Spitalschliessung
180 Jobs fallen weg: Warum das Spital Heiden keine Zukunft mehr hat

Die Schliessung des Spitals Heiden sei «unausweichlich», solle nicht der gesamte Ausserrhoder Spitalverbund gefährdet werden, begründen die Ausserrhoder Regierung und der Spitalverwaltungsrat den Entscheid. Die 130 erhalten die Kündigung.

Jesko Calderara und Regula Weik
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Das Spital Heiden wird Ende Jahr geschlossen.

Das Spital Heiden wird Ende Jahr geschlossen.

Bild: Benjamin Manser

Hiobsbotschaft für das Appenzeller Vorderland: Das Spital Heiden wird per Ende Jahr geschlossen. Dies haben der Regierungsrat und der Verwaltungsrat des Spitalverbunds Appenzell Ausserrhodern (Svar) am Montag an einer gemeinsamen Medienkonferenz bekanntgegeben. Ausschlaggebend für den Entscheid ist gemäss den Ausführungen von Gesundheitsdirektor Yves Noël Balmer (SP) der schweizweit seit Jahren steigende wirtschaftliche Druck auf Landspitäler. Die fortschreitende Spezialisierung, die Verlagerung von Eingriffen vom stationären in den ambulanten Bereich, zu tiefe Fallzahlen und die ungünstige Entwicklung der Tarife in der Akutsomatik sowie der Psychiatrie führten beim Svar in den vergangenen Jahren zu hohen Defiziten. 2020 belief sich dieses auch wegen der Coronapandemie auf 7,2 Millionen Franken. Ohne die Finanzspritze des Kantons für Ertragsausfälle und Mehrkosten während der Pandemie wäre gar ein Minus von 13 Millionen Franken angefallen.

Yves Noël Balmer ist Ausserrhoder Gesundheitsdirektor.

Yves Noël Balmer ist Ausserrhoder Gesundheitsdirektor.

Bild: Arthur Gamsa

Aus diesem Grund haben die Regierung und der Verwaltungsrat die Notbremse gezogen. «Wenn wir jetzt zuwarten, riskieren wir den Niedergang des ganzen Spitalverbundes», sagte Gesundheitsdirektor Yves Noël Balmer mit Blick auf das schrumpfende Eigenkapital. Ende des vergangenen Jahres betrug dieses noch 32 Millionen Franken und lag damit um 50 Prozent tiefer als in den vergangenen Jahren. Svar-Verwaltungsratspräsident Andreas Zollinger bezeichnete die Höhe dieses finanziellen Polsters als «kritisch». Es reiche nicht aus, um die an allen drei Spitalstandorten notwendigen Investitionen zu tätigen. Zollinger sagte:

«Abgesehen davon ist es keine gesetzliche Aufgabe des Kantons, Geld für den Strukturerhalt einzuschiessen.»

Spital Heiden hat keine Versorgungsrelevanz

Andreas Zollinger ist VR-Präsident des Spitalverbunds AR.

Andreas Zollinger ist VR-Präsident des Spitalverbunds AR.

Bild: Arthur Gamsa

Die Verantwortlichen hatten in der Vergangenheit immer wieder versucht, mit Kosteneinsparungen die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Der Svar sei mittlerweile sehr effizient, so Zollinger. In Heiden waren vor allem die Fallzahlen und somit die Bettenauslastung für einen rentablen Betrieb aber zu tief. Dies trifft selbst auf die Geburtsabteilung zu, für welche das Spital im Vorderland lange Zeit überregional einen guten Ruf genoss. Das Spital Heiden habe heute keine Versorgungsrelevanz mehr, betonte Zollinger. Dies auch deshalb nicht, weil sich über 60 Prozent der Bevölkerung des Vorderlandes nicht in Heiden, sondern am St.Galler Kantonsspital, an der Klinik Stephanshorn in St.Gallen, am Spital Herisau oder Spezialkliniken. Für sieben bis acht Patienten pro Tag hat der Svar in Heiden 180 Mitarbeitende beschäftigt. Für Zollinger besteht hier ein «groteskes Missverhältnis». Das könne nicht funktionieren.

Paola Giuliani, CEO Spitalverbund AR.

Paola Giuliani, CEO Spitalverbund AR.

Bild: Arthur Gamsa

Die nun angekündigten Massnahmen haben für die 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Spitals Heiden schwerwiegende Konsequenzen. Sie verlieren ihre Arbeitsstelle, 130 Personen wird voraussichtlich gekündigt. Die Betroffenen würden bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle unterstützt, versicherte Paola Giuliani, CEO des Ausserrhoder Spitalverbundes. Anfang Mai werde am Spital Heiden ein Jobcenter eingerichtet. Ab sofort stehe eine Hotline der Personalabteilung zur Verfügung. Einigen wenigen Mitarbeitenden kann innerhalb des Spitalverbunds eine neue Stelle angeboten werden. Sämtliche Lernenden können ihre Ausbildung an einem der beiden Herisauer Standorte des Svar weiterführen und abschliessen. Und es werde ein Sozialplan ausgearbeitet, so Giuliani. Erste Kontakte mit den Sozialpartnern hätten stattgefunden. Nächste Woche sollen die Sozialplanverhandlungen beginnen. Der Spitalverbund ist der grösste Arbeitgeber im Kanton und beschäftigt rund 910 Mitarbeitende.

Keine Volksabstimmung notwendig über Spitalschliessung

Die neue Spitalstrategie in Appenzell Ausserrhoden sieht die Konzentration auf zwei statt drei Standorte vor. Es handelt sich dabei um das Spital Herisau sowie das ebenfalls in Herisau beheimatete Psychiatrische Zentrum, die ebenfalls defizitär wirtschaften. An beiden Orten sollen durch gezielte Investitionen, betriebliche Optimierungen und Kooperationen das Angebot «geschärft» werden, sagte Zollinger. Dazu ist eine stärkere Zusammenarbeit mit Zentrumsspitälern auf dem Gebiet der spezialisierten Medizin vorgesehen. In Heiden bleibt lediglich der Rettungsdienst bestehen, der von den Verantwortlichen als der verlängerte Arm der Spitäler bezeichnet wurde. Balmer betonte:

«Es bleibt niemand blutend daheim oder auf der Strasse liegen. Die Notfallversorgung bleibt sichergestellt.»

Dies treffe ebenso auf die stationäre Grundversorgung zu: 100 Prozent der Ausserrhoder Bevölkerung würden innerhalb 30 Minuten ein Grundversorger-Spital erreichen.

Im Gegensatz zu St.Gallen ist in Ausserrhoden der Regierungsrat abschliessend für Spitalschliessungen zuständig. Eine Volksabstimmung braucht es nicht. Das Spitalverbundgesetz wurde erst 2018 revidiert und die Spitalstandorte aus dem Gesetz gestrichen. Damals gab es im Vorderland Befürchtungen, wonach dieser Schritt zum Aus des Spitals Heiden führen könnte. Drei Jahre später trifft dies nun ein. Um den Ausserrhoder Spitalverbund wieder in die schwarzen Zahlen zu führen, genügt das allerdings nicht. Gemäss Balmer wird der Genesungsprozess wird weitere drei bis fünf Jahre dauern. Dazu könnte auch weitere finanzielle Hilfe des Kantons notwendig sein, wie der Gesundheitsdirektor andeutete. Dieser Punkt ist noch offen, genauso wie die Frage, was mit der Spitalimmobilie in Heiden geschieht. Vorgesehen ist, dass diese wieder ins Eigentum des Kantons überführt wird. Die Regierung will zudem die Eignerstrategie entsprechend anpassen.