Junge Sternsysteme sind vielfältiger als gedacht

Selbst die jüngsten Planetensysteme weisen eine erstaunliche Fülle von Details wie Ringen und Spiralarmen auf. Das hat eine Durchmusterung naher Sterne mit dem Alma-Teleskop ergeben. Die Ergebnisse überraschen die Forscher: Bisher hatte man geglaubt, dass derartige Strukturen viel mehr Zeit benötigen, um sich zu bilden.

Helga Rietz
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Das Wissen über die Entstehung von Planeten um einen jungen Stern ist noch recht lückenhaft: Zwar haben Astronomen in den vergangenen Jahrzehnten Hunderte Planetensysteme mit unterschiedlichen Eigenschaften entdeckt, katalogisiert und eingehend untersucht. Doch bleibt weiter unklar, wie es genau dazu kommt, dass sich einerseits riesige Gasplaneten, andererseits eisige Zwergplaneten oder feste Gesteinskugeln wie die Erde bilden.

Überrascht von der Fülle an Details

In diese Lücke stösst das Projekt «Disk Substructures at High Angular Resolution» (Dsharp), das eine internationale Astronomengruppe am Alma-Teleskop in Chile durchgeführt hat. Dieses Teleskop ist für elektromagnetische Strahlung im Submillimeter-Bereich empfindlich – genau jene Wellenlängen, die feine Staubkörnchen in der Umgebung eines Sterns aussenden. Damit eignet sich Alma, um die Verteilung von Staubteilchen in sogenannten protoplanetaren Scheiben zu untersuchen. Diese Scheiben sind – so dachte man jedenfalls – noch weitgehend unstrukturierte Hüllen aus Gas und Staub, in denen sich im Lauf vieler Jahrmillionen Planeten und kleinere Himmelskörper bilden.

Doch zeigt die Durchmusterung mit dem Alma-Teleskop, dass diese Scheiben auch in einem frühen Stadium der Planetenentstehung bereits eine Fülle von Details aufweisen. Die Forscher fanden deutlich ausgeprägte Ringe, Spiralarme, ebenmässige Staubscheiben mit Lücken oder fein abgestuften Dichteverteilungen. Die Ergebnisse erscheinen heute in einer Sonderausgabe der «Astrophysical Journal Letters.»

In einem Bild zusammengefasst: die Ergebnisse des «Disk Substructures at High Angular Resolution»-Projektes (Dsharp), bei denen mit dem Alma-Teleskop 20 nahe gelegene protoplanetare Scheiben in bisher unerreichter Auflösung abgebildet wurden. (Bild: Alma, ESO/NAOJ/NRAO, S. Andrews et al.; NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello)

In einem Bild zusammengefasst: die Ergebnisse des «Disk Substructures at High Angular Resolution»-Projektes (Dsharp), bei denen mit dem Alma-Teleskop 20 nahe gelegene protoplanetare Scheiben in bisher unerreichter Auflösung abgebildet wurden. (Bild: Alma, ESO/NAOJ/NRAO, S. Andrews et al.; NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello)

Was die Daten für unser Bild von der Planetenentstehung bedeuten

In einer Pressemitteilung der American Astronomical Society (AAS) berichten die beteiligten Wissenschafter, was diese Ergebnisse für die Erforschung der Planetenentstehung bedeuten: Es könne sein, dass grosse Planeten vom Kaliber eines Neptuns oder Saturns wesentlich schneller entstehen, als das laut den gängigen astrophysikalischen Theorien der Fall sei.

Weiter gehen die Modelle derzeit davon aus, dass Planeten in einem mehrere Millionen Jahre andauernden Prozess entstehen. Dabei sollten zunächst Staubteilchen zu grösseren Partikeln verklumpen, diese dann nach und nach wachsen, bis sich in einer Art Schneeballsystem die unterschiedlich grossen Planeten – vom kleinen Asteroiden bis zum Gasriesen – bilden. Laut dieser Theorie dürfte man Strukturen wie die mit Alma beobachteten Ringe aber erst nach Jahrmillionen beobachten können.

Doch in den neuen Daten tauchen sie schon in protoplanetaren Scheiben auf, die erst etwa eine Million Jahre alt sind. Zudem sind solche Strukturen offenbar eher die Regel denn die Ausnahme.

Modelle müssen modifiziert werden

Die neuen Daten geben Astrophysikern also eine Menge zu tun. Sie dürften aber auch Auswege aus so manchem Dilemma bieten: Etwa wird eine gleichmässige, unstrukturierte protoplanetare Scheibe instabil, sobald die Staubklumpen in ihr eine gewisse Grösse überschreiten. In der Folge müssten die vielen kleinen «Schneebälle» in ihren Mutterstern stürzen, lange bevor daraus Planeten vom Kaliber eines Mars oder einer Erde werden können. Hier könnten die mithilfe des Alma-Teleskops entdeckten Staubringe Abhilfe schaffen: Sie böten grösseren Staubpartikeln einen sicheren Ort, an dem sie zum Planeten heranwachsen könnten, so die Forscher in der Pressemitteilung.