«Milliarden-Abzocke»?: Der Faktencheck zur Stadion-Initiative der Zürcher SP

An dem Stadion-Projekt des Zürcher Stadtrats mit zwei Hochhäusern lässt die SP-Parteileitung kein gutes Haar. Dabei nimmt sie es mit den Fakten nicht immer ganz genau.

Daniel Fritzsche
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Die SP stört sich an den angeblichen «Luxuswohnungen» in den geplanten Stadion-Hochhäusern. (Bild: www.nightnurse.ch)

Die SP stört sich an den angeblichen «Luxuswohnungen» in den geplanten Stadion-Hochhäusern. (Bild: www.nightnurse.ch)

  • Die SP sagt: Die Investoren HRS und CS erwirtschaften mit den Mietwohnungen in den Türmen neben dem geplanten Fussballstadion eine unzulässig hohe Rendite von 5,7 Prozent. Dies ist illegal.
  • Fakt ist: Es ist richtig, dass die privaten Investoren eine Rendite anstreben. Diese liegt jedoch insgesamt bei 4,5 und nicht bei 5,7 Prozent. Die SP trennt bei ihrer Berechnung das Stadion von den beiden Hochhäusern. Das ist insofern irreführend, als Stadion, Türme und Genossenschaftssiedlung im Investorenwettbewerb von Anfang an als Einheit – als «Ensemble» – konzipiert wurden. Die Hochhäuser wurden den Investoren explizit als Renditeobjekt zugesichert, damit diese das Stadion auf eigene Kosten übernehmen. Das vorgesehene Finanzierungsmodell hat sich in der gesamten Schweiz zur Realisierung insbesondere von Stadionprojekten etabliert.
    Die angestrebte Rendite auf einzelne Elemente des Gesamtprojekts herunterzubrechen, ist ein unsauberer Kniff. Dass eine marktübliche Rendite – seien es 4,5 oder 5,7 Prozent – illegal sei, ist hingegen eine unhaltbare Behauptung. Die SP bezieht sich in ihrer Argumentation auf ein Bundesgerichtsurteil. Dieses hält aber lediglich fest, dass eine Rendite bei Neubauten zulässig ist, solange sie bis zu 2 Prozent höher ist als der Referenzzinssatz (derzeit: 1,5 Prozent). Dass alles darüber illegal wäre, ist damit keineswegs gesagt.
    Selbst Walter Angst, AL-Gemeinderat und Sprecher des Zürcher Mieterverbands, bezeichnete die Schlussfolgerung der SP in der Parlamentsdebatte zum Stadion als «völlig aus der Luft gegriffen». Bei Grossprojekten wie dem «Ensemble» gelten Ausnahmebestimmungen. Für die angestrebte Rendite spricht, dass die Investoren ein hohes Risiko tragen und der Stadt ein Fussballstadion finanzieren. In Betracht gezogen werden müssen bei der Festsetzung auch die Orts- und Quartierüblichkeit. Das Businessmodell wurde zudem von einer Wettbewerbsjury einstimmig unterstützt und von drei unabhängigen Bewertungsfirmen beglaubigt.
  • Die SP sagt: Die Grossbank CS plant in den Hochhäusern Luxuswohnungen – mit Mieten von über 4000 Franken für eine Vierzimmerwohnung.
  • Fakt ist: In den beiden Türmen entstehen keine Billigwohnungen, aber gemäss immobilienwirtschaftlichen Kriterien auch keine Luxusappartements. Eine Wohnung mit zweieinhalb Zimmern kostet durchschnittlich 2300 Franken im Monat, eine mit dreieinhalb Zimmern 2600 Franken und eine mit viereinhalb Zimmern 3300 Franken. Marco Feusi ist Vorsitzender der Geschäftsleitung des renommierten Immobiliendienstleisters Wüest Partner. Er begleitet das Stadionprojekt als externer Berater. Die angestrebten Mietpreise in den Hochhäusern liegen für ihn nur leicht über dem Schnitt für vergleichbare Neubauten im Kreis 5. «Von Luxus würde ich darum nicht sprechen», sagt Feusi. Die Preise liegen in den Stückpreis-Quantilen – dem anerkannten Vergleichsinstrument der Branche – zwischen dem 55- und dem 60-Prozent-Quantil, wobei das 50-Prozent-Quantil den Durchschnittswert bezeichnet. Von Mietpreisen im Luxussegment spreche man erst oberhalb des 90-Prozent-Quantils. Überrissene Preise könne man an dieser eher peripheren Stadtlage, neben lauten Strassen und einem Fussballstadion, ohnehin nicht verlangen. Für die SP scheint jeder Mietpreis, der über der Kostenmiete liegt, in die Kategorie Luxuswohnung zu gehören.
    Dass die «Grossbank CS» mit den Wohnungen die saftigen Gewinne einstreiche, ist auch nicht wirklich korrekt. Als Investoren treten Anlagefonds und Stiftungen der Credit Suisse auf, wo wiederum mehrheitlich Schweizer Vorsorgeeinrichtungen investiert sind. Zugute kommt das Geld damit nicht Bankern, sondern einfachen Versicherten der zweiten Säule.
