Weshalb man sich vor einer Legalisierung von Cannabis nicht fürchten muss

In der Schweiz wird ein Gesetz zur Entkriminalisierung von Cannabis ausgearbeitet. In einigen amerikanischen Gliedstaaten und Kanada ist die Legalisierung schon fortgeschritten. Dies lenkt das Geschäft vom Schwarzmarkt weg in legale Kanäle.

Christoph Eisenring, André Müller 12 Kommentare 5 min
Drucken
In der Schweiz ist Hanf mit geringem THC-Gehalt seit 2011 kein Rauschmittel mehr. Dieser Markt hat sich mittlerweile etabliert.

In der Schweiz ist Hanf mit geringem THC-Gehalt seit 2011 kein Rauschmittel mehr. Dieser Markt hat sich mittlerweile etabliert.

Alexandra Wey / Keystone

Nach langem Stillstand kommt Bewegung in die Frage, ob das Verbot von Cannabis fallen soll. 2021 haben die zuständigen Kommissionen im Nationalrat und im Ständerat zugestimmt, dass für Anbau, Produktion, Handel und Konsum von Cannabis ein geregelter Markt geschaffen werden soll.

Aktueller Stand 2023

Die Kommission des Nationalrates muss nun einen Gesetzesentwurf für die Schaffung eines regulierten Marktes für Cannabis ausarbeiten. Derweil hat das Bundesamt für Gesundheit erste Pilotversuche von Städten bewilligt. In Basel zum Beispiel können rund 400 Personen seit diesem Sommer legal Cannabis für den Eigengebrauch in Apotheken beziehen. Der Pilotversuch läuft über zweieinhalb Jahre. Die Auswertung der diversen Versuche soll wissenschaftliche Grundlagen darüber liefern, wie der legale, aber kontrollierte Zugang zu Cannabis wirkt. Diese Erfahrungen wiederum sollen in die Politik einfliessen, weshalb eine rasche Legalisierung kaum zu erwarten ist.

In der Schweiz gibt es rund 220 000 Personen, die mindestens monatlich Cannabis konsumieren. Jeder dritte Erwachsene soll mit Marihuana, Haschisch oder «Space Cakes» schon Bekanntschaft gemacht haben. Laut einer Umfrage vom Juli 2021 stimmen zwei Drittel der Schweizer einer Legalisierung zwar zu. Zugleich sind sie gegen ein Laisser-faire: Zwei von drei verlangen mindestens so strenge Regeln wie beim Alkohol.

Die parlamentarische Initiative geht in diese Richtung. Sie orientiert sich an den Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Suchtfragen: Im Zentrum steht somit der Jugendschutz. Zudem sollen Produktion und Qualität kontrolliert, die Waren besteuert und die Werbung beschränkt werden.

Man setzt auf lokale Produkte, die in speziellen Läden verkauft werden sollen – auch um «multinationale Konzerne» zu bremsen. Trotzdem wäre auch eine solch «durchregulierte» Version gegenüber heute eine kleine Revolution: Cannabis ist in der Schweiz immer noch verboten, und es gelten inkonsistente Regeln. So ist der Besitz von bis zu 10 Gramm zwar nicht mehr strafbar, der Konsum eines Joints dagegen schon.

Ein Geschäft ist Marihuana aber jetzt schon: Laut einer auf die Schweiz hochgerechneten Studie aus dem Kanton Waadt dürfte sich der Jahresumsatz mit illegalem Cannabis auf rund 500 Millionen Franken belaufen – damit ist es nach Kokain das zweitwichtigste Rauschmittel in der Schweiz.

Cannabis-Legalisierung in den einzelnen Ländern

Die Frage der Legalisierung bewegt nicht nur die Schweiz. Die Ampelkoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und der FDP plant auch in Deutschland Schritte hin zu einer Entkriminalisierung, wobei ein Gesetzesentwurf noch auf sich warten lässt. Im Oktober hat der Gesundheitsminister Karl Lauterbach nun die Eckwerte für die Legalisierung vorgestellt: Erwerb und Besitz einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm sollen für Erwachsene straffrei werden. Zahlreiche Cannabisprodukte könnten in Zukunft legal erworben werden; vorerst aber noch keine essbaren Produkte wie Hanf-Kekse. Erste deutsche Cannabis-Unternehmer haben sich derweil schon positioniert.

Die Schweiz hat sich einem «evidenzbasierten» Vorgehen verschrieben. Städte wie Basel, Bern, Lausanne, St. Gallen oder Zürich wollen dank einem letztes Jahr verabschiedeten Experimentierartikel Pilotprojekte starten. Selbst den Pilotversuchen drückten Interessenvertreter aber den Stempel auf: Bauernvertreter hatten ins Gesetz schreiben lassen, dass das in den Versuchen verwendete Cannabis aus Schweizer Herkunft sein und den Regeln der Schweizer Biolandwirtschaft entsprechen soll.

Solche Pilotversuche sind sicherlich nicht verkehrt, um den Bürgern die Angst vor einer Öffnung zu nehmen. Ein Blick ins Ausland liefert ebenfalls Fingerzeige, was bei einer Legalisierung passieren wird. Als Erste hatten Ende 2012 Washington und Colorado Cannabis legalisiert, doch mittlerweile sind es 14 US-Gliedstaaten plus das Gebiet der Hauptstadt. Auch einzelne konservative Staaten, die bei den Präsidentschaftswahlen klar Donald Trump gewählt hatten, wie South Dakota und Montana, haben sich der Bewegung angeschlossen.

