Der Hohle Fels bei Schelklingen hat schon für so manche Sensation gesorgt: Tübinger Archäologen fanden bei ihren Grabungen in der Eingangshöhle die älteste plastische Menschendarstellung, die Venus vom Hohle Fels, und das bislang älteste Musikinstrument, eine Flöte aus Geierknochen. Gestern präsentierte Prof. Nicholas Conard, der die Grabungen seit 20 Jahren leitet, im Tübinger Schloss eine neue Sensation: einen 20,4 Zentimeter langen, aus Mammutelfenbein geschnitzten Stab. Er ist mehrfach durchbohrt, in den sorgfältig ausgearbeiteten Löchern sind spiralförmige Einkerbungen zu erkennen.

Solche so genannten Lochstäbe haben die Archäologen bereits häufiger gefunden. Doch wozu die ersten modernen Menschen diese Stäbe genutzt haben, war bislang ein Rätsel. War es Hebelwerkzeug, ein Musikinstrument oder Kunstwerk? „Die Kerben erwiesen sich als Schlüssel für die Nutzung“, sagte Maria Malina, eine der Grabungsleiterinnen. Die Vermutung der Archäologen: Die tiefen Einschnitte in den Löchern sollten Pflanzenfasern in eine bestimmte Richtung leiten, damit sie sich zu Schnüren eindrehen. Demnach diente das Werkzeug zur Herstellung von Seilen.

Für Jäger- und Sammlerkulturen waren Seile überlebenswichtig. Forscher wussten jedoch bislang kaum etwas über deren Herstellung vor etwa 40 000 Jahren. „Dieses Werkzeug beantwortet die Frage, wie im Paläolithikum Seile hergestellt wurden. Ein Rätsel, das Wissenschaftler für Jahrzehnte beschäftigt hat“, sagte Veerle Rots. Zusammen mit ihrem Team hat sie an der Universität Lüttich in vielen Versuchen die Nutzung eines solchen Werkzeugs untersucht, damit experimentiert und gezeigt: Mit dem richtigen Dreh funktioniert das Seilmachen tatsächlich.

Freilich könne man sich dennoch nicht ganz sicher sein, dass dies die einzige und richtige Deutung des Lochstabes ist: „Rein theoretisch ist es möglich, dass der Stab zu anderen Zwecken genutzt wurde“, sagte Conard, „aber wir haben keine alternative Deutung“. Der Forscher nimmt an, dass die Menschen in der Altsteinzeit häufig Seile herstellten. Bis zu einer bestimmten Menge sei das mit tierischen Sehnen möglich gewesen. Waren jedoch größere Mengen Seil nötig, mussten die Jäger und Sammler vermutlich Pflanzenfasern nutzen – denn diese waren ausreichend vorhanden.

Gefunden hat das Seilwerkzeug die Archäologin Laura Bauer bei der Sommergrabung der Uni Tübingen vergangenes Jahr. Mehr als dreieinhalb Meter tief unterhalb des Erdbodenniveaus habe sie zu der Zeit in einer ohnehin sehr fundreichen Schicht mit vielen Elfenbeinbruchstücken gegraben. Auch die Venus und die Flöte wurden 2008 ganz in der Nähe gefunden. „Es war relativ schnell klar, dass es etwas Besonderes ist“, sagt die junge Archäologin.

Die Forscher setzten die 15 Bruchstücke zusammen. Der Fund ist so gut erhalten wie kein anderer Lochstab. Und es ist der erste Stab dieser Art, dem die Wissenschaftler eine Deutung zuweisen können. Vollständig ist der Stab nicht, das ist am obersten, ausgebrochenen Loch zu erkennen „Es kann sein, dass wir noch einen Teil finden und dass das Werkzeug dann komplett wird“, sagte Conard, „das ist Glückssache.“

Fund des Jahres in Blaubeuren zu sehen

Ausstellung Das etwa 40 000 Jahre alte Seilwerkzeug ist noch gestern – nach der Präsentation in Tübingen – im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren eingetroffen. Museumsleiterin Dr. Stefanie Kölbl hat den Lochstab aus Mammutelfenbein in Empfang genommen. Als „Fund des Jahres“ ist das Steinzeit-Werkzeug  von heute, Samstag, an im Blaubeurer Museum zu sehen. Zur Eiszeitkunst wie Venus und Wasservogel sowie Eiszeitmusikinstrumenten wie diversen Flöten aus Knochen und Elfenbein kommt jetzt also noch ein weiteres Artefakt des Eiszeithandwerks. Das passt gut zur aktuellen Ausstellung „Speer kaputt! Was nun?“ Gezeigt wird, wie die Menschen in der Steinzeit einen Speer herstellten und zur Jagdwaffe machten. Geöffnet ist das Urgeschichtliche Museum in Blaubeuren täglich außer montags jeweils von 10 bis 17 Uhr.

Fund des Jahres in Blaubeuren zu sehen

Ausstellung Das etwa 40 000 Jahre alte Seilwerkzeug ist noch gestern – nach der Präsentation in Tübingen – im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren eingetroffen. Museumsleiterin Dr. Stefanie Kölbl hat den Lochstab aus Mammutelfenbein in Empfang genommen. Als „Fund des Jahres“ ist das Steinzeit-Werkzeug  von heute, Samstag, an im Blaubeurer Museum zu sehen. Zur Eiszeitkunst wie Venus und Wasservogel sowie Eiszeitmusikinstrumenten wie diversen Flöten aus Knochen und Elfenbein kommt jetzt also noch ein weiteres Artefakt des Eiszeithandwerks. Das passt gut zur aktuellen Ausstellung „Speer kaputt! Was nun?“ Gezeigt wird, wie die Menschen in der Steinzeit einen Speer herstellten und zur Jagdwaffe machten. Geöffnet ist das Urgeschichtliche Museum in Blaubeuren täglich außer montags jeweils von 10 bis 17 Uhr.