«Für viele waren wir ein rotes Tuch»: Pius Frey, Mitbegründer der alternativen Buchhandlung Comedia, tritt in den Ruhestand

Einst boykottiert, jetzt etabliert: Die alternative Buchhandlung Comedia ist ein Kind bewegter Zeiten. Pius Frey und seine Mitgründer stiessen in den 1980er-Jahren auf viel Widerstand. Ein Porträt mit Rückblick.

David Grob
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Pius Frey hat am 31. Mai seinen letzten Tag in der «Comedia». (Bild: Ralph Ribi, 13. Mai 2019)

Pius Frey hat am 31. Mai seinen letzten Tag in der «Comedia». (Bild: Ralph Ribi, 13. Mai 2019)

Bücher reihen sich Rücken an Rücken und Deckel an Deckel aneinander. Der Geruch von Papier liegt in der Luft. Pius Frey sitzt an einem Tischchen, die Beine leicht weggedreht, die Augen schmal. Wenn er lächelt, dann schief. Oft reibt er während des Gesprächs seine Hände langsam über die Oberschenkel, mal nur die rechte, mal beide. Und doch wirkt er nicht fahrig, sondern ruhig und überlegt.

Pius Frey ist eines der Gründungsmitglieder der Buchhandlung «Comedia». Mehr als die Hälfte seines Lebens verbrachte er zwischen Büchern und Regalen und widmete sich der alternativen Buchhandlung. Nun tritt er ab in die Pension.

Die Lücke ausgefüllt

1982, Gründungsjahr der «Comedia». Vier waren sie, welche die Buchhandlung gründeten. Eine Bieridee, wie Frey in seiner leicht schleppenden Sprechweise erzählt. «Wir fanden alle, dass in St. Gallen etwas fehlt.» Eine alternative Buchhandlung hatte es zwar bereits einige Jahre zuvor gegeben, lange überleben konnte diese jedoch nicht.

Wie auch die Kunsthalle, der «Schwarze Engel» oder das «Kinok» ist die «Comedia» ein Kind der 1980er-Jahre. Der Buchladen organisiert sich aber als Genossenschaft. «Schnell kauften viele Leute Anteilscheine», sagt Frey.

Comics sind ein wichtiger Bestandteil

Entstanden aus einem Comic-Laden bildeten Comics immer einen wichtigen Bestandteil des Sortiments – und sind eines der Fachgebiete von Frey. «Ich mochte Comics schon immer, vor allem die ästhetischen», sagt Frey. Weiter betreut er die geisteswissenschaftlichen Sachbücher. Soziologie, Philosophie, aber auch Literatur über Musik. Wichtig ist Frey auch, den europäischen Blick auszuweiten und um Belletristik aus anderen Kulturen auszuweiten. Insbesondere Romane aus Afrika und der Karibik haben es Frey angetan.

Frey war denn auch Mitgründer des Vereins «Afrikaribik», der in der Grabenhalle und der «Comedia» afrikanische und karibische Kultur bekannter machte. Insbesondere Jamaica interessierte Frey. Fast ein ganzes Jahr lebte der Buchhändler anfangs der 1980er-Jahre auf der Karibikinsel.

Die Buchhandlung ist ein Kind bewegter Zeiten und wuchs unter schwierigen Bedingungen auf. Was links war, galt als verdächtig. Neuem gegenüber gab man sich misstrauisch. «Comics galten als Teufelszeugs», erzählt Frey und lächelt sein schiefes Lächeln. Er beschreibt ideologische Betonmauern, die sich durch gewisse Institutionen zogen.

«Für viele waren wir ein rotes Tuch.»

Junge Bibliothekare etwa, welche die Buchhandlung unterstützen wollten und für ihre Bibliothek in der «Comedia» einkauften, hätten ihren Einkauf in der Buchhaltung tarnen müssen, erzählt Frey. Der Chef sollte ja nichts davon erfahren.

«Wir mussten kämpfen, um akzeptiert zu werden.»

Die politischen Kämpfe ihrer Entstehungszeit hat die «Comedia» ausgestanden und ist heute etabliert. Dafür hat der wirtschaftliche Druck zugenommen. «Vor 15 Jahren standen wir zwischenzeitlich kurz vor der Schliessung», sagt der 65-Jährige. Diese konnte die Genossenschaft zwar abwenden, doch wie sämtliche Buchhandlungen gerät auch die «Comedia» durch den Internethandel vermehrt unter Druck. Kommt hinzu, wie Frey sagt, dass der Verkaufspreis für Bücher gesunken sei. Jetzt gehe es der «Comedia» zwar wieder besser, doch gutes Wirtschaften sei noch wichtiger geworden.

Links – aber nicht festgefahren

Frey sieht sich dezidiert als links. «Aber nicht festgefahren», schränkt er ein. Offenheit ist für ihn wichtig, was sich auch im Angebot der Buchhandlung zeige. Auch schätzt Frey an seiner Arbeit den Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen.

Oder vielmehr schätzte. Denn am 31. Mai ist Freys letzter Arbeitstag. Und sein Geburtstag. Er blickt dem Tag mit gemischten Gefühlen entgegen. «Ich habe viel Herzblut in den Laden gesteckt. Aber irgendwann muss man auch aufhören können.»

Hinweis: Pius Frey wird am Samstag, 18. Mai, ab 16 Uhr, und am Samstag, 25. Mai, ab 14 Uhr in der «Comedia» an der Katharinengasse 20 verabschiedet.