brille ablegen)
  • In Grossbritannien darf sich der chinesische Telekomriese weiter am britischen 5G-Mobilfunknetz beteiligen. Huawei-Komponenten sollen allerdings nicht in zentralen, datenverarbeitenden Systemen der 5G-Infrastruktur eingebaut werden, sondern nur an peripheren Teilen wie Sendern und Masten.
  • Die Einführung von 5G hat auch die Kontroverse um die gesundheitliche Gefahr durch Mobilfunkstrahlung wiederbelebt. Zahlreiche parlamentarische Vorstösse verlangen 5G-Moratorien. Die 5G-Antennen senden auf Frequenzen, die zuvor bereits für den Mobilfunk und die TV-Übertragung verwendet wurden

Das Wichtigste in Kürze

Weltweit wird derzeit ein neuer Mobilfunkstandard eingeführt: 5G, was für «fünfte Generation» steht. Noch surfen und telefonieren wir in der Schweiz in der Regel auf einem 4G-Netz, auch Long Term Evolution (LTE) genannt. Den Durchbruch schaffte der Mobilfunk um die Jahrtausendwende mit dem Mobilfunkstandard der zweiten Generation, GSM (Groupe Spéciale Mobile).

5G erlaubt eine deutliche Verbesserung der Datenübertragungsraten. Die neue Technologie soll etwa im Netz des Schweizer Telekom-Marktführers Swisscom Geschwindigkeiten von bis zu 2 GBit/s ermöglichen. Ein hochauflösender Film liesse sich damit in rund einer Minute herunterladen. Da für diese 2 GBit/s indessen optimale Bedingungen nötig sind, fällt das Tempo im Alltag geringer aus. 5G ist in der Praxis etwa doppelt so schnell wie 4G+, die «aufgemotzte» Variante des derzeitigen Standards.

Die Aspekte im Detail

Was wird sich mit 5G konkret verändern?

Die spezifischen Eigenschaften von 5G könnten neue Geschäftsfelder eröffnen. So hat Sunrise mit der Technologie eine «Glasfaser durch die Luft» gelegt. Die Idee der Nummer zwei auf dem Schweizer Telekommarkt: In ländlichen Gebieten führt die echte Glasfaser vielerorts nur bis zur Anschlusszentrale im Dorf. Den restlichen Teil des Weges müssen die Datenpakete über das langsamere Kupferkabel zurücklegen. Sunrise umgeht diesen Flaschenhals via 5G, um Haushalten mit einer schlechten Anbindung ans Festnetz schnelles Internet über den Mobilfunk zu bringen. Ob zu Hause oder unterwegs: Der neue Mobilfunkstandard bietet weit höhere Geschwindigkeiten als seine Vorgänger 3G bis 4G+.

So schnell soll 5G werden

Theoretische Maximalgeschwindigkeiten* verschiedener Mobilfunktechnologien, in Mbit/s

Der vielleicht grösste Vorteil von 5G liegt aber nicht in der Geschwindigkeit, sondern in der kurzen Latenzzeit. Damit ist die Zeit gemeint, die zwischen einem Ereignis und einer Reaktion verstreicht. Bei 4G-Netzen sind es 5 bis 10 Millisekunden. In einem 5G-Netz soll die Latenzzeit noch bei rund einer Millisekunde liegen.

5G soll schneller reagieren

Latenzzeiten verschiedener Mobilfunktechnologien, in Millisekunden

Genau dies macht 5G für industrielle Anwendungen und das «Internet der Dinge» so spannend. Ein Netz, das fast in Echtzeit reagiert, kann etwa für die Vernetzung von Maschinen oder Industrierobotern in Werkhallen verwendet werden – Swisscom hat zusammen mit der Medtech-Firma Ypsomed in Solothurn bereits ein Pilotprojekt auf diesem Gebiet vorgestellt.

Wann gibt es in der Schweiz ein 5G-Netz?