USA: Legalisierung bringt Preisdifferenzierung

Wie sehen nun die Erfahrungen aus den USA aus? Laut einer Übersicht des Cato-Instituts sind die Preise in diversen Staaten zwar zunächst um rund ein Fünftel gesunken, haben sich aber rasch stabilisiert und anschliessend wieder etwas angezogen. Die Preisdifferenzen zwischen den Gliedstaaten haben überdies abgenommen. Dies deutet darauf hin, dass der Schwarzmarkt zurückgedrängt wurde und sich der Handel auf legale Kanäle verlagert hat. Die zugelassenen Detailhändler können für die verbesserte Transparenz sogar einen Preisaufschlag verlangen.

Zu beobachten ist seit der Legalisierung ferner eine stärkere Preis- und Produktdifferenzierung. In den Läden ist der Preisabstand zwischen Marihuana («Gras») von hoher und von mittlerer Qualität gestiegen. Auf Schwarzmärkten haben die Käufer dagegen keine gute Übersicht, da sie die Qualität kaum beurteilen können.

In ihrer Auswertung der Erfahrungen aus den USA kommt die Stiftung Sucht Schweiz zum Schluss, bei Minderjährigen scheine es keinen Anstieg des Konsums gegeben zu haben, unter jungen Erwachsenen sei dies aber der Fall. Die Cato-Studie sieht dagegen keinen eindeutigen Effekt. Positiv ist, dass der Schwarzmarkt tendenziell stark zurückgeht. In Kanada, das 2018 den Verkauf von Cannabis legalisierte, sagen gemäss dem statistischen Amt mittlerweile zwei Drittel der Konsumenten, dass sie Cannabis aus legalen Quellen bezögen.

Schweiz: Erfahrung mit CBD-Cannabis

Man muss aber gar nicht in die Ferne schweifen, auch die Schweiz liefert Anhaltspunkte, was nach einer generellen Legalisierung geschehen könnte. Cannabis mit einem sehr geringen THC-Gehalt von weniger als 1% gilt nicht als Rauschmittel. THC oder Tetrahydrocannabinol ist die wichtigste psychoaktive Substanz, die einen «high» macht und bei häufigem Konsum zu einer Minderung der Gedächtnisleistung führen kann.

Es hat sich in der Schweiz nun seit 2016 ein Markt für CBD-Cannabis etabliert. CBD steht für Cannabidiol, das kein Suchtpotenzial birgt und dem eine entspannende Wirkung zugeschrieben wird. In der Schweiz habe sich seither rasch ein Markt mit einer Vielzahl von Anbietern und einer grossen Vielfalt von Produkten entwickelt, schreibt die Eidgenössische Kommission für Suchtfragen. Während der Markt sich zunächst rasant entwickelte, ist der Boom mittlerweile aber vorbei.

Das Beseitigen des Schwarzmarktes ist neben dem Jugendschutz denn auch das zentrale Ziel einer Legalisierung: So erörtert die Kommission für Suchtfragen, dass auf Schwarzmärkten die Produkte verunreinigt sein oder sehr hohe THC-Konzentrationen aufweisen können, was unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. So kann ein hoher THC-Gehalt bei anfälligen Personen Psychosen auslösen. Die Legalisierung verbesserte hier die Transparenz.

Uruguay: Register für Cannabis-Konsumenten

Internationale Erfahrungen legen zudem Zielkonflikte offen. Hohe Steuern und eine strikte Regulierung dürften jedenfalls dazu führen, dass der Schwarzmarkt nur bedingt ausgetrocknet wird. In Uruguay müssen sich die Konsumenten in ein Register eintragen lassen, was kaum zum Mitmachen in dem stark regulierten Markt animieren dürfte.

Dass Erwachsene ihre Konsumentensouveränität auf legalen Märkten besser ausüben können als auf illegalen, leuchtet ein. Die berühmt-berüchtigte Alkohol-Prohibition in den USA musste 1933 nach dreizehn Jahren wieder aufgehoben werden. Bei Marihuana blieben Verbote in einzelnen Gliedstaaten zwar rund hundert Jahre bestehen, doch die Bewegung zur Legalisierung ist nun in vollem Gang. Die Erkenntnis setzt sich durch: Verbote schützen Menschen gerade auch im Internetzeitalter nicht vor Drogen.

12 Kommentare
Werner Moser

Je genauer, schärfer, eindeutiger sich der Missbrauch von Cannabis durch das Gesetz ausgrenzen lässt, desto überzeugender wird sich eine Legalisierung demokratisch legitimieren lassen. Eine Pflanze mit sehr grossem Gebrauchspotenzial in vielen Bereichen. Gegen eine kluge und weitsichtige Legalisierung ist die Kriminalität und ein Schwarzmarkt - effiziente Strafverfolgungsbehörden vorausgesetzt - kaum mehr ein gesellschaftliches Problem. Insbesondere Kanada ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Dort hat sich mit Cannabis eine eindrückliche, neue Wirtschaftlichkeit entwickeln. Mit grossem Potential für mehr neue Produkte und Anwendungsbereiche. Davon sollte sich auch die CH motivieren lassen. Nicht zuletzt mit Blick auf die medizinischen- / gesundheitlichen Bereiche. Aber bei weitem nicht nur. Jeder Tag, bei welchem diesbezüglich nichts geschieht, ist ein verlorener Tag.

Dominik Häusermann

Mir ist bis heute schleierhaft, wie ein an sich liberaler Rechtsstaat den Konsum einer Pflanze verbieten kann, nur weil sie eine berauschende Wirkung hat. Kommt dazu, dass ein Verbot mit verhältnismässigen Mitteln gar nicht durchzusetzen ist. Prohibition war und wird  immer zum Scheitern verurteilt sein. Wann wird man das wohl einmal einsehen?

Passend zum Artikel

Mehr von Christoph Eisenring (cei)

Mehr von Christoph Eisenring (cei)

Weitere Artikel
Weitere Themen