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Machu Picchu Die verlorene Stadt der Inka

Langsam löst sich der Morgennebel auf. Durch den dichten Urwald der Anden dringen die Schreie von Brüllaffen und Papageien. Nur noch wenige Meter bis zum letzten Bergpass. Vor den Trekking-Teilnehmern liegt die "Verlorene Stadt der Inka" - Machu Picchu.

Lima - Machu Picchu, das heißt übersetzt: Der alte Berg. Vier Tage lang haben sich die Wanderer durch tropische Nebelwälder gekämpft, reißende Gebirgsflüsse und Bergpässe von bis zu 4300 Metern Höhe überquert. Dafür wurden sie nun mit dem wohl spektakulärsten Ausblick in ganz Südamerika belohnt.

Erst vor 90 Jahren hatte der amerikanische Archäologe Hiram Bingham Machu Picchu entdeckt. Mehrere Chronisten hatten von einer sagenumwobenen Stadt namens "Vilcabamba" berichtet. Schon die spanischen Konquistadoren hatten den letzten Zufluchtsort des Inka-Königs gesucht, aber nie gefunden. Der heilige Ort in 2400 Metern Höhe konnte nur über hohe Bergpässe auf dem Inkapfad erreicht werden. Die Eroberer bewegten sich aber ausschließlich in den Tälern fort.

So dauerte es 400 Jahre, bis Hiram Bingham die versunkene Stadt entdeckte. Ein Indianerjunge, der bei seinen Streifzügen auf Reste von Inka-Ruinen gestoßen war, führte Bingham 1911 in die vom Dschungel bedeckte Stadt.

Jahrzehnte nach seiner Entdeckung gibt Machu Picchu immer noch Rätsel auf. Welche Bedeutung hatte der Ort für das Inka-Volk? Wer lebte hier? Und warum verließen sie die "Stadt in den Wolken", wie Bingham Machu Picchu nannte, bevor sie überhaupt ganz fertig gestellt war? Machu Picchu gehört immer noch zu den größten Mysterien der Archäologie.

"Neusten Forschungen zufolge war Machu Picchu ein religiöses und astronomisches Zentrum für die Gelehrten. Eine Art Universitätscampus. Dafür spricht unter anderem das Observatorium", erklärt Reiseleiterin Elena Garcia. Die rund 500 Einwohner hätten 1520 die erst hundert Jahre zuvor erbaute Stadt verlassen, um dem Inka-König Manco II. zu folgen, der vor den Spaniern auf der Flucht war. Doch auch diese Theorie kann schon bald wieder überholt sein.

Eines bezweifelt allerdings niemand: Vom Machu Picchu geht eine geradezu mystisch-beruhigende Ausstrahlung aus, bei der sogar einige Japaner den Fotoapparat los- und die Atmosphäre auf sich wirken lassen. Weit reicht der Blick ins tiefe Tal des Urubamba-Flusses. Der dichte Nebelwald lässt die Berggipfel wie tiefgrüne Teppiche erscheinen. Allein 90 verschiedene Orchideen gibt es an diesem Ort.

Beginnen sollte jeder Rundgang vom Haus des Grabfelsen-Verwalters. Von dieser höchstgelegenen Stelle hat man eine gute Übersicht über das 20 Hektar große Areal. Vorbei an landwirtschaftlich genutzten Terrassenflächen und einfachen Bauern- und Handwerkerhäusern gelangt man ins sakrale Zentrum der Stadt. Zahlreiche Tempel, Paläste und Bauten zur Beobachtung der Gestirne umgeben hier den Sonnentempel, das Wahrzeichen Machu Picchus.

In den fugenlosen Wänden des Rundturms befinden sich Nischen für Opfergaben und am Sockel des anstehenden Felsens vermuten Forscher das Königsgrab der Inka-Herrscher. Von hier aus erreicht man Intihuatana, den Ankerplatz der Sonne. Er stellte das wichtigste religiöse Heiligtum der Stadt dar und war das Zentrum für astronomische Beobachtungen. Er ist der einzige Sonnenstein der Inka, der nicht von den Spaniern zerstört worden ist. Mit ihm berechneten die Priester die Sonnenwende und konnten so den Beginn der Regen- und Trockenzeit bestimmen, was besonders wichtig für die Aussaat war. Neben dem Sonnentempel erhebt sich der einst zweistöckige "Palast der Prinzessin".

Auch wenn sich heute die Bedeutung vieler Paläste und Tempel nicht mehr bestimmen läßt, so zeugen doch sämtliche Bauten von der perfektionierten Steinmetzkunst der Inkas. Mit Sand, Wasser und Meißeln bearbeiteten sie die tonnenschweren Felsblöcke so lange, bis sie ohne Zement so genau aufeinandergelegt werden konnten, dass selbst die schwersten Erdbeben der letzten 500 Jahre ihnen nichts anhaben konnten.

Um die Schönheit der gesamten Ruinen-Anlage zu genießen, sollte man abschließend den Huayna Picchu besteigen. Nur hundert Meter nördlich des Zentralplatzes beginnt der Weg zum 300 höher gelegenen Spitzberg. Zwar sind die schwindelerregenden Passagen durch dichte tropische Vegetation kein Kinderspiel, aber die Aussicht auf die Tempelanlagen ist atemberaubend.

Im vergangenen Jahr machten sich insgesamt 420 000 Touristen, darunter rund 25 000 Deutsche, auf den Weg zu der alten Inka-Festung, die die Unesco zum Weltkulturerbe ernannt hat. Über die Hälfte aller Touristen kommt allein deshalb nach Peru, um Machu Picchu zu besuchen. Das möchte Perus neuer Präsident Alejandro Toledo nun noch fördern. Bei seinem Amtsantritt erklärte er, den Tourismus im Land verfünffachen zu wollen. Demonstrativ ließ er den Vereidigungsakt zum Präsidenten auf den Machu Picchu verlegen.

Die Menschen der Andenregion werden es ihm danken. Zehntausende Bewohner der nahegelegenen Stadt Cusco leben von den Touristen, die in der ehemaligen Hauptstadt der Inkas übernachten müssen, bevor sie per Zug ins 120 Kilometer entfernte Aguas Calientes fahren. Von dort aus führt eine Serpentinenstraße hoch zum Machu Picchu. Doch ob dieser Weg einem größeren Besucheransturm standhalten wird, ist zweifelhaft. Vor einigen Wochen warnten japanische Forscher, dass die Umgebung des Machu Picchu bereits zwölf Zentimeter pro Jahr absacke. Mehr Touristen würden diese Entwicklung noch beschleunigen.

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