Swisscom es geschafft, bis Ende 2019 bis zu 90% der Schweizer Bevölkerung mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G versorgen. Der kleinste Mobilfunkanbieter, Salt, hat seine Ausbaupläne noch nicht im Detail vorgestellt.

Sunrise hatte Ende Februar 2019 erklärt, im März erste 5G-Angebote zu lancieren. Dabei handelt es sich aber nicht um traditionelle Mobilfunkdienste, sondern um Festnetzangebote über die Luft (Fixed Wireless Access). Sunrise spricht in diesem Zusammenhang von der «Glasfaser durch die Luft». Mit den 5G-Routern zu Hause sollen Geschwindigkeiten von bis zu 1 GBit/s erreicht werden. Inzwischen soll die Abdeckung zwischen 80 und 90% betragen.

Warum dauert der Aufbau eines flächendeckenden 5G-Netzes so lange?

Die Schweiz hat eine anspruchsvolle Topografie, kennt strenge Grenzwerte beim Strahlenschutz und komplizierte Bauvorschriften. All das macht den Ausbau eines Mobilfunknetzes extrem aufwendig. Vom Entscheid eines Telekomanbieters, einen neuen Antennenstandort zu erschliessen, bis zum Punkt, an dem die Antenne in Betrieb gesetzt wird, verstreicht in der Regel viel Zeit. Swisscom beziffert diese Spanne mit einem Durchschnittswert von zwei Jahren.

Sunrise rechnet im Schnitt gar mit drei bis vier Jahren für den kompletten Neubau einer Anlage inklusive Verhandlungen mit Hauseigentümern, Baubewilligung, Bau und Inbetriebnahme. Selbst die simple Aufrüstung eines bestehenden Standorts kann lange dauern, wenn für die Änderung das Einholen einer Baubewilligung notwendig ist. Laut Sunrise ziehen bei einem solchen Upgrade ohne neue Standortsuche ein bis zwei Jahre ins Land.

Wie wirkt sich 5G auf die Strahlenbelastung aus?

Die biologische Wirkung der elektromagnetischen Strahlung hängt von deren Stärke und Frequenz ab – und nicht von der Technologie, mit der die Wellen «bespielt» werden. Erstens wurden die vom Bund versteigerten Frequenzen bereits für andere Zwecke wie die Übermittlung von Radio- oder Fernsehsignalen eingesetzt. Zweitens unterscheiden sich diese kaum von den heute im Mobilfunk verwendeten Frequenzen. Mit 5G ändert sich an der Strahlenbelastung also zunächst wenig.

Es gibt zwar Studien, die einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischer Strahlung und gesundheitlichen Schäden nahelegen. Die einschlägige Literatur gibt unter dem Strich jedoch Entwarnung: Unterhalb der gängigen Grenzwerte für die Strahlung konnte keine Studie Risiken nachweisen. Auch eine Gesamtschau der Forschung auf dem Gebiet liefert keine Anhaltspunkte dafür.

Eine vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) ins Leben gerufene Arbeitsgruppe diskutiert «unter Wahrung des Vorsorgeprinzips auch die zukünftigen Anlagegrenzwerte».

Die aktuellen Anlagegrenzwerte liegen je nach Frequenz bei 4 bis 6 Volt pro Meter. Diese Limite gilt für «Orte mit empfindlicher Nutzung» wie Wohnräume oder Schulen. Geht es nach dem Willen der Mobilfunkanbieter, sollen diese erhöht werden; Swisscom spricht von 20 Volt pro Meter. Dies sei nötig, da die meisten Anlagen in urbanen Gebieten bereits jetzt am Anschlag sendeten. Ein Ausbau dieser Antennen sei deshalb nicht mehr möglich, für neue 5G-Antennen müsse man also neue Standorte finden.

