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USA Behörde prüft Todesfälle durch Homöopathie

Die Mittel sollen Babys die Schmerzen beim Zahnen nehmen. Nun warnt die US-Arzneimittelbehörde vor den homöopathischen Arzneien. Zehn Kleinkinder könnten durch die Einnahme der Globuli gestorben sein.
Globuli in einer Apotheke

Globuli in einer Apotheke

Foto: Peter Macdiarmid/ Getty Images

Homöopathische Arzneimittel enthalten keine oder die falschen Wirkstoffe, um Krankheiten zu heilen. Den meisten Nutzern ist das egal, denn der Placebo-Effekt allein kann Leiden lindern. Er entsteht durch Zuwendung und eine positive Erwartungshaltung. Die Mittel auszuprobieren kann also nicht schaden, denken viele. Zumal Globuli und Co. als nebenwirkungsarm gelten.

Aktuelle Untersuchungen aus den USA zeigen jedoch, dass im Umgang mit den Arzneien durchaus Vorsicht geboten sein kann. Die amerikanische Arzneimittelsicherheitsbehörde FDA hat eine Warnung für bestimmte homöopathische Präparate herausgegeben , die Kleinkindern die Schmerzen beim Zahnen erträglich machen sollen. Sie überprüft derzeit, ob der Tod von zehn kleinen Kindern durch die Tabletten verursacht wurde.

Eine erste Analyse spricht dafür. Die Tabletten werden auf Basis der Schwarzen Tollkirsche hergestellt, auch bekannt als Belladonna. Nach den Grundsätzen der Homöopathie (siehe unten) dürften die Wirkstoffe der Giftpflanze in den Tabletten allerdings nicht oder nur in winzigen Mengen nachweisbar sein. Tatsächlich ist mitunter aber doch mehr Wirkstoff enthalten, wie die FDA nach der Untersuchung mehrerer Tabletten  berichtet. Offenbar wurden die Produkte nicht stark genug verdünnt.

"Die Reaktion von Kindern unter zwei Jahren auf die Inhaltsstoffe der Schwarzen Tollkirsche sind unvorhersehbar und stellen ein unnötiges Risiko für Babys und Kleinkinder dar", sagt Janet Woodcock von der FDA. Der Behörde sei zudem kein gesundheitlicher Nutzen der Tabletten bekannt.

Grundsätze der Homöopathie

Das Verfahren wurde vor rund 200 Jahren von Samuel Hahnemann entwickelt. Er ging davon aus, dass Krankheiten mit Wirkstoffen geheilt werden, die bei Gesunden Symptome hervorrufen, die denen des Patienten ähneln. Diese Wirkstoffe, zum Teil giftige Substanzen wie Quecksilber, werden wiederholt in Flüssigkeit verdünnt. Die Annahme der Homöopathie: Durch Schütteln vor der Verdünnung wird die Kraft des Wirkstoffs verstärkt.

Homöopathische Mittel sind unter anderem als Flüssigkeit oder Salbe verfügbar oder als sogenannte Globuli - Zuckerkügelchen, auf welche die verdünnten Lösungen gesprüht wurden. Die Verdünnungen sind oft so hoch, dass sich im fertigen homöopathischen Mittel kein einziges Molekül des Wirkstoffs befindet. Auch eine von Homöopathen angegebene "Energie" des Wirkstoffs lässt sich nicht begründen.

400 Berichte von Nebenwirkungen

Anlass für die Analyse ist der Fall eines Kleinkindes, das 2016 nach der Einnahme der homöopathischen Tabletten mit epileptischen Anfällen ins Krankenhaus kam. Das Kind überlebte, doch der Vater meldete den Fall der FDA, die die Sicherheit homöopathischer Arzneien erst bei einem konkreten Verdacht überprüft. Die Behörde entdeckte daraufhin 400 weitere Berichte von Nebenwirkungen, die nach der Einnahme der Präparate aufgetreten waren - und die zehn Todesfälle.

Unter den häufigsten Beschwerden der erkrankten Kinder waren Krämpfe, Zittern, Fieber, Kurzatmigkeit und Lethargie. Tollkirschen enthalten den Wirkstoff Atropin, der diese Symptome auslöst. Er schwächt im Körper den Einfluss des sogenannten Parasympathikus. In der Folge können auch Sehstörungen, Herzrasen und Fieber auftreten. Höhere Dosen führen zum Koma und schließlich zum Atemstillstand.

