Gentechnisch veränderte Kohlmotten zur Schädlingsbekämpfung erprobt

Gentechnisch veränderte Schädlinge, die ein Absterben ihrer eigenen Population verursachen, könnten eine wichtige Alternative zu den millionenfach versprühten Insektiziden werden.

Stephanie Lahrtz
Drucken
Die Kohlmotte schädigt Kohlpflanzen.

Die Kohlmotte schädigt Kohlpflanzen.

gbohne
/ www.flickr.com (CC BY-SA 2.0)

Anthony Shelton, Entomologe an der Cornell University in New York, erforscht seit drei Jahrzehnten die Kohlmotte (Plutella xylostella). Der nur wenige Zentimeter grosse Schädling, der Kohlarten von Raps bis Brokkoli befällt und jedes Jahr weltweit Schäden in Höhe von vier bis fünf Milliarden Dollar verursacht, wird gewöhnlich intensiv mit Insektiziden bekämpft. Im Verlauf der letzten Jahre sind die fortpflanzungsfreudigen Motten allerdings gegenüber mehreren Insektiziden resistent geworden. Shelton suchte nach einer Alternative. Seit einigen Jahren testet er nun gentechnisch veränderte Kohlmotten, deren Nachkommen aufgrund der Manipulation absterben. Diese Woche hat sein Team zusammen mit der Firma Oxitec, die die gentechnisch veränderten Motten produziert, die Ergebnisse des ersten Freilandversuchs mit den Insekten in der Fachzeitschrift «Frontiers in Bioengineering and Biotechnology» veröffentlicht.

Gentech-Motten verhalten sich wie wilde Artgenossen

Für die Versuche hatte man im Juni 2017 im Gliedstaat New York ein rundes Feld mit einem Durchmesser von 190 Metern mit Kohl bepflanzt. Dann wurden dort in mehreren Zyklen veränderte Oxitec- und gewöhnliche Kohlmotten ausgesetzt. Die Gentech-Motten hätten sich im Freiland sehr ähnlich wie ihre unveränderten Artgenossen verhalten, berichtet Shelton. Die Individuen überlebten 8 bis 15 Tage. Zudem waren sie standorttreu, keine Motte wurde mehr als fünfzig Meter von dem Platz, an dem sie freigelassen worden war, in speziellen Fallen gefunden. Auch das Paarungsverhalten der Gentech-Männchen entsprach demjenigen unveränderter Artgenossen, erstere waren zudem den Wildtyp-Männchen nicht unterlegen.

Die Gentech-Motten tragen ein Gen, das unkontrolliert produziert wird und so die zellulären Systeme überfordert. Aus Mangel an wichtigen Proteinen sterben die Tiere. Es werden dabei jeweils nur männliche Gentech-Motten ausgesetzt. Wenn sich diese nun mit Wildtyp-Weibchen paaren und die Gene weitergeben, gibt es im Verlauf weniger Wochen immer weniger Schädlinge.

Laut Shelton liefern die neuen Beobachtungen wichtige Hinweise darauf, dass die Anwendung der Gentech-Motten sicher ist. Frühere Experimente mit den Oxitec-Motten im Gewächshaus hätten zudem gezeigt, dass die Schädlingspopulation wie gewünscht stark reduziert worden sei, nachdem man zusätzlich Gentech-Motten freigelassen habe. Es sei im Gewächshaus nicht zu einem totalen Verschwinden aller Motten gekommen, betont Shelton, aber die Anzahl der Schädlinge sinke auf ein auch wirtschaftlich akzeptables Niveau. Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob das unter realen Bedingungen im Freiland auch so passiert.

Angedacht sei nun, dass man bei einem starken Schädlingsbefall zweimal die Woche über einen längeren Zeitraum Gentech-Motten aussetze, bei einem schwächeren Befall entsprechend weniger, sagt Shelton.

Viele Feldversuche mit Gentech-Moskitos

Die Gentech-Motten sind nicht die ersten Insekten mit absterbenden Nachkommen, die von Oxitec hergestellt und ausgesetzt worden sind. Seit 2010 gab es an mehreren Orten, unter anderem in Brasilien, in unterschiedlichen Experimenten Freisetzungen von Gentech-Moskitos der Art Aedes aegypti. Vertreter dieser Spezies übertragen gefährliche Viren wie Zika oder Dengue. Mithilfe der Gentech-Moskitos konnte die vor Ort lebende Moskitopopulation in den Versuchen um bis zu 96 Prozent reduziert werden. Ausgerottet wurden die gefährlichen Quälgeister dabei nicht.

Kritiker von Gentech-Insekten warnen davor, dass man nicht vorhersagen könne, was im Ökosystem geschehe, wenn Nachkommen von Gentech-Schädlingen oder Gentech-Moskitos nicht wie geplant stürben. Oxitec gibt an, dass in Laborversuchen einige wenige Prozent der Gentech-Insekten überleben. Eine Studie hatte im letzten Herbst Hinweise dafür geliefert, dass bei einem Freilandversuch mit Gentech-Moskitos kleine Erbgutschnipsel dieser Insekten tatsächlich in Wildtyp-Moskitos überlebt hatten. Allerdings ist völlig unklar, ob dies irgendeine Bedeutung für das Ökosystem hat.