Die Mobilfunkbranche will höhere Grenzwerte

Grenzwerte der Strahlung einer Anlage bei verschiedenen Frequenzen, in Volt pro Meter

Ein politischer Vorstoss zur Erhöhung der Grenzwerte scheiterte 2018 im Ständerat. Swisscom liess damals verlauten, mit dem Entscheid werde das 5G-Netz lückenhaft bleiben, das volle Potenzial könne nicht genutzt werden. Trotzdem wolle man den Ausbau von 5G «im Rahmen des Möglichen vorantreiben».

Gefährdet 5G die Gesundheit?

Fachleute betonen, dass vom neuen Mobilfunkstandard 5G (bzw. den elektromagnetischen Feldern in den 5G-Frequenzbereichen) keine neuartige Gefährdung für den menschlichen Organismus ausgeht. Ihre Argumentation stützt sich im Wesentlichen auf zwei Säulen:

Im tiefen Frequenzbereich (unter 4 GHz) senden bereits die älteren Mobilfunkstandards wie GSM (G2), UMTS (G3) und LTE (G4). Hier existieren viele Studien, welche keine Gefährdung finden konnten. Die einzigen biologischen Effekte, die prinzipiell nachweisbar sind, werden durch Erwärmung verursacht. Diese sollten aber innerhalb der geltenden Grenzwerte nicht auftreten.

Im hohen Frequenzbereich (30 bis über 100 GHz, auch Millimeterwellen-Frequenzbereich genannt) ist die wissenschaftliche Studienlage zwar deutlich dürftiger als bei den tiefen Frequenzen; zudem beruhen die Grenzwerte teilweise auf Extrapolationen und nicht auf Experimenten. Dennoch befürchten Fachleute auch hier keine Gefährdung der Bevölkerung. Dies vor allem deshalb, weil die hochfrequenten Felder im Millimeterwellen-Bereich vor allem an der Körperoberfläche absorbiert werden. Wie im Niederfrequenzbereich ist auch im Hochfrequenzbereich die Energie der Strahlung viel zu gering, als dass sie im Körper nebst thermischen auch chemische Veränderungen bewirken könnte.

Wegen des erwähnten Mangels an Studiendaten für die hohen Frequenzen fordern Wissenschafter in diesem Bereich mehr Forschungstätigkeit. Auch wie 5G die eingestrahlte Energiemenge (Immission) an verschiedenen Orten verändern werde, sei noch weitgehend unklar, betonen die Fachleute. Das hängt mit zwei Umständen zusammen:

– Neben den klassischen Mast- und Dachantennen können bei 5G auch sogenannte Kleinzellen (Small Cells) als Sendeanlagen eingesetzt werden. Deren Sendeleistung ist zwar niedriger als bei den klassischen «Antennen». Die Kleinzellen können aber deutlich näher an den Personen sein (z. B. an Bushaltestellen angebracht).

– Bei 5G-Basisstationen mit adaptiven Antennen (MIMO-Technik) wird der Strahl direkt auf den einzelnen Nutzer ausgerichtet. Noch ist unklar, wie bei dieser Technik die Strahlenbelastung zu messen ist.

Trotz den Unsicherheiten gehen die Fachleute davon aus, dass der neue Mobilfunkstandard die schweizweite Strahlenbelastung insgesamt nicht wesentlich verändern wird. Während es Orte gebe, wo sich die Strahlenbelastung erhöhen werde, dürfte die neue Technologie die Belastung an anderen Orten reduzieren, so die Meinung. Gleiches gilt auch für die Strahlenexposition des Einzelnen, die wegen der vielen Fragezeichen bei der konkreten Umsetzung von 5G noch nicht sicher abschätzbar ist.

Bei der Diskussion um gesundheitliche Auswirkungen von 5G-Sendeanlagen dürfen laut dem Umweltepidemiologen Martin Röösli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut die Relationen nicht aus den Augen verloren werden. Denn über 90 Prozent der aufgenommenen Mobilfunkstrahlung stammten nicht von den Sendeanlagen, sondern vom eigenen Mobilgerät, dem Handy. Wer eine maximale Exposition verhindern will, nützt das Mobiltelefon nur bei guter Verbindungsqualität. Zudem kann man beim Telefonieren eine Freisprechanlage benützen.

