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Umstrittene Kooperation Grüne machen Werbung für Airbus

Die Grünen brechen mit früheren Prinzipien: Ihre Stiftung knüpft enge Kontakte zum Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus, Spitzenpolitiker tauchen in einer PR-Broschüre auf.
Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt

Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt

Foto: Gregor Fischer/ dpa

"Wer die Welt kennenlernen und am globalen Austausch teilnehmen möchte, kommt um das Fliegen nicht herum." Sätze wie dieser stehen in einer Werbebroschüre, die Europas größter Luft- und Raumfahrtkonzern gemeinsam mit der Parteistiftung der Grünen herausgegeben hat. "Oben - Ihr Flugbegleiter", heißt das 55-seitige PR-Heftchen.

Die Kooperation zwischen der Airbus Group und der Heinrich-Böll-Stiftung ist das jüngste Zeichen, dass sich die Grünen von einigen ihrer Grundsätze verabschiedet haben. Zuletzt schlingerte man zwischen konservativen und linken Positionen in der Flüchtlingskrise. Jetzt nähert sich die Ökopartei auch noch der klimaschädlichen Luftfahrtbranche an.

Zudem gibt es offenbar kaum mehr Berührungsängste mit der Rüstungsindustrie. Airbus ist schließlich auch ein globaler Rüstungsriese. - die Grünen kämpfen öffentlich gegen Militärexporte.

Trotzdem finden sich Fotos mehrerer Grünen-Spitzenpolitiker in der Airbus-Broschüre, von Parteichef Cem Özdemir bis zu den Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter. Sie entstanden bei einer internen Diskussionsrunde im vergangenen September.

Broschüre von Airbus und der Heinrich-Böll-Stiftung

Broschüre von Airbus und der Heinrich-Böll-Stiftung

Foto: Airbus/ Heinrich-Böll-Stiftung

Neben Fachpolitikern aus Fraktion und Ländern nahmen Vertreter der Luftverkehrbranche sowie Umweltorganisationen teil. 2015 gab es auf Initiative der Böll-Stiftung mehrere Runden dieser Art.

An diesem Mittwoch wird Airbus-Chef Tom Enders sogar mit dem Vorsitzenden der Stiftung, Ralf Fücks, auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA)  in Berlin auftreten. Das Thema: nachhaltiges Fliegen.

Grünen-Anhänger fliegen am meisten

So ein Schulterschluss wäre vor ein paar Jahren undenkbar gewesen. Denn politisch verbindet Branche und Partei wenig - mal abgesehen davon, dass ausgerechnet Grünen-Anhänger am häufigsten ins Flugzeug steigen. Die Grünen treten für eine höhere Flugticketsteuer und Kerosinsteuer bei Inlandsflügen, ein Nachtflugverbot, Lärmschutz und Subventionsabbau ein. Forderungen, bei denen es Airlines gruselt.

Auszug aus Broschüre der Böll-Stiftung und Airbus

Auszug aus Broschüre der Böll-Stiftung und Airbus

Foto: Airbus/ Heinrich-Böll-Stiftung

Airbus ist auch beim Thema Rüstung ein erklärter Gegner. Die Grünen, entstanden aus der Pazifismusbewegung, ziehen noch immer gegen das Geschäft mit dem Krieg in Wahlkämpfe.

Der Konzern aber verkauft Kampfjets, Transportflieger und Militärtechnik in alle Welt, er produziert den pannenanfälligen Militärtransporter A400M oder den Kampfjet "Eurofighter". Letztes Jahr bekam Airbus den Milliardenzuschlag für die Entwicklung einer europäischen Kampfdrohne.

In der PR-Broschüre spielt das sensible Thema Rüstung allerdings gar keine Rolle.

"Unser Dialog konzentriert sich auf die Klimafrage und die Zukunft nachhaltiger Luftfahrt", erklärt Vorstand Fücks. "Der Austausch mit dieser klimapolitisch hoch relevanten Schlüsselindustrie ist gerade aus grüner Perspektive wichtig. Wenn wir etwas bewegen wollen, können wir nicht nur anklagen." Man fraternisiere nicht mit Airbus, sondern lote Positionen aus. "Am Ziel klimaneutralen Fliegens wird sich die Industrie messen lassen müssen."

