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Klimaforschung Eiszeit-Konsens der Siebziger ist ein Mythos

In den siebziger Jahren grassierte die Angst vor einer drohenden Eiszeit. Doch der verbreitete Eindruck, Forscher hätten mehrheitlich die globale Abkühlung prophezeit, ist laut einer neuen Studie ein Irrglaube: Die meisten Fachleute gingen schon damals von einer Erwärmung aus.

Wer heute öffentlich die Existenz des Klimawandels anzweifelt, verweist gern auf das angebliche Hin und Her in der Beurteilung des Weltklimas durch die Wissenschaft: Heutzutage würden Forscher vor der Erderwärmung warnen, während sie noch in den siebziger und achtziger Jahren die Angst vor einer baldigen Eiszeit verbreitet hätten. Deshalb solle man doch bitte die Panikmache vor der Erwärmung nicht allzu ernst nehmen.

Angesichts der teils extrem kalten Winter in den Jahren 1977 bis 1979 erschien vielen Menschen damals die Vorstellung einer neuen Vereisung der Nordhalbkugel durchaus plausibel. Der britische Astronomie-Professor Fred Hoyle erklärte: "Die nächste Eiszeit ist nicht nur möglich, sondern kommt bestimmt." Als Gegenmaßnahme empfahl der unter Kollegen umstrittene Forscher eine künstliche Aufheizung der Ozeane, wie etwa der SPIEGEL 1981 berichtete .

Heute ist klar, dass die ungewöhnliche Kälteperiode in den Siebzigern nur eine kurze Episode war. Doch es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen der damaligen Eiszeit-Angst und der aktuellen Erwärmungsdebatte: Während heute in der Wissenschaft ein weitgehender Konsens über die steigenden Temperaturen besteht, war die Forschung der siebziger Jahre keineswegs einig über die drohende Eiszeit.

Im Gegenteil: Vor rund 30 Jahren glaubten nur wenige Wissenschaftler tatsächlich, dass sich schon bald gigantische Schneeberge Richtung Süden schieben würden. "Es gab keinen wissenschaftlichen Konsens in den Siebzigern, dass eine neue Eiszeit bevorsteht", erklärt Thomas Peterson vom National Climatic Data Center, der gemeinsam mit zwei Kollegen Dutzende wissenschaftliche Veröffentlichungen aus der Zeit durchgeschaut hat.

In nur sieben Fachartikeln wurde eine Abkühlung prophezeit

In den Jahren 1965 bis 1979 fanden die Forscher nur sieben Fachartikel, in denen eine Abkühlung prognostiziert wurde. In 44 Artikeln sagten die Autoren hingegen eine Erwärmung voraus, in 20 war von einer neutralen Entwicklung die Rede. Alle untersuchten Beiträge stammten aus Fachmagazinen mit Peer Review, sie waren also vor der Veröffentlichung von Forscherkollegen geprüft worden.

"Ich war überrascht, dass die globale Erwärmung in den Peer-reviewed-Artikeln dieser Zeit so dominierte", sagte Peterson der Zeitung "USA Today". Peterson arbeitet auch für den Klimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Seine Untersuchung über den Stand der Klimaforschung vor 30 Jahren soll im Fachblatt "Bulletin of the American Meteorological Society" erscheinen.

Die grundlegenden Mechanismen des Weltklimas waren bereits vor 30 bis 40 Jahren bekannt: Kohlendioxid wirkt als Treibhausgas, Eis reflektiert die Strahlung der Sonne. Dennoch gab es Theorien, die eine Eiszeit prophezeiten. Der neuseeländische Forscher Alexander Wilson etwa hatte die Hypothese aufgestellt, dass gewaltige Eisrutsche am Südpol frühere Eiszeiten im Norden ausgelöst hatten.

Dieses Szenario, so fürchtete mancher noch 1980, könnte sich wiederholen: Der Treibhauseffekt führe zu mehr Schneefällen am Südpol, die kilometerdicke Eisschicht der Antarktis könne dadurch dermaßen anwachsen, dass sie ins Gleiten kommt. Die Folge: Die Meerestemperatur würde um mehrere Grad Celsius sinken . Das schwimmende Eis würde zudem mehr Sonnenlicht reflektieren als Wasser und so die Abkühlung der Atmosphäre noch beschleunigen.

hda

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