Schweizer Lohnlücke mit am geringsten

Wie gross ist die Lücke zwischen Frauen- zu Männerlöhnen? Berücksichtigt man diverse lohnrelevante Faktoren, ist die Differenz in der Schweiz unter 24 Ländern sehr niedrig, sagt eine neue Studie.

Christoph Eisenring, Berlin
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Die Auswertungen legen jedenfalls nahe, dass eine Diskriminierung von Frauen durch die Arbeitgeber die Ausnahme ist – gerade auch in der Schweiz. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Die Auswertungen legen jedenfalls nahe, dass eine Diskriminierung von Frauen durch die Arbeitgeber die Ausnahme ist – gerade auch in der Schweiz. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

In der Schweiz verdienen Frauen im Schnitt knapp einen Fünftel weniger als Männer. In Deutschland, den Niederlanden oder Grossbritannien liegen diese «Lohnlücken» in einer ähnlichen Dimension, wenn man auf den durchschnittlichen Bruttostundenlohn abstellt, wie ihn die europäische Statistikbehörde Eurostat ausweist. Berlin plant nun ein «Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern». Es sieht für grössere Firmen umfassende Berichtspflichten vor. Angestellte sollen zudem ein Recht auf Auskunft über Löhne von Kollegen erhalten, die «gleichwertige Arbeit» leisten. Aus der Differenz von einem Fünftel kann man jedoch keinesfalls auf Diskriminierung durch die Firmen schliessen, wie das die Politik gerne tut. Vielmehr stecken dahinter grösstenteils individuelle Entscheide zur Ausbildung, zur Branche oder zur Aufteilung der Kinderbetreuung, die nichts mit Benachteiligung durch den Arbeitgeber zu tun haben.

Schweiz in der Spitzengruppe

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat sich deshalb bei 24 Ländern angeschaut, wie viel von der Lohndifferenz noch übrig bleibt, wenn man diverse Faktoren berücksichtigt, die den Lohn beeinflussen: Dazu zählen Merkmale wie Alter, Geburtsland, Bildungsniveau, dann aber auch die Berufserfahrung sowie der Beruf, die Hierarchiestufe, die Grösse des Betriebs und die Branchenzugehörigkeit. So sind Frauen zum Beispiel öfter als Männer in Kleinstunternehmen tätig, man denke an Coiffeusen oder Verkäuferinnen. Doch kleine Firmen zahlen tendenziell tiefere Löhne als grosse. Zudem ist etwa die Bezahlung in der Pflege niedriger als in technischen Berufen der Industrie, in denen Männer stärker präsent sind.

Mit diesen Faktoren lässt sich nun in vielen Ländern der Grossteil der Lohndifferenz zwischen Mann und Frau erklären. Die Grafik zeigt, was nach dieser Bereinigung noch übrig bleibt. In der Schweiz beträgt der nicht erklärbare Lohnunterschied dann lediglich noch 2,9%. Oder anders gesagt: Die beschriebenen Faktoren haben die ursprüngliche Lohnlücke um über vier Fünftel verringert. Kleiner ist die verbleibende Lücke unter den insgesamt 24 betrachteten Ländern nur noch in den Niederlanden. In Deutschland beträgt der Lohnabstand noch 6,6% – das ist ein Viertel der ursprünglich beobachteten Lohndifferenz.

Berlin plant eine «Lohnpolizei»

Kann man die 2,9% für die Schweiz oder die 6,6% für Deutschland nun als Indiz für eine Diskriminierung der Frauen auffassen? Nicht wirklich, denn die verwendeten Daten haben Lücken. So macht es einen Unterschied, ob man in Teilzeit- oder Vollzeitstellen Erfahrung am Arbeitsmarkt gesammelt hat. Und nicht erfasst ist etwa auch das Verhalten in Lohnverhandlungen, wo Männer oft offensiver auftreten als Frauen.

Auch Angaben über Erwerbspausen für die Kindererziehung sind in diesem Datensatz nicht verfügbar. Gemäss einer früheren Studie des Instituts mit deutschen Daten verkleinert sich nämlich die Lohnlücke auf nur noch 2% für Mütter, die nach der Geburt eines Kindes weniger als anderthalb Jahre dem Erwerbsleben fernbleiben. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, die Unterbrechungen kurz zu halten.

Die Auswertungen legen jedenfalls nahe, dass eine Diskriminierung von Frauen durch die Arbeitgeber die Ausnahme ist – gerade auch in der Schweiz. Die Unterschiede lassen sich zum allergrössten Teil auf individuelle Entscheide oder Absprachen in der Partnerschaft zurückführen, in die sich der Staat nicht einmischen sollte.

Er kann aber etwa mit seinem Steuerrecht – Stichwort: Individualbesteuerung contra gemeinsame Veranlagung – oder einem besseren Angebot an Ganztagesschulen gewisse Hürden reduzieren, die die Arbeitsaufnahme für Frauen schwierig oder unattraktiv machen. Eine «Lohnpolizei», wie sie Berlin vorschwebt, ist dagegen ein unnötiger Eingriff in die Vertragsfreiheit sowie in die Autonomie der Tarifparteien, die in vielen Branchen die Löhne aushandeln.