Einsatz von Belladonna-Globuli in Deutschland

Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) teilt auf Anfrage des SPIEGEL mit, dass hierzulande keine Arzneien auf dem Markt seien, die mit den in den USA untersuchten vergleichbar sind. Für die sechs gegen Beschwerden beim Zahnen zugelassen homöopathischen Mittel lägen keine Meldungen über unerwünschte Wirkungen vor.

Globuli auf Basis der Schwarzen Tollkirsche, die nicht explizit gegen Schmerzen beim Zahnen angeboten werden, sind aber auch hierzulande verbreitet und beliebte Mittel für Kinder. Durch die starke Verdünnung kann man bei korrekter Herstellung davon ausgehen, dass sie so gut wie keinen Wirkstoff oder nur winzige Mengen enthalten. Kritiker befürchten allerdings, dass es bei den weniger verdünnten Mitteln doch zu Nebenwirkungen kommen kann und sich Schwermetalle wie Blei, die in manchen Produkten enthalten sind, im Körper anreichern.

In einer internationalen Studie aus dem Jahr 2016  kamen Forscher zu dem Schluss, dass Nebenwirkungen durch Homöopathie ähnlich häufig sind wie in der evidenzbasierten Medizin.

Im Gegensatz zu den USA, wird in Deutschland vor der Markteinführung überprüft, ob die Produkte nach Rezepten der Homöopathie hergestellt wurden, also stark verdünnt sind, oder die Produzenten die Unbedenklichkeit nachweisen können. Insgesamt gelten für homöopathische Arzneimittel aber auch hierzulande laschere Regeln als für herkömmliche Medikamente. Ihre Wirksamkeit wird in aller Regel nicht überprüft und ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Auch Nebenwirkungen werden nicht zentral erfasst.

Zulassung homöopathischer Arzneimittel in Deutschland

Homöopathische Arzneimittel unterliegen nicht denselben gesetzlichen Anforderungen wie die übrigen Arzneimittel. Sie müssen nicht unbedingt zugelassen werden, sondern können lediglich registriert werden. Dafür muss der Hersteller Qualität und Unbedenklichkeit des Präparats nachweisen und es muss nach den Vorgaben des Homöopathischen Arzneibuchs hergestellt sein. Diese Präparate dürfen aber keine Indikation nennen.

Steht auf der Packung eine Indikation, zum Beispiel "Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: Akute Entzündungen des Hals-, Nasen- und Rachenraums" ist das Mittel nicht bloß registriert, sondern zugelassen.

Aber: Die sonst für eine Medikamentenzulassung verpflichtenden klinischen Studien, die hohen Qualitätsansprüchen unterliegen und einen Wirksamkeitsnachweis erfordern, sind auch dann für homöopathische Arzneimittel in aller Regel nicht vorgesehen. Sie sind nur vorgeschrieben, falls ein Präparat verspricht, die Symptome einer schweren oder lebensbedrohlichen Krankheit zu bekämpfen.

USA, Australien und Russland sehen Homöopathie kritisch

Auch deshalb gibt es international vermehrt Kritik an dem Heilkonzept. Einige Staaten stellen sich inzwischen offiziell gegen die Homöopathie:

Bundesministerium übernimmt Schirmherrschaft bei Homöopathie-Kongress

Die deutsche Politik sucht derweil die Nähe zur Homöopathie. Wie das Bundesministerium für Gesundheit dem SPIEGEL bestätigte, hat die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz die Schirmherrschaft für den Weltärztekongress der Homöopathen 2017 in Leipzig übernommen.

Widmann-Mauz werde ein schriftliches Vorwort zur Verfügung stellen. Man wolle damit zum Ausdruck bringen, "dass dem wissenschaftlichen Diskurs in der Gesundheitsversorgung ein hoher Stellenwert zukommt". Dabei müsse klar sein, dass das Patientenwohl und die Patientensicherheit oberstes Richtmaß aller Behandlungsmethoden ist.

Auf dem Kongress soll es auch um die Wirksamkeit homöopathischer Mittel bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen und zur Behandlung von Kindern mit Autismus gehen. Das Informationsnetzwerk Homöopathie  sieht die Beteiligung des Bundesministeriums kritisch. Die Initiative klärt seit 2016 über Homöopathie auf.

Mitarbeit: Nina Weber, Irene Berres