Nach Zweifel am Altersrekord von Jeanne Calment: Forscher bestätigen erneut ihr langes Leben

Die Rekordhalterin in der Langlebigkeit erreichte ein Alter von 122 Jahren. Allerdings wurde der 1997 verstorbenen Französin auch schon Betrug vorgeworfen. Doch nun belegen Forscher erneut, dass ein so langes Leben für Menschen möglich ist.

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Im Jahr 1995 lebte Jeanne Calment noch, in einem Altersheim in Arles. Damals war sie 120 Jahre alt. (Bild: Jean-Paul Pelissier / Reuters)

Im Jahr 1995 lebte Jeanne Calment noch, in einem Altersheim in Arles. Damals war sie 120 Jahre alt. (Bild: Jean-Paul Pelissier / Reuters)

(sda) / lsl.

Auch mehr als zwanzig Jahre nach ihrem Tod hält Jeanne Calment den Rekord als bisher langlebigster Mensch. Doch rief ihr hohes Alter von 122 Jahren und 156 Tagen immer wieder Zweifler auf den Plan. Forschende um den russischen Mathematiker Nikolay Zak hatten 2018 die Debatte um das Alter von Jeanne Calment neu angefacht. Sie hielten den Altersrekord für statistisch unmöglich und stellten die Hypothese eines Identitätstauschs auf: Demnach soll 1934 die Tochter Yvonne die Identität der Mutter übernommen haben, um die Erbschaftssteuer zu umgehen. Yvonne war offiziell 1934 an Tuberkulose gestorben.

Forschende der Universität und des Universitätsspitals Genf (HUG) liefern nun jedoch zusammen mit Kollegen aus Frankreich historische und epidemiologische Beweise für das hohe Alter der Jeanne Calment. Mit einem mathematischen Modell zeigen sie, dass Menschen tatsächlich über 120 Jahre alt werden können. Davon berichten die Wissenschafter im Fachblatt «Journal of Gerontology».

Beweisführung mit Mathematik

Beteiligt an der Studie war auch Jean-Marie Robin vom Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (Inserm) und der École Pratique des Hautes Études (Ephe) in Frankreich. Er hatte bereits 1998 historische Nachweise für Calments hohes Alter in einem Fachartikel präsentiert und sie auch vor ihrem Tod mehrmals getroffen, um ihren Status als ältester Mensch zu bestätigen, wie die Universität Genf und HUG in einer Mitteilung festhielten.

Die «Verschwörungstheorie» des russischen Teams habe seine Arbeit infrage gestellt, liess sich Robin zitieren. In der Folge analysierte das schweizerisch-französische Team die historischen und demografischen Belege noch einmal von null an. Das Team um François Herrmann von der Universität Genf und dem HUG fokussierte dabei auch auf die mathematische Hypothese, auf die sich das russische Team gestützt hatte.

«Ist es möglich, 122 Jahre alt zu werden? Diese Frage fasst die ganze Kontroverse um Jeanne Calment zusammen», sagte Herrmann. Daher entwickelten er und sein Team ein mathematisches Modell basierend auf demografischen Daten. Sie rekonstruierten damit die Lebensdauer aller Menschen in Frankreich, die 1875 geboren wurden, im Geburtsjahr von Calment. Die gleiche Übung führten sie für alle 1903 geborenen Franzosen durch – der jüngste Jahrgang, von dem es keine Überlebenden mehr gibt. Basierend auf diesen Daten berechneten sie die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person das Alter von 100, 101, 102 und so weiter erreicht.

Maximum liegt bei 123 Jahren

Diese Wahrscheinlichkeiten nutzten sie, um die maximale Überlebensdauer zu berechnen, und kamen auf 119 bis 123 Jahre. Rund eine Person unter 10 Millionen Hundertjährigen könne 123 Jahre alt werden, fasste Herrmann zusammen. Die Wahrscheinlichkeit ist damit äusserst klein, unmöglich ist Jeanne Calments hohes Alter aber nicht. Sie sind nicht die einzigen Forscher, die aufgrund von mathematischen Berechnungen ein so langes Leben für denkbar halten. Die wissenschaftliche Debatte läuft schon seit mehreren Jahren.

Zum Zeitpunkt von Calments Tod war die nächste älteste noch lebende Person zehn Jahre jünger. «Eine deutliche Lücke, die Frau Calment zu einer Anomalie macht», sagte Herrmann gemäss der Mitteilung. Seither habe jedoch eine Person das Alter von 119 Jahren erreicht, und fünf weitere seien 117 Jahre alt geworden. «Die Lücke wird kleiner», so Herrmann. Calment sei ihrer Zeit einfach ein wenig voraus gewesen.

In Ihrer Publikation listen sie mehrere offizielle Dokumente aus verschiedenen Stadien in Calments Leben auf, die die Identität der Französin zweifelsfrei belegen. Die angesehene Familie Calment sei in dem kleinen Dorf Arles auch zu bekannt gewesen, als dass die Tochter unbemerkt die Identität der Mutter hätte übernehmen können, schreiben die Forscher. Das Leben von Calment sei eines der best dokumentierten Superalten; als solche werden Menschen bezeichnet, die über 110 Jahre alt werden. Sie bezeichnen Zaks Hypothese daher als Verschwörungstheorie.

Was Calment zu einem solch hohen Alter verhalf, könnte eine Mischung aus günstigen Erbanlagen und Glück gewesen sein, sagte Robin. Viele ihrer Vorfahren hätten ebenfalls sehr lang gelebt, ebenso ihr Bruder. Die Familie war zudem wohlhabend und gebildet, zwei sozioökonomische Faktoren, die Langlebigkeit auch heute noch begünstigen. Da Calments Enkel allerdings jung und ohne Nachkommen bei einem Autounfall starb, ist es unmöglich, die Langlebigkeit dieser Familie weiter zu untersuchen.