  • Die SP sagt: Das Geschäft ist eine «Milliarden-Abzocke». Der Rabatt für die Investoren auf dem Baurechtszins ist grösser als die Kosten des Stadions. Beim Heimfall nach 92 Jahren muss die Stadt Zürich der CS zudem rund eine Milliarde mehr bezahlen, als sie einer Genossenschaft bezahlen würde, wenn diese ein gleich teures Projekt erstellte.
  • Fakt ist: Diese Berechnungen beruhen auf stark hypothetischen Annahmen. Zudem werden Birnen mit Äpfeln verglichen. Der Zürcher Finanzvorsteher Daniel Leupi (gp.) sprach von einer «Milchbüchleinrechnung», Mietervertreter Walter Angst (al.) von «ökonomischem Blödsinn». Der Hauptfehler, den die SP begeht: Sie vermischt ein kommerzielles mit einem gemeinnützigen Projekt. Den beiden privat finanzierten Wohntürmen setzt sie eine fiktive Genossenschaftssiedlung entgegen. Um der Stadt jedoch einen jährlichen Baurechtszins von 1,6 Millionen Franken zahlen zu können, wie dies der SP vorschwebt, müsste eine Genossenschaft auf dem kleinen Spickel Land in Zürich-West nicht weniger als 1400 Wohnungen erstellen. Dafür wären Hochhäuser nötig, welche die geplanten bei weitem überstiegen – sofern dies architektonisch überhaupt realisierbar wäre.
    Gemäss Vertrag zahlen die Investoren für das Land mit den Türmen einen jährlichen Baurechtszins von 1 Million Franken. Laut städtischer Schätzungskommission wäre für das Grundstück mit diesem Projekt ein Baurechtszins von bis zu 2,7 Millionen möglich. Die Investoren zahlen weniger, weil die Stadt eine konkrete Gegenleistung – ein fremdfinanziertes und -betriebenes Stadion – erhält. Die 1,7 Millionen Franken, die der Stadt theoretisch pro Jahr entgehen, behandelt die SP, als wären sie ein Verlust. Tatsächlich ist es ein bewusst gewählter Einnahmenverzicht. Steuergelder gehen dadurch nicht verloren.
    Gänzlich absurd wird die Rechnung, wenn die SP mit dem Heimfall argumentiert. Der Baurechtsvertrag mit den Investoren hat eine Laufzeit von 92 Jahren. Danach fallen die Wohntürme in die Hände der Stadt, wofür diese der CS eine sogenannte Heimfallentschädigung bezahlt. Die SP kommt dafür mit einer Teuerungsannahme von 1,5 Prozent über die 92 Jahre auf einen Betrag von 1,3 Milliarden Franken.
    Wenn man schon aus heutiger Sicht solch hypothetische Berechnungen anstelle, dann liege dieser Wert aber tatsächlich tiefer, sagt Marco Feusi von Wüest Partner. Zudem erhalte die Stadt im Gegenzug zwei Wohntürme – zu allem hin mit einem ausgehandelten Rabatt von 20 Prozent; sie muss nicht den effektiven Gebäudewert bezahlen. Was die Stadt mit den Hochhäusern anstellt, ist anschliessend ihr überlassen. Verkauft sie sie weiter, könnte sie ein gutes Geschäft machen. Angesichts dieser Fakten von Abzocke zu sprechen, ist schlicht unredlich. Diese Heimfallregelung entspricht zudem der gängigen städtischen Praxis bei kommerziellen Baurechtsabgaben.
  • Die SP sagt: Mit ihrer Initiative kommt Zürich «günstiger und schneller und erst noch mit 100 Prozent gemeinnütziger Wohnungen» zu einem echten Fussballstadion.
  • Fakt ist: Die SP will mit ihrer Initiative erreichen, dass die Stadt 130 Millionen Franken aus dem öffentlichen Haushalt ausgibt, um ein Stadion zu finanzieren. «Günstiger» als das konkrete Projekt, das auf dem Tisch liegt, ist dies nicht. Zudem kann das Stadion in den Büchern nicht sofort abgeschrieben werden, sobald es gebaut ist. Auch eine Beteiligung der Stadt an die jährlichen Betriebskosten kann nicht ausgeschlossen werden. Die finanziell angeschlagenen Fussballklubs allein können die Beträge kaum zahlen.
    «Schneller» dürfte es mit der Initiative ebenfalls nicht gehen. Rekurse sind auch bei einem SP-Projekt so gut wie sicher. Zudem müsste die Stadt erneut einen grossangelegten Wettbewerb ausschreiben. Es müssten Vorprojekte und ein Gestaltungsplan erarbeitet werden. Dies allein würde sicher zwei Jahre dauern.
    Vergessen wird auch gern, dass die CS der Stadt angeboten hat, 125 zusätzliche Wohnungen in verschiedenen Liegenschaften in Zürich aus ihrem Portfolio abzutreten. Diese könnten dann gemeinnützig vermietet werden – zusätzlich zu den 174 Genossenschaftswohnungen, die im Ostteil des Hardturmareals geplant sind. Dass «Ensemble» ein rein profitgetriebenes Abzocker-Projekt ohne Nutzen für Zürich ist, wie dies die SP unterstellt, stimmt so nicht. Auch dieses Argument verpufft bei näherer Betrachtung.