Ein Leben für Emma Kunz

Einer Heilerin und Künstlerin galt Anton Meiers grösste Leidenschaft. Für sie inszenierte er in einem Steinbruch eine Begegnungsstätte. Nun ist er mit 80 Jahren gestorben.

Dorothee Vögeli
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Die Naturheilärztin Emma Kunz entdeckte die Grotte bei Würenlos, die als Kraftort gilt. (Archivbild: Adrian Baer/ NZZ)

Die Naturheilärztin Emma Kunz entdeckte die Grotte bei Würenlos, die als Kraftort gilt. (Archivbild: Adrian Baer/ NZZ)

Eine mächtige Felsgrotte im Römersteinbruch oberhalb von Würenlos gilt als «Kraftort». 20 000 Besucher pilgern jährlich dorthin. Entdeckt hat ihn die Aargauer Naturheilärztin, Forscherin und Künstlerin Emma Kunz (1892–1963). Sie erkundete energetische Zusammenhänge und konnte dank intuitiv erlangten Messresultaten angeblich auch prophetische Fähigkeiten nutzen. Ihre Erkenntnisse, die sie mithilfe des Pendels gewann, hielt sie auf Millimeterpapier fest. Entstanden sind so ihre berühmten Pendelzeichnungen, die auch schon im Kunsthaus Zürich zu sehen waren. Ihr und ihrem Werk galt Anton Meiers grösste Leidenschaft. Vor über dreissig Jahren erwarb er von seinem Vater, dem Besitzer des Steinbruchs Würenlos, das 13 Hektaren grosse Areal und realisierte im stillgelegten Teil eine Emma Kunz gewidmete Gedenk- und Begegnungsstätte. Nun ist der Hausherr, der auch dort wohnte, im Alter von 80 Jahren gestorben.

Von Kinderlähmung geheilt

«Sie war eine einmalige Frau», sagte Meier einst im Gespräch mit der NZZ. Die für ihn schicksalshafte Begegnung erlebte er im Alter von fünf Jahren. Damals erkrankte er an Kinderlähmung. Obwohl der Gang zu Heilern verpönt war, brachte ihn sein Vater zu Emma Kunz. Mit dem Pendel prophezeite sie die Genesung des Knaben, und zwar mit der Kraft eines Steinpulvers aus der Gegend von Würenlos. Wenig später entdeckte sie dort besonders starke energetische Schwingungen. Dank Umschlägen aus dem fein zerriebenen Würenloser Muschelkalk, den sie Aion A nannte, habe er innert weniger Monate wieder gehen können, berichtete Meier, dessen «Wundergeschichte» im Dorf bis heute auf grosse Skepsis stösst. Doch für ihn war die Heilung eine nicht mehr hinterfragbare Realität.

Nach einer kaufmännischen Ausbildung war Meier, der sich stets auch mit Grenzwissenschaften wie Parapsychologie beschäftigte, als Marketingspezialist in Grossfirmen tätig. Als er heiratete, verlor er den Kontakt zu Emma Kunz, «rettete» aber nach ihrem Tod den gesamten Nachlass, für den ihre Verwandtschaft kein Interesse gezeigt hat, wie er sagte. 1985 erwarb er die drei Steinbrüche in Würenlos und gründete die Steinwerke A. Meier AG sowie die Emma Kunz Heilprodukte AG, die fortan das Steinpulver Aion A vertrieb. 1991 eröffnete er ein Museum mit rund 70 Zeichnungen von Emma Kunz und begann Schulungen und Führungen anzubieten, die er auch persönlich bestritt.

Wegen finanzieller Probleme wäre sein Lebenswerk fast gescheitert, heute steht es laut seinen Mitarbeiterinnen auf solidem Grund und geht an seine Erben über. Seit kurzem gehören imposante Eisenplastiken dazu: Heinz Niederer, der Gründer der Ateliergemeinschaft Zürcher Bildhauer auf dem Gaswerk-Areal Schlieren, überlässt seinen gesamten Nachlass dem Emma-Kunz-Zentrum. «Es gibt Orte, die mich magisch anziehen, die Würenloser Grotte gehört dazu», sagt Niederer, der sich auf Anhieb mit Meier verstand.

Nur mit Schlüssel

Für Meier war die Ruhe, die das romantische, sorgfältig gepflegte Gelände erfüllt, die Bedingung für spirituelle und heilende Impulse im Sinne von Emma Kunz. Damit die Besucher ungestört sein können, erhalten sie einen Schlüssel, mit dem sich ein efeubewachsenes Gittertor öffnen und wieder verschliessen lässt. Der Pfad zur Grotte führt an einem Gedenkstein vorbei. Bewacht wird er von einer Föhre, Emma Kunz' Lieblingsbaum. Morgens war Meier jeweils der Erste, der sich zur Grotte aufmachte, um «Energien zu tanken».