Titelbild der "Oben"-Broschüre

Titelbild der "Oben"-Broschüre

Foto: Airbus/ Heinrich-Böll-Stiftung

Die Fraktionsspitze pflichtet ihm bei. "Ökologische Transformation funktioniert nur mit der Industrie und nicht gegen sie", sagt Fraktionschefin Göring-Eckardt. "Wir wollen der Branche klarmachen, dass nur Nachhaltigkeit langfristigen Erfolg hat."

Der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, sieht ebenfalls keinen Widerspruch zum Parteiprogramm. Die ökologische Modernisierung treibe man als ein Kernthema voran. "Auch umweltbewusste Menschen fliegen, meist in Boeing und Airbus." Die Haltung der Grünen bliebe aber eindeutig: "Wir wollen nachhaltiges Fliegen fördern und Rüstungskonzerne an die Kette legen."

"Das ist megapeinlich"

Die Annäherung an die Industrie hat auch strategische Gründe. Der technische Fortschritt, etwa bei Elektromotoren, geht voran - und die Grünen mit ihrer Klimakompetenz wollen mitmischen statt zugucken.

Doch dieser Prozess muss Grenzen haben, fordert die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Agnieszka Brugger. Fücks stoße interessante Debatten an, hält sie ihm zugute. "Mit dem ILA-Auftritt tut er der Stiftung aber keinen Gefallen." Die Broschüre spare außerdem "wichtige Kontroversen" aus. "Das passt nicht zur kritischen Heinrich-Böll-Stiftung."

Airbus sei "auch ein Rüstungskonzern, der für eines der größten Beschaffungsdesaster bei der Bundeswehr und einen Riesenverlust von Steuergeldern verantwortlich ist", so Brugger. "Das Unternehmen braucht offenbar dringend gute PR. Dabei sollte die Parteistiftung keine Rolle spielen."

Auch der Grünen-Abgeordnete Sven-Christian Kindler findet das Projekt seltsam. "Der Flugverkehr ist ein großer Klimakiller. Das muss sich dringend ändern. Um damit voranzukommen, kann man durchaus auch mit Branchenvertretern sprechen und Einladungen für Diskussionen annehmen. Ob ein gemeinsamer ILA-Auftritt und eine Broschüre mit Airbus aber die richtigen Mittel sind, ist fraglich", sagt er. "Ich halte die Kooperation mit Umweltverbänden und Gesetzesarbeit für geeigneter."

Auszug aus Broschüre von Airbus und Heinrich-Böll-Stiftung

Auszug aus Broschüre von Airbus und Heinrich-Böll-Stiftung

Foto: Airbus/ Heinrich-Böll-Stiftung

Tatsächlich werden in der Broschüre Differenzen, etwa über Regulierungsfragen und Fluglärm, nur dezent angesprochen. Sie sind gut versteckt zwischen Hochglanzbildern zu Tragflächen aus dem 3D-Drucker, Elektroantrieben, Treibstoff aus Algen. Man bekommt beim Lesen den Eindruck, bei Airbus stünde die grüne Revolution kurz bevor. "Megapeinlich" findet ein Landes-Grüner, "dass sich eine Parteistiftung für Unternehmens-PR zur Verfügung stellt".

Es dürfte allerdings nicht das letzte Projekt dieser Art sein, Partnerschaften zwischen Grünen und der Wirtschaft sind längst kein Tabu mehr. So ließ der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinen Wahlkampf von einem Berliner Finanzinvestor mitfinanzieren.

Auch beim Thema Rüstung sind Barrieren gefallen. Der in Stuttgart beheimatete Südwestmetall-Verband überweist den Grünen jährlich mehrere Zehntausend Euro. Zu den Mitgliedern zählen große Rüstungsfirmen wie Heckler & Koch, Diehl Defence oder MTU.

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Foto: Axel Heimken/ dpa