Als Leiter einer Expertengruppe berät Röösli das Bundesamt für Umwelt in Sachen gesundheitliche Auswirkungen von nichtionisierender Strahlung. Dazu gehören auch die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks. Laut dem Experten kann das ans Ohr gehaltene Handy das Ohr leicht erwärmen. Bei intensiver Nutzung ist zudem mit biologischen Effekten zu rechnen, etwa einer Vermehrung der Sauerstoffradikale im Gewebe oder Veränderungen der Hirnströme. Ob das allerdings zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, ist laut dem Experten sehr fraglich. So gebe es zum Beispiel in den bisher durchgeführten Studien keine klaren Hinweise auf ein durch Handystrahlung erhöhtes Krebsrisiko. Selbst die von Kritikern ins Feld geführte Elektrosensibilität lässt sich laut dem Experten in Doppelblindstudien nicht nachweisen.

Ab wann können 5G-fähige Geräte gekauft werden?

In den Swisscom-Shops sind die ersten 5G-fähigen Smartphones seit Mai 2019 erhältlich; je eines von Oppo und von LG. Für Swisscom-Kunden könnte es sich indessen lohnen, mit dem Kauf zu warten. Denn diese Geräte nutzen ein Frequenzband, für das es nur punktuell eine 5G-Abdeckung geben wird (Swisscom nennt dieses kleinere Netz «5G-fast»). Erst in einem kommenden Ausbauschritt wird der blaue Riese mit anderen Frequenzen die Schweiz flächendeckend «bespielen». Wer das vollständig ausgebaute Netz («5G-wide») nutzen möchte, muss sich dann ein neues 5G-Smartphone zulegen. Diese sollen ab Anfang 2020 verfügbar sein.

Sunrise bietet bereits seit März einen 5G-Router für zu Hause an und will im Laufe des Jahres verschiedene 5G-fähige Smartphones anbieten. Salt hat erklärt, die Geräte ins Sortiment aufzunehmen, sobald sie verfügbar seien.

Wie lange können alte Geräte noch genutzt werden?

Alte Smartphones müssen nicht gleich weggeworfen werden. Selbst Mobiltelefone, die nur mit dem Mobilfunkstandard 2G kommunizieren, können noch bis mindestens Ende 2020 genutzt werden. Dann will Swisscom aus der alten Technologie aussteigen. Mehr Zeit für eine Modernisierung haben Kunden bei Sunrise. Der Telekomkonzern erklärt, dass 2G bis voraussichtlich Ende 2021 unterstützt werde. Salt gibt keine exakten Daten bekannt, will allerdings ebenfalls schrittweise aus 2G aussteigen – weniger als 5% der Kunden seien heute noch mit dieser alten Technologie unterwegs.

Den neueren 3G-Standard will Swisscom noch bis mindestens Ende 2024 unterstützen; Sunrise erklärt, auch langfristig keine 3G-Abschaltung zu planen, und Salt kann derzeit noch nicht sagen, ob und wann ein Ausstieg geplant ist.

Für die Mobilfunkbetreiber ist der Ausstieg aus den alten Technologien ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gibt es viele Geschäftskunden, die beispielsweise Temperatursensoren oder Alarmsysteme seit Jahren über 2G ans Netz angeschlossen haben. Wenn Telekomanbieter zu früh aus dem alten Standard aussteigen, riskieren sie, Kunden an die Konkurrenz zu verlieren. Andererseits sind die neuen Mobilfunkstandards viel effizienter: Sie brauchen pro übertragene Dateneinheit weniger Strom und Funkfrequenzen. Je früher eine alte Technologie also abgeschaltet wird, desto mehr Ressourcen können eingespart werden.

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